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Autor: Augustinus

Buch: Vom Gottesstaat, Buch 11-22

Titel: Buch 11, Ursprung der beiden Staaten in der Engelwelt

Stichwort: 6. Woher der böse Wille der bösen Engel?; der Ursprung des bösen Werkes; Umkehr der Richtung des Strebens als Ursprung des Bösen; Beispiel: schöner Leib

Kurzinhalt: Wie kann also eine gute Sache bösen Willen bewirken? Wie in aller Welt Gutes die Ursache von Bösem sein? Nein, nur dann, wenn der Wille sich vom Höheren ab- und dem Niederen zuwendet, wird er böse, nicht als wäre das böse, zu dem er sich hinwendet ...

Textausschnitt: 6. Woher der böse Wille der bösen Engel?

12/6/1 Demnach ist dies die wahre Ursache der Seligkeit der guten Engel, daß sie dem anhangen, der zuhöchst ist. Fragt man aber nach der Ursache der Unseligkeit der bösen Engel, zeigt sich klärlich nur eine, die Abkehr von dem, der zuhöchst ist, und die Hinkehr zu sich selber, die nicht zuhöchst sind. Wie soll man diesen Fehler anders bezeichnen als Hochmut? «Hochmut ist ja der Anfang aller Sünde.» Sie wollten also ihre Kraft nicht in ihm bewahren, und obwohl sie mehr gewesen wären, hätten sie dem, der zuhöchst ist, angehangen, zogen sie ihm das geringere Sein, nämlich sich selber vor. Das ist das erste Versagen, der erste Mangel, der erste Fehler jener Natur, die so geschaffen ward, daß sie zwar nicht das höchste Sein besaß, aber doch, um Seligkeit zu erlangen, den, welcher zuhöchst ist, hätte genießen können, während sie, von ihm abgewandt, zwar nicht ihr Sein verlor, aber es verminderte und darum elend ward. Sucht man nach einer bewirkenden Ursache dieses bösen Willens, findet man keine. Denn was sollte es sein, das den bösen Willen hervorbringt, der seinerseits das böse Werk hervorbringt? Darum ist es der böse Wille, der das böse Werk vollbringt, aber nichts ist, was den bösen Willen bewirkt. Denn wenn da irgend etwas wäre, was als Ursache in Frage kommen könnte, hat es entweder auch einen Willen oder keinen. Hat es einen, dann sicher entweder einen guten oder bösen. Wenn einen guten, wird doch niemand so unsinnig sein zu glauben, daß der gute Wille einen bösen Willen hervorbrächte. Denn dann wäre ein guter Wille die Ursache der Sünde, und etwas Sinnloseres läßt sich nicht erdenken. Wenn aber jenes Etwas, das den bösen Willen verursachen soll, selbst einen bösen Willen hat, forsche ich folgerichtig nach der Ursache, die ihn hervorgebracht hat, und so fort, bis ich, um endlich meinen Fragen ein Ziel zu setzen, nach der Ursache des ersten bösen Willens frage. Es wäre aber nicht der erste böse Wille, wenn ihn ein anderer böser Wille hervorgebracht hätte. Das also ist der erste, den kein anderer hervorgebracht hat. Denn wäre ihm ein anderer vorausgegangen, der ihn bewirkt hätte, wäre er der erste, der den andern hervorbrachte. Antwortet man, nichts habe ihn hervorgebracht und darum sei er immer gewesen, so frage ich, ob er irgendeinem Wesen angehörte. Wenn keinem, konnte er selber auch nicht sein, wenn aber irgendeinem, so verschlechterte und verdarb er es, war ihm schädlich und beraubte es eines Gutes. Folglich konnte der böse Wille in keiner bösen Natur sein, sondern nur in einer guten, wenn auch wandelbaren, der dieser Fehler schaden konnte. Denn schadete er nicht, wär's auch kein Fehler gewesen und hätte man ihn auch keinen bösen Willen heißen dürfen. Schadete er aber, schadete er zweifellos dadurch, daß er Gutes fortnahm oder verminderte. So konnte der böse Wille unmöglich immer in einem Wesen vorhanden gewesen sein, da etwas natürlich Gutes vorher dagewesen sein mußte, das der böse Wille schädigen und wegnehmen konnte. War er also nicht immer, frage ich, wer ihn bewirkt hat. Es bleibt noch die Annahme übrig, daß den bösen Willen etwas hervorgebracht hat, in dem noch kein Wille war. Ich frage nun, ob dies etwas Höheres oder Niederes oder Gleiches war. War es höher, dann gewiß auch besser, hatte also gewiß nicht etwa keinen, sondern vielmehr guten Willen. Dasselbe müßte gelten, wenn es gleich gewesen wäre. Denn wenn ihrer zwei gleicherweise guten Willens sind, verursacht nicht eins im andern bösen Willen. So muß denn ein geringeres Etwas, das keinen Willen hatte, dem Engelwesen, das zuerst sündigte, den bösen Willen eingeflößt haben. Aber mag dieses sein, was es will, so geringwertig wie die unterste Erde, ist es eine Natur und ein Wesen, so ist es unfraglich auch gut und hat nach seiner Art und in seiner Ordnung Maß und Gestalt. (66ff; Fs)

12/6/2 Wie kann also eine gute Sache bösen Willen bewirken? Wie in aller Welt Gutes die Ursache von Bösem sein? Nein, nur dann, wenn der Wille sich vom Höheren ab- und dem Niederen zuwendet, wird er böse, nicht als wäre das böse, zu dem er sich hinwendet, sondern weil die Hinwendung selber verkehrt ist. Also machte nicht ein niederes Ding den Willen böse; sondern schlecht und ordnungswidrig, weil er selber böse ward, trachtete er nach dem niederen Ding. Nehmen wir an, daß zwei Menschen, die geistig und leiblich in gleicher Verfassung sind, denselben schönen Leib erblicken, und daß der eine durch diesen Anblick zu unerlaubtem Genuß verlockt wird, während der andere unentwegt in keuschem Willen verharrt, was sollen wir da als Ursache ansehen, daß wohl in dem einen, aber nicht in dem anderen böser Wille entsteht. Was verursacht ihn in dem erstgenannten? Doch nicht die Schönheit des Leibes, denn sie fiel beiden in gleicher Weise in die Augen, hatte aber nicht die gleiche Wirkung bei beiden. Oder war etwa das Fleisch des einen Betrachters die Ursache? Warum dann nicht auch das des andern? Oder war's der Geist? Warum denn nicht beider Geist? Wir setzten ja voraus, sie seien beide geistig und leiblich in gleicher Verfassung gewesen. Oder sollen wir sagen, der eine sei durch geheime Einflüsterung eines boshaften Geistes versucht worden? Als ob er nicht dieser Einflüsterung, diesem Zureden, wie man es sich auch denken mag, mit eigenem Willen zugestimmt hätte! Was diese Zustimmung, diesen bösen Willen, der dem schlimmen Zureden nachgab, in dem Manne hervorgebracht hat, danach fragen wir. Denn wir nehmen an, um auch diese Schwierigkeit aus dem Wege zu räumen, daß beide in derselben Weise versucht werden und der eine nachgibt und einwilligt, während der andere standhaft bleibt, der er war. Da zeigt sich doch klar, daß der eine von der Keuschheit nicht lassen wollte, der andere aber es wollte. Was war der Grund? Doch nur der eigene Wille, da ja in beiden die körper liche und geistige Beschaffenheit die gleiche war. Beider Augen sahen in gleicher Weise die Schönheit, beiden machte die gleiche geheime Versuchung zu schaffen. Wollen wir eine Ursache ausfindig machen, die in dem einen den eigenen bösen Willen hervorgebracht habe, finden wir auch bei genauem Zusehen nichts. Sagen wir nämlich, er selbst sei die Ursache - nun, was war er selbst vor seinem bösen Willen anders als eine gute Natur, geschaffen von Gott, dem unwandelbaren Gut? Wer also sagt, derjenige, der dem Versucher und bösen Berater im Unterschied von dem anderen zustimmte, sich des schönen Leibes zu bemächtigen, der beiden körperlich und geistig Bleichgestimmten Männern vor Augen stand, habe seinen bösen Willen selbst hervorgebracht, obwohl er vor seinem bösen Willen gut gewesen sei, der frage weiter, warum er ihn hervorgebracht hat. Darum, weil er eine Natur ist, oder weil er eine aus nichtserschaffene Natur ist? Er wird finden, daß der böse Wille nicht darin seinen Ursprung hat, daß der Sünder ein Naturwesen ist, sondern darin, daß es eine aus nichts geschaffene Natur ist. Denn wenn die Natur Ursache des bösen Willens wäre, müßten wir unweigerlich sagen, daß von Gutem Böses bewirkt werde, Gutes die Ursache des Bösen sei - falls nämlich die gute Natur den bösen Willen hervorbrächte. Aber wie kann das geschehen, daß eine gute, wenn auch wandelbare Natur, ehe sie bösen Willen hat, etwas Böses hervorbringt, nämlich den bösen Willen selbst? (68f; Fs)

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