Datenbank/Lektüre


Autor: Augustinus

Buch: Vom Gottesstaat, Buch 11-22

Titel: Buch 11, Ursprung der beiden Staaten in der Engelwelt

Stichwort: 1. Von dem Wesen der guten und bösen Engel; Seligkeit: Gott anhangen; die anderen: Selbstüberhebung gegen Ewigkeit, nichtsnutzige Schlauheit gegen Wahrheit ... (von Engeln ausgesagt, gilt von Menschen)

Kurzinhalt: So zeigt sich mit aller Klarheit auch an dem Fehler der bösen Engel, Gott nicht anzuhangen, da jeder Fehler der Natur schadet, daß Gott ihre Natur so gut geschaffen hat, daß ihr nur eins schaden kann: Die Trennung von Gott.

Textausschnitt: 1. Von dem Wesen der guten und bösen Engel

12/1/1 Ehe ich von der Erschaffung des Menschen spreche, wo alsbald der Ursprung der beiden Staaten, soweit das Geschlecht der vernunftbegabten Sterblichen in Frage kommt, zutage treten wird, wie er schon im vorigen Buche bei den Engeln zutage trat, muß ich noch einiges von den Engeln sagen. Ich möchte nämlich, so gut ich's vermag, den Beweis führen, daß man nicht unschicklich und unpassend von einer Gemeinschaft zwischen Menschen und Engeln spricht, so daß folglich nicht von vier Staaten, nämlich zwei Engel- und zwei Menschenstaaten, sondern nur von zwei Staaten, das heißt Genossenschaften, mit Recht die Rede sein kann, von denen der eine aus den guten, der andere aus den bösen, und zwar sowohl Engeln wie Menschen besteht. (58; Fs)

12/1/2 Man darf nicht daran zweifeln, daß das entgegengesetzte Streben der guten und bösen Engel nicht in der Verschiedenheit ihres Wesens und Ursprungs begründet ist, da Gott, der gute Urheber und Schöpfer aller Wesen, sie beide geschaffen hat, sondern in der Verschiedenheit ihres Wollens und Begehrens. Denn die einen verharren standhaft bei dem allen gemeinsamen Gut, das für sie Gott selber ist, und bei seiner Ewigkeit, Wahrheit und Liebe; die andern, von ihrer eigenen Macht berauscht, fielen, als könnten sie ihr eigenes Gut sein, von dem höheren, allen gemeinsamen, beseligenden Gute auf sich selbst zurück, tauschten dünkelhafte Selbstüberhebung ein für die hoch erhabene Ewigkeit, nichtsnutzige Schlauheit für gewisseste Wahrheit, parteiische für allgemeine Liebe und wurden hochmütig, trügerisch, neidisch. Gott anhangen, das ist für die einen Grund der Seligkeit, so ergibt sich als Grund der Unseligkeit der anderen das Gegenteil: Gott nicht anhangen. Wenn also auf die Frage, warum die einen selig sind, die Antwort mit Recht lautet: Weil sie Gott anhangen, und auf die Frage, warum die andern unselig: Weil sie Gott nicht anhangen, so gibt es für die mit Vernunft und Geist begabte Kreatur kein anderes Gut, das selig machen kann, als Gott allein. Also, obschon nicht alle Geschöpfe glückselig sein können - denn wilde Tiere, Bäume, Felsen und dergleichen erlangen diese Gnadengabe nicht, sind auch nicht empfänglich dafür -, sind es doch diejenigen, die es sein können, nicht aus sich selbst, da sie aus nichts geschaffen sind, sondern durch den, der sie geschaffen hat. Gewinnen sie ihn, sind sie selig, verlieren sie ihn, unselig. Er aber, der durch kein anderes Gut, sondern durch sich selbst selig ist, kann darum nie unselig sein, weil er nie sich selbst verlieren kann. (58f; Fs)

12/1/3 Wir sagen also: Es gibt nur ein unwandelbares Gut, den einen, wahren, seligen Gott; dagegen, was er geschaffen hat, ist zwar gut, weil es von ihm stammt, doch auch wandelbar, weil es nicht aus ihm, sondern aus nichts erschaffen -ist. Obschon sie also nicht zuhöchst gut sind, da Gott ein höheres Gut ist als sie, stellen darum doch auch die wandelbaren Geschöpfe ein hohes Gut dar, da sie dem unwandelbaren Gut anhangen können, um selig zu sein. Denn dies ist für sie so sehr das Gut, daß sie ohne es notwendig unselig sein müssen. Und nicht etwa sind in der Gesamtheit der Schöpfung andere Wesen darum besser, weil sie nicht unselig sein können, sonst müßten ja die übrigen Glieder unsers Körpers darum besser sein als die Augen, weil sie nicht erblinden können. Aber wie ein empfindendes Geschöpf, auch wenn es Schmerzen leidet, besser ist als ein Stein, den nichts schmerzt, so ist ein vernünftiges Wesen, mag es auch unselig sein, vorzüglicher als ein Wesen, das keine
Vernunft, vielleicht auch keine Empfindung besitzt und darum für Unseligkeit nicht empfänglich ist. Demnach ist es für dies in solcher Vorzüglichkeit erschaffene Wesen, das zwar wandelbar ist, aber durch Anhangen an das unwandelbare Gut, den höchsten Gott, Glückseligkeit erlangt, das seine Bedürftigkeit nur befriedigen kann, wenn es glückselig wird, und solche Befriedung nur in Gott finden kann, für solch ein Wesen ist es fürwahr ein schlimmer Fehler, wenn es ihm nicht anhangt. Jeder Fehler aber schadet der Natur und ist demzufolge naturwidrig. Solch ein Wesen unterscheidet sich also von dem, das Gott anhangt, nicht durch seine Natur, sondern seine Fehlerhaftigkeit. Aber gerade durch den Fehler wird es deutlich, wie edel und preiswürdig die Natur an sich selber doch ist. Denn wessen Fehler man, wie es recht ist, tadelt, dessen Natur zollt man dadurch ohne Frage Anerkennung. Die Feststellung, daß durch den Fehler die löbliche Natur verunstaltet wird, ist ja der rechte Tadel. Wie man dadurch, daß man die Erblindung einen Augenfehler nennt, darauf hinweist, daß es die Natur der Augen ist zu sehen, dadurch daß man die Taubheit einen Fehler der Ohren heißt, bekundet, daß es ihre Natur ist zu hören, so wird dadurch, daß man erklärt, es sei ein Fehler der Engelnatur, Gott nicht anzuhangen, offen ausgesprochen, daß es ihr wesensgemäß ist, Gott anzuhangen. Darum, wer kann sich's ausdenken, wer es gebührend mit Worten erheben, welch hoher Ruhm es ist, Gott anzuhangen, um in ihm zu leben, in ihm weise und fröhlich zu sein und solch großes Gut ohne Tod, ohne Irrtum und ohne Beschwer zu genießen? So zeigt sich mit aller Klarheit auch an dem Fehler der bösen Engel, Gott nicht anzuhangen, da jeder Fehler der Natur schadet, daß Gott ihre Natur so gut geschaffen hat, daß ihr nur eins schaden kann: Die Trennung von Gott.

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt