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Autor: Voegelin, Eric

Buch: Apostasie

Titel: Apostasie

Stichwort: Definition: Säkularisierung (säkulaisierte Geschichte); Marquise du Chatelet, Bossuet, Voltaire

Kurzinhalt: Als Säkularisierung beabsichtigen wir jene Haltung zu bezeichnen, mit der die Geschichte, einschließlich der christlich religiösen Phänomene, als eine innerweltliche Kette von menschlichen Ereignissen aufgefasst wird, während ...

Textausschnitt: b. Säkularisierte Geschichte

12a Durch den Appell an ein profanes Prinzip der Universalität forderten die Notizen der Marquise du Châtelet die christliche Universalität offen heraus. Die Bemerkung über die relative Bedeutung Israels brachte Geschichte und Theologie in einen Gegensatz. "Geschichte" ist hier ein vom Plan der Vorsehung unabhängiger Bereich; ihr Sinn und ihre Ordnung - sollte es sie geben - können nicht vom Drama des Falls und der Erlösung abgeleitet werden. Das Volk Israels mag zwar im Heilsdrama eine einzigartige Bedeutung gehabt haben, es hat aber wenig Bedeutung auf einem Gebiet, dessen Struktur durch den Aufstieg und Fall der politischen Mächte bestimmt wird. Dieser Aspekt der Bemerkung wäre für sich noch nicht revolutionär gewesen. Bossuet hätte der Marquise in diesem Punkt gar zugestimmt und darauf bestanden, dass er genau deswegen Israel nicht in Teil III über die Geschichte der Reiche, sondern in der Suite de la religion abgehandelt habe. Die Bemerkung nahm erst dort revolutionäre Züge an, wo sie implizierte, dass die Heilsgeschichte, die "Theologie", unwichtig sei und die Profangeschichte ein Monopol besitze, die Bedeutung von Völkern und Ereignissen zu bestimmen. Das Zentrum der Universalität war von der heiligen auf die weltliche Ebene verlagert worden, und diese Verlagerung gab der Sache jene Wendung, die implizierte, dass die Geschichtskonstruktion in Zukunft nicht dem religiösen Drama unterzuordnen sei, sondern das Christentum als ein Ereignis in der Geschichte zu betrachten sein würde. Durch diese Verlagerung des Interpretationszentrums verschwand der Dualismus zwischen Heils- und Profangeschichte. Profangeschichte ist nur so lange profan als die Heilsgeschichte als absoluter Bezugsrahmen akzeptiert wird. Gibt man diese Position auf, so fließen die beiden Geschichten auf der Ebene einer säkularisierten Geschichte ineinander. Als Säkularisierung beabsichtigen wir jene Haltung zu bezeichnen, mit der die Geschichte, einschließlich der christlich religiösen Phänomene, als eine innerweltliche Kette von menschlichen Ereignissen aufgefasst wird, während gleichzeitig der christliche Glaube an eine allgemeingültige Ordnung der menschlichen Geschichte beibehalten wird. (Fs) (notabene)

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