Datenbank/Lektüre


Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Wesen und Ausstattung des Menschen

Titel: Kommentar zu: Thomas Summa Thomasausgabe Band06

Stichwort: Kommentar 75, a4; Seele: Thomas vs. Plato (Seele der ganze Mensch; Sinnentätigkeit); Verwirklichung der Art: nicht die Seele allein, sondern der aus Seele und Leib zusammengesetzte Mensch

Kurzinhalt: Indem Thomas auf solche Weise die Theorie Platos zurückweist, tritt er der allzu großen Verselbständigung der Seele entgegen ... Nicht die menschliche Seele allein ist die Verwirklichung der menschlichen Art, ist menschliche Person, sondern der aus ...

Textausschnitt: 4. ARTIKEL -- Die menschliche Seele nicht der ganze Mensch

478a Die Selbständigkeit, die der menschlichen Seele zugesprochen wurde, könnte an sich den Gedanken nahelegen, die Seele sei der ganze Mensch. Nun hat zwar Thomas bereits gesagt, daß die Seele kein Vollselbständiges, sondern "Teil der menschlichen Art" ist (Art. 2 Zu 1). Die gegenteilige Auffassung Platos jedoch veranlaßt ihn, eigens nachzuweisen, daß die menschliche Seele nicht der ganze Mensch ist. Plato hat für seine Meinung einen zweifachen Grund. Einmal betrachtet er gemäß seiner Ideenlehre (vgl. 79, 3; 84, 1) allgemein die Form des Dinges als die alleinige Verwirklichung der betreffenden Art, sodann schreibt er nicht nur die Verstandes-, sondern auch die Sinnestätigkeit und damit die Haupttätigkeiten des Menschen der Seele allein zu. Thomas tritt der doppelten Begründung entgegen. Die Annahme, daß die Seele die vollständige Verwirklichung der menschlichen Art sei, führt zu dem Urteil, daß die Seele "der Mensch" schlechthin, der Leib also vom Wesen des Menschen vollständig ausgeschlossen ist. Dem steht aber die aus der Erfahrung gewonnene (physische) Wesensbestimmung des Menschen entgegen, nach der der Mensch ein aus einer vernünftigen Seele und einem gegliederten Körper bestehendes Wesen ist. (Über physische und metaphysische Begriffsbestimmung s. GrPh 1, 31 ff.)

478b Die zweite Annahme, daß auch die sinnliche Wahrnehmung der Seele eigentümlich sei, diese also allein die Haupttätigkeit des Menschen ausübe, führt nach dem Grundsatz, daß jedes Ding das ist, wodurch die Tätigkeiten dieses Dinges ausgeführt werden, zu dem Urteil, daß die einzelne Seele dieser einzelne Mensch ist. Allein dem steht entgegen, daß die menschliche Seele nicht der einzige Grund aller menschlichen Tätigkeiten ist, da bei den sinnlichen und den der Ernährung dienenden, den vegetativen Tätigkeiten, der Leib der substantielle Mitgrund ist. Indem Thomas auf solche Weise die Theorie Platos zurückweist, tritt er der allzu großen Verselbständigung der Seele entgegen und läßt auch den menschlichen Leib zu seinem Rechte kommen. Nicht die menschliche Seele allein ist die Verwirklichung der menschlichen Art, ist menschliche Person, sondern der aus Seele und Leib zusammengesetzte Mensch (vgl. Anm. [25]). (Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt