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Autor: Rad, Gerhard von

Buch: Theologie des alten Testaments II

Titel: Theologie des alten Testaments II

Stichwort: das Entscheidene der neuen Heilszusage: neuer Bund, Herz; Wegfall d. Gehorsamsleistung

Kurzinhalt: die Übereignung des Gotteswillens an den Menschen wird sich nun anders als am Sinai vollziehen: Jahwe wird seinen Willen gleich in Israels Herz legen

Textausschnitt: Damit scheint sich das Zukunftsbild von der neuen Existenz Israels vor Jahwe zu runden, und der Leser könnte den Eindruck haben, daß die Heilszeit, von der Jeremia spricht, in allem Wesentlichen in einer Restituierung der bisherigen Verhältnisse Israels bestehe. Aber das Gegenteil ist der Fall: Der Bruch zwischen dem Alten und dem Neuen ist bei Jeremia tiefer und grundsätzlicher als bei irgendeinem seiner prophetischen Vorgänger: Wir haben nämlich unter diesen Verheißungen den einen Satz noch nicht berücksichtigt, daß Jahwe seinem Volk ein Herz geben werde, ihn zu erkennen (Jer. 24:5). Erst dieser Satz führt uns an das Besondere der jeremianischen Heilserwartung heran;
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Das Entscheidende, das schlechterdings über alles bisher von Propheten Geweissagte Hinausführende, liegt in der Weissagung eines neuen Bundes, den Jahwe mit Israel schließen wolle. Es handelt sich offenbar um etwas ganz anderes, als wenn Jahwe gesagt hätte, daß Tage kommen werden, da er wieder seines Bundes gedenken werde, den er mit Israel geschlossen habe. Nein, der alte Bund ist gebrochen, und Israel ist in den Augen Jeremias zur Zeit überhaupt ohne Bund. Entscheidend aber ist, daß keinerlei Versuch gemacht wird - wie doch etwa im Deuteronomium -, Israel in irgendeinem Sinne wieder auf die alten Fundamente zu stellen. Der neue Bund ist eben ein neuer und wird in einem wesentlichen Punkt über den alten hinausgehen.
Der Inhalt des Sinaibundes war die Offenbarung der Tora, das heißt der Erwählung und der Beschlagnahme Israels durch Jahwe und seinen Rechtswillen. Diese Tora wird auch im Zentrum des neuen Bundes stehen, den Jahwe 'in jenen Tagen' mit Israel schließen will. Also hinsichtlich des Inhalts der Selbstoffenbarung Jahwes wird sich bei dem neuen Bundesschluß nichts ändern. Jeremia spricht weder davon, daß die Jahweoffenbarung vom Sinai ganz oder teilweise hinfallen werde (und wie könnte auch eine Jahweoffenbarung hinfallen oder zurückgenommen werden!), noch deutet er in irgendeinem Sinn eine inhaltliche Veränderung oder Erweiterung an, die sie im neuen Bund erfahren werde. Dem alten Bund folgt der neue nicht etwa deshalb, weil die geoffenbarten Lebensordnungen sich als unvollkommen erwiesen haben, sondern weil er gebrochen wurde, weil Israel daran versagte. Und hier setzt das Neue ein: Die Übereignung des Gotteswillens an den Menschen wird sich anders vollziehen. ... Verstehen wir Jeremia recht, so wird dies das Neue sein, daß nunmehr der ganze Vorgang des göttlichen Anredens und menschlichen Hörens beim neuen Bund in Wegfall kommen wird. Auf diesem Weg, dem des Hörens des göttlichen Willens, ist Israel nicht zum Gehorsam gekommen. Jahwe wird den Vorgang des Anredens und Hörens gleichsam überspringen und seinen Willen gleich in Israels Herz legen.
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Die Unterscheidung: hier äußerliche Gehorsamsübung, hier innerlicher Herzensgehorsam sollte man möglichst ganz aus dem Spiele lassen, denn sie trifft den Gegensatz, den Jeremia im Auge hat, kaum. ... im neuen Bund kommt das, was in das problematische Kapitel der bisherigen menschlichen Gehorsamsleistung gehört, ganz in Wegfall. Wenn der Gotteswille den Menschen nicht mehr von außen trifft und richtet, wenn Gott ihm seinen Willen direkt ins Herz legt, dann ist ihm die Gehorsamsleistung eigentlich überhaupt abgenommen; denn das Gehorsamsproblem entsteht doch erst bei der Begegnung des menschlichen Willens mit einem fremden Willen. Zu dieser Konfrontation kann es aber nicht mehr kommen, denn der Mensch wird in seinem Herzen den Willen Gottes tragen und wird nur noch Gottes Willen wollen.

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