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Autor: Rad, Gerhard von

Buch: Theologie des alten Testaments II

Titel: Theologie des alten Testaments II

Stichwort: Jeremia, Auflösung der klassischen Prophetie; Sprengung der alten Formen

Kurzinhalt: trotz Abhängigkeit von Hosea völlig neues; Gattungsforschung, Schelt- und Drohreden selten, Klagen; lyrische Dichtung

Textausschnitt: Die Ziontradition, die für Jesajas ganze Weissagung bestimmend war, fehlt bei Jeremia ganz; dagegen klingt bei ihm bis in die Heilsweissagungen hinein immer wieder die Auszugs-, Bundes- und Landnahmeüberlieferung an.
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Der junge Jeremia ist in einer Weise - bis in die Diktion hinein - von Hosea abhängig, die weit über das hinausgeht, was sonst allenfalls in der Thematik unter den Propheten traditionell war, so daß wir mit einer engen Berührung Jeremias mit dem Jüngerkreis Hoseas, wohl auch mit einer unmittelbaren Vertrautheit mit dessen literarischer Hinterlassenschaft zu rechnen haben. Hosea aber stand, wie wir sahen, ausschließlich in der israelitischen Überlieferung.
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Hätten wir nur mit diesen beiden Grundvoraussetzungen der jeremianischen Prophetie zu rechnen, so wäre ... doch im großen und ganzen auch bei Jeremia eine Verkündigung zu erwarten, die grundsätzlich der des Jesaja, Micha oder Amos ähnlich ist. Aber die Dinge liegen bei Jeremia ganz anders. ... Gattungsforschung; und in der Tat, überprüft man seine Verkündigung allein in formaler Hinsicht, so zeigt sich gegenüber den älteren Propheten ein so tiefgreifend veränderter Befund, daß allein von da aus der Rückschluß auf eine Besonderheit in der prophetischen Substanz gerechtfertigt erscheint. Die Gattung der Schelt- und Drohreden, ehedem im Vordergrund stehend, tritt zurück; überhaupt fällt auf, daß Jeremia viel seltener - etwa in der Form des Botenspruches - kurz und sachlich einen göttlichen Bescheid ausrichtet. Ja noch mehr: Die ehedem so deutlich durchgeführte Scheidung von Prophetenrede und eigentlichem Gottesspruch beginnt sich zu verwischen. Jeremia macht einen viel freieren Gebrauch von der in der ersten Person einhergehenden Gottesrede; er läßt Jahwe sich in langen Klagen ergehen, anderwärts erhebt er selbst seine Stimme zu breit ausladenden Klagen. Wo war derlei bei Jesaja oder Amos anzutreffen?
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Mit einem Wort: Alles das, was wir als Ausdrucksformen bei der klassischen Prophetie feststellen konnten, ist bei Jeremia unverkennbar in einer Auflösung begriffen

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