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Autor: Rad, Gerhard von

Buch: Theologie des alten Testaments II

Titel: Theologie des alten Testaments II

Stichwort: Die Heilsgeschichte war zur Ruhe gekommen, neues Geschichtsbild

Kurzinhalt: 3 gemeinsamer Zug in der Prophetie des 8. Jhdts: die weltliche Geschichte wird wieder mit Jahwe in Verbindung gebracht; Jesaja (Fliege, Biene), Jahwe als Herr d. Geschichte; Gerichtsworte, Heil im Schatten des Gerichts

Textausschnitt: Aber Jahwe wird noch einmal an Israel handeln; er ist nicht willens, sich nach diesem Fehlschlag aus der Geschichte zurückzuziehen; im Gegenteil: Ungeheures steht Israel bevor. Und damit stehen wir vor dem, was ohne Frage die Mitte der prophetischen Botschaft ist. ... Eine der größten Leistungen der Prophetie bestand darin, daß sie dem Glauben diejenige Dimension zurückgab, in der sich Jahwe vornehmlich geoffenbart hatte, nämlich die der Geschichte und des politischen Raumes ... Mit seiner vergangenen Geschichte hatte sich Israel wohl immer beschäftigt, aber für die Gegenwart und die Zukunft hatte es Jahwe, seinen Gott, etwa seit David mehr und mehr abgeschrieben; es hatte die Politik und die Gestaltung seiner Zukunft selbst in die Hand genommen. Die Heilsgeschichte war zur Ruhe gekommen ...
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So ist es gewiß einer der interessantesten Gegenstände der prophetischen Theologie, zu sehen, wie die Propheten diesen weltlich-politischen Raum, in dem sich große und kleine Staaten tummelten, mit dem Walten Jahwes in Verbindung gebracht haben.
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Dürre, Hunger, Seuchen) waren - abgesehen von dem Unterschied von Heil und Unheil - in einem anderen Sinne Jahwetaten, nicht wunderhaft, nicht durch ein Ereignis völlig analogieloser Art die Geschehniszusammenhänge zerreißend -, Dürre und Hunger pflegen sich überall einmal zu ereignen. Diese Geschichtstaten Jahwes - so meint man folgern zu müssen - sind also dem Glauben schwerer erkennbar, weil sie tiefer an der Mehrdeutigkeit aller geschichtlichen Phänomene teilhaben. Dies gerade würden aber die Propheten bestritten haben.
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Die bildhafte Einkleidung - Jahwe, der ein Weltreich wie ein Tier herbeipfeift, Jahwe als Barbier, der sich ein Messer, ein Weltreich leiht - spricht von der völligen Geschichtsmächtigkeit Gottes. Sie ist so souverän, daß neben ihr überhaupt keine andere Aktivität in der Geschichte Raum zu haben scheint.
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Das dürfen wir also als das Charakteristikum prophetischer Geschichtsschau bezeichnen: nicht nur dieses Vermögen, aufs eindeutigste die Pläne und Absichten Jahwes in der Geschichte zu erkennen, sondern auch die in ihr waltenden Kräfte in ganz anderen Proportionen zu sehen. Die großen vordergründigen Phänomene auf der politischen Bühne verstellen den Propheten nicht den Blick auf Gott; im Gegenteil, sie schrumpfen angesichts der alles ausfüllenden Macht Jahwes fast zu einem Nichts zusammen. Das Ich Jahwes ist es, das den Raum der Geschichte bis zum Letzten ausfüllt.
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Aber es ist bisher fast schon zu viel von der Geschichte in einem allgemeinen Sinn die Rede gewesen, so daß das Mißverständnis entstehen könnte, als hätten die Propheten unsere Vorstellung von 'der' Geschichte geteilt. Aber dem steht schon die Tatsache entgegen, daß sich die Geschichte, die die Propheten meinen, überall, wo von ihr die Rede ist, in irgendeinem Sinne für Israel begibt. Auch der vielgerühmte Geschichtsuniversalismus Jesajas weiß es nicht anders, als daß Jahwe die Geschichte auf Israel zu bewegt. Aber eine nähere Betrachtung der Heilsweissagungen der Propheten zeigt, daß dieses zukünftige Geschichtshandeln Jahwes an Israel noch eine besondere Eigenart hat. () - überall sieht man, wie traditionsgebunden auch die Zukunftsweissagungen der Propheten sind; und zwar sind sie es in dem Sinne, daß nach der prophetischen Verkündigung die zukünftigen, sagen wir ruhig: die eschatologischen Heilstaten antitypisch den ersten entsprechen werden.
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Also auch in ihren Zukunftssprüchen fungieren die Propheten weithin als Interpreten alter Jahwetraditionen. Und doch bringen sie damit etwas fundamental Neues, nämlich dies, daß allein die zukünftigen Taten für das Heil Israels entscheidend sein werden.

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