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Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Wesen und Ausstattung des Menschen

Titel: F1_075 - Der Mensch, wie er aus einer geistigen und einer körperlichen Substanz zusammengesetzt ist

Stichwort: Ist die Seele ein Körper? Seele als erster Grund d. Lebens (+ Kommentar von Summa, Cambridge ); Leben: 2 Tätigkeiten (Bewegung, Erkenntnis) -> Fehlinterpretation: nur Körper "sind" -> Seele sei ein Körper

Kurzinhalt: Obgleich nun ein Körper ein Lebensgrund sein kann, wie das Herz Lebensgrund im Sinnenwesen ist, so kann doch kein Körper erster Lebensgrund sein. Denn es liegt auf der Hand: Lebensgrund oder lebend zu sein, kommt einem Körper nicht zu, weil er Körper ...

Textausschnitt: Respondeo

ANTWORT: Um die Natur der Seele erforschen zu können, muß man davon ausgehen, daß die Seele der erste Lebensgrund in jenen Wesen genannt wird, die bei uns leben. Denn "beseelt" nennen wir das, was lebt, unbeseelte Dinge dagegen jene, die des Lebens entbehren. Das Leben offenbart sich aber am meisten in einer zweifachen Tätigkeit, in Erkenntnis und Bewegung. Als deren Grund haben die alten Philosophen, die sich über die sinnliche Vorstellung nicht erheben konnten, einen Körper angesehen; sie sagten, nur die Körper seien Dinge, und was nicht Körper sei, sei nichts1. Und dementsprechend behaupteten sie, die Seele sei ein Körper. (Fs)

Die Irrigkeit dieser Meinung läßt sich zwar auf vielfache Weise zeigen; wir wollen aber nur ein Verfahren anwenden, bei dem es sowohl allgemeiner als auch sicherer klar wird, daß die Seele kein Körper ist. Offenbar ist nämlich nicht jedweder Grund einer Lebenstätigkeit eine Seele. Denn so wäre das Auge eine Seele, da es ein Grund des Sehens ist. Dasselbe wäre von den anderen Werkzeugen der Seele zu sagen. Vielmehr nennen wir nur den ersten Lebensgrund Seele2. Obgleich nun ein Körper ein Lebensgrund sein kann, wie das Herz Lebensgrund im Sinnenwesen ist, so kann doch kein Körper erster Lebensgrund sein. Denn es liegt auf der Hand: Lebensgrund oder lebend zu sein, kommt einem Körper nicht zu, weil er Körper ist — sonst wäre jeder Körper lebend oder Lebensgrund. Es kommt somit einem Körper nur deshalb zu, lebend oder auch Lebensgrund zu sein, weil er "ein solcher" Körper ist. Was aber in Wirklichkeit "ein solches" ist, das hat dies von einem Grund, der seine Wirklichkeit genannt wird. Somit ist die Seele, die der erste Lebensgrund ist, nicht Körper, sondern Wirklichkeit des Körpers3, wie die Wärme, die Grund der Erwärmung ist, nicht Körper, sondern eine Wirklichkeit des Körpers ist. (Fs)

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Fußnote 2 (Cambride, Band 11)

Cambridge a: This preliminary sketch of the notion of 'soul' presupposes what has been already said of life in 1a. 18, 1 (Vol. 4 of this series). That which is alive moves by itself and is moved by itself. That which is not alive moves from itself (everything has some activity proper to it, dynamic, chemical, electro-magnetic), but is moved only by something else outside it. A lifeless substance has the principle of its activity in itself but not the term; it can act only to alter other things, not to conserve itself in being; for it to act is to lose something, as sulphuric acid and iron lose their identity through chemical interaction. A living substance, on the other hand, is the term as well as the principle of its own activity. The term of the process of nutrition is not some third thing which is neither the consumer nor the consumed (as is the case with chemical interaction or physical collision), but is, rather, the living substance of the consumer.

Fußnote 3 (Cambride, Band 11)

Cambridge b: Suppose someone who maintains that the heart, the physical organ, is the principle of life in man. At once it can be seen that this leaves the question exactly where it was. The question we began by asking of the whole human body—what makes it alive?—has now to be asked of the heart. This is the gist of the reasoning.

To bring the discussion up to date, note that the responsiveness peculiar to living things bears the technical name irritability. All physical reactions involve molecular modification and electrical changes. Vital response shares these features with non-vital physical interaction. But it adds this specific feature, irritability, instanced in heart-beat, endocrine glandular secretions, saliva, an amoeba's change of shape, muscular contraction, nervous transmission, pain, and so forth. And if we argue that one of these causes others, as we might argue that the heart's beat causes others because it circulates blood, we would have still to account for that 'first mover', that base for other manifestations of irritability.

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