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Autor: Voegelin, Eric

Buch: Ordnung, Bewußtsein, Geschichte

Titel: Ordnung, Bewußtsein, Geschichte

Stichwort: Äquivalenz, Tiefe, Seele, verdunkelte Symbole, renovatio, 'Tod', 'Auferstehung', philomythos, philosophos

Kurzinhalt: Wahrheitskriterium, Äquivalenz: Symbole, Erfahrung; Schicht "unter" der Erfahrung, Vorsokratiker -> Tiefe d. Seele,

Textausschnitt: An erster Stelle muß der Fehler vermieden werden, Erfahrung als ein Absolutum zu hypostasieren. Wenn wir Symbole trotz ihrer Unterschiede als äquivalent auffassen, weil sie, wie wir sagten, erkennbar durch denselben Typus von Erfahrung hervorgebracht wurden, dann droht die Erfahrung der Fixpunkt bei unserer Suche nach Konstanten in der Geschichte zu werden. Diese Lösung des Problems wäre verführerisch, leider aber ist sie unhaltbar. Denn diese konstante Erfahrung müßte artikuliert werden, um als solche identifiziert werden zu können, und sobald sie artikuliert ist, wäre das Ergebnis ein Symbol, das beansprucht, nicht dem Schicksal ausgeliefert zu sein, nichts als eine weitere, historisch äquivalente Wahrheit darzustellen. ... Die Konstante, die es rechtfertigt, von äquivalenten Erfahrungen zu sprechen, muß eine Schicht tiefer gesucht werden als in der Schicht von äquivalenten Erfahrungen, die äquivalente Symbole hervorbringen.
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Diese tiefere Schicht ist in der Tat von Denkern wahrgenommen worden, welche sorgfältig diejenigen Prozesse beobachteten, durch die sie zu differenzierteren Erfahrungen gelangten, welche dann wiederum differenziertere Symbole hervorbrachten, als sie zu ihrer Zeit verbreitet waren. In noch kompakter Form ist diese Tiefe gegenwärtig in den Aussagen der Vorsokratiker über die Identität von Sein und Denken und die Identität des logos der Rede mit dem logos des Seins. Auf einer höheren Differenzierungsstufe hat die Beobachtung des Prozesses Heraklit, Aischylos und Platon dazu veranlaßt, das Symbol einer 'Tiefe' der Seele zu entwickeln, aus der eine neue Wahrheit der Realität zu bewußter Erfahrung heraufgeholt werden kann. Und ihr Symbol der 'Tiefe' ist über eine lange Kette von Äquivalenten als Einsicht bewahrt worden bis hin zu den zeitgenössischen Tiefenpsychologien und den Psychologien des Unbewußten. Diese Tiefe der Seele wird jedoch von den hellenischen Denkern als eine Tiefe erfahren, die jenseits aller artikulierbaren Erfahrung liegt.
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Ein Abstieg in die Tiefe wird notwendig, wenn das Licht der Wahrheit trübe geworden ist, und die Symbole allmählich ihre Glaubwürdigkeit verlieren; wenn die Nacht auf die Symbole herabsinkt, deren Zeit abgelaufen ist, muß man zu der Nacht der Tiefe zurückkehren, die von Wahrheit hell erleuchtet ist für den Menschen, der bereit ist, nach ihr zu suchen.
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Die Rückkehr aus der Tiefe mit einer neu erfahrenen Wahrheit wird dann symbolisiert als renovatio in dem doppelten Sinn von Erneuerung der Wahrheit und Erneuerung des Menschen. Der neue Mensch kann die Erneuerung der Realität und der Wahrheit mit solcher Intensität erfahren, daß nur die Symbole 'Tod' und 'Auferstehung' sie adäquat ausdrücken können.

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