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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Natur als Grundlage der Moral

Titel: Natur als Grundlage der Moral

Stichwort: Das Handlungsobjekt: forma a ratione concepta; materia ex qua; materia circa quam; Metapher: Farbe - Licht

Kurzinhalt: Man darf den Begriff "moralisches Objekt" nicht verdinglichen oder gar der Gefahr erliegen, ihn auf das "genus naturae" zu reduzieren.1 Die "teleologische Ethik" verdankt, ...

Textausschnitt: 94a Die Aussage, die Ziele der natürlichen Neigungen seien transzendent hinsichtlich ihrer Integration in das Suppositum, ist nur ein anderer Ausdruck für die Tatsache, daß sich der objektive Wert oder Sinngehalt (also das "obiectum actus in genere moris") durch eine "proportio ad rationem" konstituiert. Man darf den Begriff "moralisches Objekt" nicht verdinglichen oder gar der Gefahr erliegen, ihn auf das "genus naturae" zu reduzieren.1 Die "teleologische Ethik" verdankt, wie später gezeigt werden soll, einen Großteil ihrer Plausibilität nicht zuletzt der Tatsache, daß sie sich gegen ein solches naturalistisches ("physizistisches") Mißverständnis der "moralitas ex obiecto" gewandt hat, dabei jedoch selbst dessen Grundproblematik, die Verkennung der praktischen Vernunft, nicht zu erfassen vermochte und deshalb in ihrem Ausgangspunkt selber einem bedauerlichen Naturalismus verfallen bleibt. (Fs) (notabene)

94b Der hl. Thomas betont, wie bereits angeführt: "Species moralium actuum constituuntur ex formis, prout sunt a ratione conceptae".2 Diese "forma a ratione concepta" ist nichts anderes als das Objekt einer Handlung in seinem "genus moris". Deshalb unterstreicht Thomas, daß dieses Objekt nicht eine "materia ex qua" sei; eine solche liegt ja einem natürlichen Prozeß der "generatio" als Ko-Prinzip zur "forma substantialis" zugrunde; sie ist unabhängig von der "forma" noch unbestimmt und als "materia prima" sogar in reiner Potentialität. Handlungsobjekte nennt man hingegen eine "materia circa quam": diese ist nicht ein noch unbestimmtes Ko-Prinzip des Gesamtobjektes, sondern vielmehr dieses Objekt selbst, aber unter dem Aspekt seiner materialen Bestimmtheit betrachtet. Sie ist bereits durch die praktische Vernunft konfiguriert und deshalb - ganz im Gegensatz zur "materia ex qua" - "habet quodammodo rationem formae inquantum dat speciem".3 Im Sentenzenkommentar nennt Thomas die "materia circa quam" sogar "finis actus", der nichts anderes als das "obiectum" sei.4 (Fs)

95a Die Gleichsetzung von moralischem Objekt (Objekt der praktischen Vernunft, "actus exterior ordinatus a ratione", und als solches dem Willen als proportioniertes Objekt zum Ziel seines Strebens vorgesetzt) mit der "materia circa quam" mag manchmal verwirren. Die Verwirrung löst sich indes, wenn beachtet wird, daß für Thomas in jedem Objekt - wie in jedem "bonum" generell - ein materialer und ein formaler Aspekt zu beachten ist5, die sich nicht einfach wie zwei "Dinge" summieren, und sich auch nicht im Sinne hyle-morphistischer Ko-Prinzipien zueinander verhalten, sondern vielmehr, mit einer geglückten Metapher, so wie die Farbe zum Licht.6 Die "materia circa quam" von der "ratio" vergegenständlicht, ist nicht eine "materia informis", sondern bereits eine geordnete, vernunftgeprägte Materie. Oder wie Thomas sagt: eine "materia debita" oder "materia commensurata a ratione" aufgrund des "finis rationis"; ohne das formelle Licht des "ordo rationis", - der ein "ordo ad finem" ist, - kann auch die "materia circa quam" gar nicht gedacht werden.7 (Fs; Fußnote) (notabene)

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