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Autor: Voegelin, Eric

Buch: Der Gottesmord

Titel: Der Gottesmord

Stichwort: Gnosis, Parusismus; parusitisches Zeitalter - im Unterschied zur chiliastischen Phase (Mittelalter, Renaissance)

Kurzinhalt: ... und spreche von Parusismus als der Geisteshaltung, in der die Erlösung vom Übel der Zeit durch die Ankunft, den Advent des immanent verstandenen Seins in seiner Fülle zu erwarten ist.

Textausschnitt: 6 (eü: Parusismus)

89a Die Analyse ist abgeschlossen. Es bleibt noch die Aufgabe, das Ergebnis durch Begriff und Namen festzulegen.

Zu diesem Zweck übernehme ich von Heideggers Auslegung des Seins den Ausdruck 'Parousie' und spreche von Parusismus als der Geisteshaltung, in der die Erlösung vom Übel der Zeit durch die Ankunft, den Advent des immanent verstandenen Seins in seiner Fülle zu erwarten ist. Wir können dann von den Männern, die ihren Parusismus in spekulativen Systemem ausdrücken, als parusitischen Denkern sprechen; von ihren Gedankengebäuden als parusitischen Spekulationen; von den Bewegungen, die sich an einige dieser Denker anschließen, als parusitischen Massenbewegungen; und von dem Zeitalter, in dem diese Bewegungen sozial und politisch vorherrschen, als dem parusitischen Zeitalter. Wir gewinnen damit die Ausdrücke zur Bezeichnung einer Phase der westlichen Gnosis, für die uns bisher der Begriff gefehlt hat. Durch ihre begriffliche Erfassung als parusitische wird es ferner möglich, sie genauer als bisher von der ihr vorangehenden chiliastischen Phase des Mittelalters und der Renaissance zu unterscheiden, in der die gnostischen Bewegungen sich in den Denkformen der jüdisch-christlichen Apokalypse ausdrückten.1 Die große Geschichte der nachantiken, westlichen Gnosis wird damit in ihrem Zusammenhang sichtbar als die Geschichte der westlichen Sektiererbewegung. (89f; Fs)

90a Im Mittelalter konnte die Bewegung noch unter der Revolutionsschwelle gehalten werden; heute ist sie, zwar nicht Seinsmacht, aber Weltmacht geworden. Diese Welt und den Zauber ihrer Macht wieder aufzulösen - jeder von uns in sich selbst -, das ist die große Aufgabe, an der wir alle zu arbeiten haben. Bei der Austreibung der Dämonen kann die Politische Wissenschaft helfen - in dem bescheidenen Maß von Wirksamkeit, das unsere Gesellschaft der episteme und ihrer Therapie zugesteht. (90; Fs)

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