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Autor: Nissing, Hanns-Gregor (Hrsg.)

Buch: Nissing, Hanns-Gregor (Hrsg.)

Titel: Grundvollzüge der PersonDimensionen des Menschseins bei Robert Spaemann

Stichwort: Anthropomorphismus 9; Gefühle: intentionaler Charakter; Sokrates, Krätze; Spaß - Freude; Liebe: Öffnung für Wirklichkeit;

Kurzinhalt: In der Liebe realisieren wir, daß der andere ebenso wirklich ist wie wir selbst, und wir lernen uns selbst als Teil der Welt des anderen sehen ...

Textausschnitt: VI. Der intentionale Charakter der Gefühle

28a Die Fixierung auf den eigenen angenehmen Zustand, auf das eigene Gefühl verkennt nicht nur den funktionalen Sinn dieser Zustände, sie verkennt vor allem den intentionalen Charakter der Gefühle, also die Wirklichkeit, die sich im Gefühl offenbart. Das Wohlbehagen, die Lust dessen, dem es nur um das angenehme Gefühl geht und nicht um irgendetwas, an dem man seine Freude hat, illustriert Sokrates einmal mit dem Vergnügen dessen, der die Krätze hat und sich infolgedessen immer kratzen kann. Direkt intendieren können wir überhaupt nur körperliche Lustzustände, die insofern die niedrigsten sind als sie mit Traurigkeit, Niedergeschlagenheit und Depression durchaus zusammengehen. Auch mit dem was man „Spaß" nennt, kann man sich von Gefühlen innerer Leere ablenken. Es ist kein gutes Zeichen, daß das Wort „Spaß" derart im Vordringen ist, daß sogar Gottesdienste damit empfohlen werden, daß sie Spaß machen. Freude ist etwas anderes als Spaß. Freude hat nicht nur eine Ursache, sie hat einen Inhalt und variiert mit ihren Inhalten. Die Freude über einen Frühlingsmorgen ist nicht dieselbe wie die Freude an einer Bach-Partita und diese nicht dieselbe wie die Freude an einer anderen Bach-Partita, und die Freude an Martin Mosebachs Buch Die Türkin ist eine andere als die am Nebelfürsten. Das alles sind nicht Ursachen einer immer gleich bleibende Freude, sondern die Freude selbst ist eine andere. Freude ist immer Öffnung für Wirklichkeit. (Fs)

28b Diejenige Öffnung für Wirklichkeit, die der Wirklichkeit vollständig adäquat ist, nennen wir Liebe. Valentin Tomberg hat Liebe definiert als das Wirklichwerden des anderen für mich. In jener Liebe, die in der Sprache der Tradition amor benevolentiae hieß, hört der andere auf, Umwelt für mich zu sein, also ein vielleicht wichtiger Gegenstand, an dem ich hänge und der für mich große Bedeutung hat. In der Liebe realisieren wir, daß der andere ebenso wirklich ist wie wir selbst, und wir lernen uns selbst als Teil der Welt des anderen sehen, so wie er Teil unserer Welt ist. (Fs)

29a Auf einem Lastwagen sah ich einmal einen Aufkleber mit der Aufschrift „Denk an Deine Frau, fahr vorsichtig!" Das ist ein Ausdruck von Personalität. Die Sorge, vielleicht meine Frau zu verlieren, teile ich mit anderen Lebewesen. Aber die Aufforderung, mich selbst als Teil einer Welt des anderen zu betrachten und deshalb vorsichtig mit mir umzugehen - das ist eine typisch personale Sichtweise. (Fs)

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