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Autor: Spaemann, Robert

Buch: Das unsterbliche Gerücht

Titel: Das unsterbliche Gerücht

Stichwort: Gottesgerücht 06; Religion - Kontingenzbewältigung 2; Naturgesetze: keine Erklärung. d Natur (Wittgenstein); kein physik., nur logische Notwendigkeit; Glück, danken zu können; ein Adressat als Voraussetzung für Dank

Kurzinhalt: »Der ganzen modernen Weltanschauung liegt die Täuschung zugrunde, daß die sogenannten Naturgesetze die Erklärungen der Naturerscheinungen seien.« (Wittgenstein) ... Die höchste Form des Bedürfnisses der Kontingenzbewältigung ist das Bedürfnis ...

Textausschnitt: 25a
16. Kontingenzbewältigung kann allerdings noch etwas anderes bedeuten. Manchmal sind die Dinge besser, als wir annehmen konnten. Manchmal geschieht etwas Herrliches. Und es gibt Augenblicke, wo wir das eigene Dasein als reines Geschenk erleben, als Wunder. Glaube an Gott ist Wunderglaube. »Der ganzen modernen Weltanschauung liegt die Täuschung zugrunde, daß die sogenannten Naturgesetze die Erklärungen der Naturerscheinungen seien.« (Wittgenstein) Einen Zwang, nach dem eines geschehen müßte, weil etwas anderes geschehen ist, gibt es nicht. Es gibt nur eine logische Notwendigkeit. Moderne Theologen wollen oft Gott auf die Ebene der sogenannten Erstursache, das heißt einer Art transzendentaler Bedingung für das Geschehen in der Welt verbannen, die sich aus dem Geschehen selbst herauszuhalten hat. Aber sie können dafür keinen Grund angeben außer dem Vorurteil, das Wittgenstein nennt. Wer prinzipiell an Wunder glaubt, ist in Gefahr, den gesunden Menschenverstand zu verlieren und leichtgläubig zu sein, weil er die Kriterien des Wahrscheinlichen verloren hat. Aber diese Gefahr ist gering. In der Regel sind Menschen, die an Gott glauben, skeptisch gegenüber Wunderberichten; geneigt, ihnen keinen Glauben zu schenken, gleichzeitig aber jederzeit auf das Wunder zu warten, das sie überzeugt. Die höchste Form des Bedürfnisses der Kontingenzbewältigung ist das Bedürfnis, dankbar zu sein. Hier kann der Atheismus keinen Ersatz bieten, denn Kontingenzbeseitigung wäre hier gleichbedeutend mit der Beseitigung des Glücks, danken zu können. Es ist eine schöne und wahre Armut der deutschen Sprache, daß sie für felicitas und fortuna nur das eine Wort >Glück< besitzt. Dank gibt es nur gegenüber einem Adressaten. Sonst wird er zur Façon de parler. Wo die Klage keinen Adressaten hat, hat auch der Dank keinen. Er kann nur wirklich sein, wenn der Adressat wirklich ist. »We really never advance a step beyond ourselves« - wenn dieser programmatische Satz Humes wahr ist, dann können wir uns weiterhin vielfältig amüsieren. Auf Freude im emphatischen Sinn des Wortes müssen wir verzichten. (Fs)

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