Datenbank/Lektüre


Autor: Spaemann, Robert

Buch: Das unsterbliche Gerücht

Titel: Das unsterbliche Gerücht

Stichwort: Gottesgerücht 04; Einheit von Gottes Allmacht und Güte -> Theodizee; List der Vernunft (Kant, Hegel) - Vorzug der Spägeborenen?; Buch Hiob; kein Gegensatz: Macht - Liebe

Kurzinhalt: Die einzige Antwort auf die Theodizeefrage, die diese Frage zum Verstummen bringt, gibt das Buch Hiob... Die Botschaft des Neuen Testaments, daß Gott die Liebe ist, verliert ihre Pointe, wenn ...

Textausschnitt: 21a
14. Die Einheit von Allmacht und Güte, die wir denken, wenn wir Gott denken, macht die Theodizeefrage unvermeidlich, also die Frage nach der Vereinbarkeit der Übel der Welt mit der Güte und Gerechtigkeit Gottes. Zahlreich sind die Antworten. Von der Gnosis war schon die Rede. Von »Tzim-Tzum« sprachen die Kabbalisten, von dem Sich-Zurücknehmen Gottes, einer Selbstbeschränkung seiner Allmacht, um Platz für etwas außerhalb seiner einzuräumen, dem unvermeidlichen Preis der kreatürlichen Freiheit. Leibniz meinte, daß Gott es besser nicht kann - die weniger euphemistische Formel für die beste aller möglichen Welten. Etwas Ähnliches sagt Klaus Berger, indem er den biblischen Gott in einen Demiurgen zurückverwandelt, der nicht ins Dasein ruft, sondern nur gestaltet und deshalb die Welt nicht besser machen kann, als es das vorgegebene Material erlaubt. Schließlich gibt es die Antwort Kants und Hegels: den Hinweis auf die List der Vernunft im Gang der Weltgeschichte, die am Ende alles zum Guten führt. Aber wieso zählen die später Lebenden mehr als die Früheren, die den Preis zahlten? Zeigen uns Lenin und Stalin, wie Gott ist? (Fs; tblStw: Theodizee)

21b Wenn Gott ist, gibt es keine solche Rechnung. Die einzige Antwort auf die Theodizeefrage, die diese Frage zum Verstummen bringt, gibt das Buch Hiob: »Wo warst du, als ich die Erde gründete? Sag mir’s, wenn du so klug bist... Wer mit dem Allmächtigen rechnet, kann der ihm etwas vorschreiben? ... Gürte wie ein Mann deine Lenden. Ich will dich fragen, lehre mich. Willst du mein Urteil zunichte machen und mich schuldig sprechen, damit du recht behältst? Hast du einen Arm wie Gott und kannst du mit gleicher Stimme donnern wie er?« Und darauf Hiobs Antwort: »Ich habe unweise geredet, was mir zu hoch ist und was ich nicht verstehe. .. Ich hatte dich nur vom Hörensagen vernommen. Aber nun hat mein Auge dich gesehen. Darum spreche ich mich schuldig und tue Buße in Staub und Asche.« Damit hat Gott die Wette gegen den Ankläger der Menschen gewonnen, und Hiob wird in den prächtigen Status quo ante wieder eingesetzt. Die Botschaft des Neuen Testaments, daß Gott die Liebe ist, verliert ihre Pointe, wenn sie so oft wiederholt wird, bis man vergessen hat, von wem dies gesagt wird. Das erste Prädikat Gottes ist die Macht. »Gott ist, wie sich alles verhält«, heißt es bei Wittgenstein. »Für den Gott sind alle Dinge gut, schön und gerecht« bei Heraklit, und »Ich bin der, der tötet und lebendig macht«, sagt JHWH beim Propheten. Die Hoffnung auf Rettung vor dem endgültigen Tod kann sich nur unter dieser Bedingung auf ihn richten. Wer nicht Ursprung des Alpha im Kentauren ist, kann nicht versprechen, Omega zu sein. Gott als ohnmächtig denken, um ihn ohne Schwierigkeit als gut denken zu können, heißt das Gute verloren geben. Es gibt Gott nicht - oder es gilt: »Tout ce qui arrive est adorable.« (Léon Bloy) (Fs) (Fs) (notabene)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt