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Autor: Spaemann, Robert

Buch: Das unsterbliche Gerücht

Titel: Das unsterbliche Gerücht

Stichwort: Gottesgerücht 02; Gott: Einheit der Prädikate »mächtig« und »gut«; Ort d. Ursprungs als Ort d. Wahrheit vom Standpunkt Gottes aus; Antinomie: Unbedingtheit des Guten - U. dessen, was ist, wie es ist; Einheit d. unbedingten Macht u. d. schlechthin Guten

Kurzinhalt: ... daß das Sein der Dinge und das Leben der Sterblichen weder notwendig noch die Folge eines universellen Trägheitsprinzips ist, sondern in jedem Augenblick Hervorgang aus dem Ursprung. Der Ort des Ursprungs aber ist zugleich der Ort der Wahrheit ...

Textausschnitt: 17a
10. Ehe man nach dem Interesse an der Wahrheit oder Nichtwahrheit des Gottesgerüchts fragt, ist es gut, genauer zu fragen, was dieses Gerücht genauer besagt. Was meint der, der denkt, daß Gott ist? Es handelt sich um eine synthetische, nicht um eine analytische Wahrheit. Es handelt sich um die wesentliche und notwendige Einheit zweier Prädikate, die empirisch oft getrennt und nur manchmal und in kontingenter Weise zusammen auftreten, die Einheit der Prädikate »mächtig« und »gut«. Wer glaubt, daß Gott ist, glaubt, daß das, was der Fall ist, die Welt unserer Erfahrung einschließlich seiner selbst, eine »Tiefe«, eine Dimension hat, die sich der Erfahrung, auch der introspektiven, entzieht. Diese Dimension ist der Ort, wo das, was ist, aus seinem Ursprung hervorgeht. Und zwar nicht im Sinne eines zeitlichen Folgens auf Antezedensbedingungen, sondern als gemeinsames Hervorgehen mit den Entstehungsbedingungen und zugleich als Emanzipation von diesen, also als Selbstsein. An einen Schöpfer glauben heißt glauben, daß das Sein der Dinge und das Leben der Sterblichen weder notwendig noch die Folge eines universellen Trägheitsprinzips ist, sondern in jedem Augenblick Hervorgang aus dem Ursprung. Der Ort des Ursprungs aber ist zugleich der Ort der Wahrheit, der Dinge an sich, der Welt vom Gottesstandpunkt aus, wobei unentschieden sein kann, ob dieser Standpunkt uns im Prinzip zugänglich ist oder nicht. (Fs; tblStw: Schöpfung) (notabene)

18a
11. Nicht unentschieden bleiben kann, wie wir selbst an dem, was der Fall ist, mitwirken, was uns zu tun und zu lassen erlaubt ist und was nicht. Die Unbedingtheit, mit der sich dies im Gewissen geltend macht, ist das andere Prädikat, das der meint, der glaubt, daß Gott ist. Darum der Name »Stimme Gottes« für das Gewissen. Diese Unbedingtheit des Guten, die nicht mit sich handeln läßt, steht in einem eigentümlich antinomischen Verhältnis zu jener anderen, zur Unbedingtheit dessen, was ist, wie es ist, das keine Appellation aufgrund irgendeines Sollens zuläßt und mit dem sich abzufinden oder gar anzufreunden immer der Rat des Philosophen war. Der Protest gegen das Universum, gegen den Lauf der Dinge, ist absurd. Und doch ist Unbedingtheit auch dort, wo jemand es in Kauf nimmt, daß der Lauf der Dinge sich gegen ihn kehrt, um an der Stimme des Gewissens keinen Verrat zu begehen. Diese Unbedingtheit ist durch keine Faktizität widerlegbar, so wenig wie diese durch jene. An Gott glauben heißt, die Antinomie der beiden Unbedingtheiten nicht als das letzte Wort gelten lassen. Gott ist, das heißt: Die unbedingte Macht und das schlechthin Gute sind in ihrem Grund und Ursprung eins - ein Exzeß der Harmonisierung vom Standpunkt der alltäglichen Empirie, ein Exzeß der Hoffnung. Die Weigerung, die Alternative zu wählen und das Absurde als letztes Wort hinzunehmen, ist wohl nur zusammen mit Pascals Wort zu haben: »Vere tu es Deus absconditus.« (Fs)

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