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Autor: Amerio, Romano

Buch: Iota Unum

Titel: Iota Unum

Stichwort: Eucharistie; das venerandum und das tremendum d. Eu.; Berengar (Leugnung d. Transsubstantiation)

Kurzinhalt: Das Schwinden der eucharistischen Frömmigkeit gibt Paul VI. in der Enzyklika Mysterium fidei und der Instruktion Memoriale Domini vom 20. Mai 1969 zu. Es wird ausdrücklich auf den Glaubensverfall zurückgeführt, denn ...

Textausschnitt: 271. Das venerandum und das tremendum1 der Eucharistie in der Geschichte der Kirche

583b Läßt man den oft mißbräuchlichen Umgang mit den eucharistischen Gestalten, um ein Urteil oder Wunder zu erwirken2, beiseite, ist soviel sicher, daß das - eher angebetete als zur Speise verwandte - Sakrament in den Gläubigen tiefe Gefühle des ehrfürchtigen Schauerns, des Glaubens und der Liebe weckte. So sang der Diakon mahnend: »Accedite cum fide, tremore et dilectione« (»Tretet gläubig heran, zitternd und mit Liebe«). Diese Gefühle gehörten bis zum II. Vatikanum zur üblichen Praxis, wonach man bei Empfang des Sakramentes darauf bedacht war, die Akte des Glaubens, der Anbetung, der Demut, der Reue, des Dankes, der Hoffnung und der Nächstenliebe zu erneuern, wie aus jedem Andachtsbuch ersichtlich. (Fs)

583c Und das tremendum des Sakraments, heute fast gar nicht mehr empfunden, geht man doch zum eucharistischen Tisch so nonchalant, wie man Weihwasser aus dem Becken nimmt, zeigt sich in der Geschichte an der Empörung des christlichen Volkes, als die Häresie Berengars im 11. Jahrhundert an Boden gewann. Damals war bemerkbar, wie stark sich der Glaube an die Realpräsenz im Innern der Menschen auswirkte und wie die Erschütterung dieses Glaubens die Massen auch vom moralischen Gewissen abbrachte. Als Berengar nämlich die Transsubstantiation leugnete und somit das tremendum des Sakraments beseitigte, zeitigte dies ungeheure Folgen für das Volk. Darüber berichtet recht beeindruckend sein Zeitgenosse Guitmondo von Aversa: »Ruchlose Menschen pflegten zu Berengar zu laufen, froh darüber, von großer Furcht befreit zu sein. Sie hatten ja mitbekommen, die Eucharistie sei keine so göttliche Angelegenheit, daß sie sich zu ihrem Empfang der Verbrechen und Schandtaten enthalten müßten«3. Die Eucharistie gebot, da wirklich und wahrhaftig der Leib Christi, der Sünde Einhalt, denn die Sünde war ein Hindernis für den Empfang des Sakraments. Der mit der Transsubstantiation zusammenhängende Aspekt des tremendum tat der in Liebe vollzogenen Anbetung keinen Abbruch, überwog aber ihr gegenüber. (Fs)

584a In anderen Zeitabschnitten herrschte diese allerdings vor, denn in der rechtgläubigen Frömmigkeit findet sich ja die ganze Spannweite der Empfindungen, und führte zur Gründung von - hauptsächlich weiblichen - Klostergemeinschaften mit dem primären Zweck der ewigen eucharistischen Anbetung. Doch auch die Andacht des Volkes kannte diese Ergriffenheit, was zum Beispiel ein Devotionsbüchlein aus dem 15. Jahrhundert bezeugt. Es wurde von Mgr. Carlo Marcora in Memorie storiche della diocesi di Milano 1960 veröffentlicht (S. 185ff.). Beim Emporheben der Hostie erscheint es der unbefangenen, inbrünstigen Seele, als erblicke sie nicht die konsekrierte Hostie, sondern den Leib Christi selbst. Da fehlen der Seele die zureichenden Worte, um die unsagbare Wohltat zu würdigen, »daß der Herr sich von dir hat ansehen lassen«. Da gestaltet sich, tiefbewegt, ihre überströmende Ehrfurcht zu anbetender Demut. (Fs)

584b Das Schwinden der eucharistischen Frömmigkeit gibt Paul VI. in der Enzyklika Mysterium fidei und der Instruktion Memoriale Domini vom 20. Mai 1969 zu. Es wird ausdrücklich auf den Glaubensverfall zurückgeführt, denn »wo die Wahrheit und die Wirksamkeit des eucharistischen Geheimnisses und die Gegenwart Christi in ihm tiefere Wurzeln geschlagen haben, wurde auch größere Hochachtung vor dem Sakrament empfunden«. (Fs)

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