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Autor: Voegelin, Eric

Buch: Die neue Wissenschaft der Politik

Titel: Die neue Wissenschaft der Politik

Stichwort: Die gnostische Revolution 3; Engel der Offenbarung und die puritanische Armee; Offenbarung (1000 Jahre); A Glimpse of Sion's Glory; Organisation der neuen Welt (Queries), Kongregationalismus, Puritanismus; Wesen gnostischer Kriege

Kurzinhalt: Die wirkliche Gefahr der heutigen Kriege liegt nicht in der technisch bedingten globalen Ausdehnung des Kriegsschauplatzes. Ihr eigentliches Verhängnis beruht vielmehr darauf, daß sie dem Wesen nach gnostische Kriege sind, d. h. Kriege zwischen Welten ...

Textausschnitt: 4. Der Engel der Offenbarung und die puritanische Armee

201a So weit Hooker - doch muß nun die Gegenseite zu Wort kommen. Als erstes wird das eigentümliche Erlebnis der gnostischen Revolutionäre zu betrachten sein. Der üblichen Behandlung des Puritanismus als einer christlichen Bewegung muß entgegengehalten werden, daß im Neuen Testament keine Stelle zu finden ist, aus der sich eine Aufforderung zu revolutionärer politischer Aktion entnehmen ließe. Nicht einmal die Offenbarung des Johannes, die von eschatologischer Erwartung des Reiches glüht, das die Heiligen aus der Unterdrückung dieser Welt befreien soll, betraut eine puritanische Armee mit der Errichtung dieses Reiches. Der gnostische Revolutionär hingegen interpretiert das Kommen des Reiches als ein Ereignis, das seiner militärischen Mitwirkung bedarf. In Kapitel 20 der Offenbarung steigt ein Engel vom Himmel nieder und stürzt Satan auf 1000 Jahre in die abgrundtiefe Hölle. In der puritanischen Revolution maßen sich die Gnostiker diese Rolle des Engels an. Einige Stellen aus einem 1641 unter dem Titel A Glimpse of Sion's Glory erschienenen Pamphlet mögen diese eigentümliche Stimmung der gnostischen Revolution vermitteln. (Fs)

202a Der Verfasser der Schrift ist von eschatologischen Erwartungen beseelt.1 Der Fall Babylons steht unmittelbar bevor; das neue Jerusalem wird in Bälde kommen. "Babylons Fall ist Sions Aufstieg, Babylons Zerstörung ist Jerusalems Errettung." Zwar ist Gott die letzte Ursache des bevorstehenden glücklichen Umschwungs, aber auch die Menschen sollten sich durch Taten verdient machen, um das Kommen zu beschleunigen. "Gesegnet, wer die Brut Babylons gegen die Felsen schmettert. Gesegnet, wer zum Sturz Babylons beiträgt." Und wer sind die Menschen, die das Kommen Zions beschleunigen, indem sie die Brut Babylons gegen den Felsen schmettern? Es sind die "gemeinen Leute". "Gott will sich der gemeinen Leute bedienen bei seinem großen Werk der Verkündung des Reiches seines Sohnes." Die gemeinen Leute haben eine Vorrangstellung bei der Förderung des Reiches Christi. Denn die Stimme Christi "kommt zuerst aus der Menge, von dem gemeinen Volk. Sie vernehmen als erste die Stimme, ehe andere sie hören. Gott bedient sich der gemeinen Leute und der Menge, um zu verkünden, daß der Allmächtige Herr Gott herrscht." Christus kam nicht zu den oberen Ständen, sondern zu den Armen. Der Adel, die Weisen und die Reichen, und insbesondere die höhere Geistlichkeit sind vom Geist des Antichrist besessen. Daher wird die Stimme Christi "wahrscheinlich von denen ausgehen, die die Menge ausmachen, die so verächtlich sind", von "der Menge des gemeinen Volkes". In der Vergangenheit "war das Volk Gottes so wie heute noch ein verachtetes Volk". Die Heiligen werden Parteigänger, Schismatiker und Puritaner genannt, Aufrührer und Störer des Staates. Dieser Makel soll jedoch von ihnen genommen werden; und die Herrscher sollen zutiefst davon überzeugt werden, daß "die Einwohner Jerusalems, das sind die in einer Kirche versammelten Heiligen Gottes, die Männer des besten Commonwealth sind". Dieser überzeugung der Herrscher wird durch drastische Veränderungen in sozialer Hinsicht nachgeholfen werden. Der Verfasser zitiert Isaias 49,23: "Könige sollen deine Pfleger, und ihre Fürstinnen deine Säugammen sein; sie werden vor dir niederfallen zur Erde aufs Angesicht und deiner Füße Staub lecken." Die Heiligen hingegen werden in dem neuen Reich verherrlicht werden; sie "sollen alle in weißes Linnen gekleidet werden, wie es den Heiligen gebührt". (Fs)

203a Außer der Kleiderreform für die Heiligen und dem Staublecken für die Herrscher werden auch einschneidende Veränderungen im Gefüge der gesetzlichen und wirtschaftlichen Institutionen stattfinden. Was die Rechts-Institutionen betrifft, so wird die Schönheit und Herrlichkeit des Reiches höchstwahrscheinlich jeden gesetzlichen Zwang überflüssig machen. "Es ist fraglich, ob Anordnungen überhaupt nötig sein werden, zumindest in der heutigen Form [...] die Anwesenheit Christi wird jegliche Anordnung erübrigen." Was die wirtschaftlichen Verhältnisse betrifft, so wird Überfluß und Wohlstand herrschen. Christus hat die ganze Welt für die Heiligen erkauft, und sie wird ihnen geliefert werden. "Alles ist euer", sagt der Apostel, "die ganze Welt". Und mit großem Freimut gibt der Verfasser den Beweggrund seiner Überzeugung an: "Ihr seht, daß die Heiligen heute in dieser Welt nur wenig besitzen; jetzt sind sie die Ärmsten und Geringsten von allen. Aber dann [...] soll die Welt ihnen gehören. Nicht nur der Himmel soll euer Königreich sein, sondern auch diese Welt im Leib." (Fs)

204a Das alles hat nichts mit Christentum zu tun. Die biblische Tarnung kann nicht verschleiern, daß hier Gott in den Menschen hineingezogen wird. Der Heilige ist ein Gnostiker, der die Verklärung der Welt nicht der Gnade Gottes jenseits der Geschichte überlassen, sondern selbst hier und jetzt in der Geschichte das Werk Gottes tun will. Zwar weiß der Verfasser der Streitschrift, daß gewöhnliche menschliche Kräfte das Reich nicht errichten werden, sondern daß die menschlichen Anstrengungen nur Ergänzungen der Aktion Gottes sind. Der Allmächtige Gott wird den Heiligen zu Hilfe kommen und "wird diese Dinge tun durch jene Macht, durch welche er imstande ist, sich alle Dinge untertan zu machen. Berge werden eingeebnet werden, und er wird kommen, springend über Berge und Hindernisse. Nichts wird ihn hemmen." Aber in diesem kommenden "Gott" erkennen wir die Dialektik der Geschichte, die über These und Antithese springt, um mit ihren Gläubigen in der Ebene der kommunistischen Synthese zu landen. (Fs)

205a Der zweite Punkt, der betrachtet werden muß, ist das Programm der Revolutionäre für die Organisation der Gesellschaft, nachdem die alte Welt durch ihre Anstrengungen neu geschaffen sein wird. Im allgemeinen sprechen sich die Gnostiker über diesen Punkt nicht sehr deutlich aus. Man geht von der Voraussetzung aus, daß die neue, verklärte Welt die Übel der alten Welt nicht kennt. Daher besteht deren Schilderung gewöhnlich in der Negierung der gegenwärtigen Mißstände. Der "Blick" auf Zions Herrlichkeit ist eine Kategorie der Gnosis, nicht bloß der Titel einer zufälligen Streitschrift. Der "Blick" zeigt exemplarisch einen Zustand des Wohlstandes und Überflusses, eines Minimums von Arbeit und der Abschaffung staatlichen Zwanges; als Zeitvertreib von populärem Reiz werden noch einige Mißhandlungen von Mitgliedern der früheren Oberschicht eingestreut. Über solche "Blicke" kommt die Schilderung gewöhnlich nicht weit hinaus; die besseren Denker unter den gnostischen Revolutionären, wie Marx und Engels, rechtfertigen ihre Zurückhaltung mit der Begründung, man könne über die Institutionen einer verklärten Gesellschaft nicht viel aussagen, weil wir keine Erfahrungen von sozialen Verhältnissen unter der Bedingung einer verklärten menschlichen Natur besitzen. Glücklicherweise ist uns jedoch ein puritanisches Dokument, das sich mit der Organisation der neuen Welt befaßt, in Gestalt der Queries erhalten geblieben, die eine Gruppe von Fifth Monarchy Sektierern an Lord Fairfax ridhtete.2 (Fs)

205a Zur Zeit der Queries, im Jahre 1649, war die Revolution schon voll im Gange. Sie hatte ein Stadium erreicht, das dem der Russischen Revolution entsprach, als Lenin über die "nächsten Aufgaben" schrieb. In ähnlicher Weise formuliert eine der Queries: "Was ist also das gegenwärtige Interesse der Heiligen und des Gottesvolkes?" Die Antwort enthält den Vorschlag, die Heiligen sollten sich in Kirchengesellschaften und Korporationen nach Art des Kongregationalismus zusammentun; wenn genug solcher Kongregationen entstanden seien, sollten diese sich zu Generalversammlungen oder Kirchenparlamenten nach Art der Presbyterianer vereinigen; "und dann wird Gott ihnen Autorität und Herrschaft über die Nationen und Königreiche der Welt geben". Da es sich um ein geistiges Königreich handelt, kann es nicht "durch menschliche Macht und Autorität" errichtet werden. Der Geist Gottes selbst wird sein Volk rufen und versammeln "und es in mehrere kleine Familien, Kirchen und Korporationen formen". Und erst wenn diese geistigen Keimzellen sich genügend vermehrt haben, sollen sie "die Welt beherrschen" durch Versammlungen solcher Beauftragter Christi und Repräsentanten der Kirchen, wie diese sie erwählen und delegieren werden. Das klingt alles verhältnismäßig harmlos und friedlich. Das Schlimmste, was geschehen könnte, wäre eine gewisse Ernüchterung, falls der Geist sich mit der Durchdringung der neuen Welt Zeit ließe. (Fs)

206a Tatsächlich ist die Sache aber nicht ganz so harmlos. Die Heiligen bringen ihre Queries vor den Lord General of the Army und das General Council of War. Unter diesen Umständen schwingt in der Formel, daß "Gott den Heiligen Autorität und Herrschaft über die Nationen und Königreiche der Welt" geben wird, ein beunruhigender Ton mit. Man möchte fragen: wer sind diese Nationen und Königreiche, über welche die Heiligen herrschen werden? Sind es die Nationen und Königreiche der alten Welt? Aber in diesem Falle wären wir ja noch gar nicht in der neuen Welt. Und wenn wir aber in der neuen Welt sind - über wen könnten die Heiligen dann herrschen außer über sich selbst? Oder werden einige ungläubige Nationen der alten Welt übriggelassen, damit die Heiligen sie nach Herzenslust unterdrücken und auf diese Weise ihrer neuen Herrscherposition eine besondere Würze verleihen können? Kurz: die Gestalt der Dinge, die da kommen, sieht ganz so aus wie das, was spätere Gnostiker die Diktatur des Proletariats nennen. (Fs)

207a Der Verdacht wird durch weitere Einzelheiten bestätigt. Die Queries unterscheiden zwischen "Beamten Christi" und "Christlichen Amtspersonen". Die Herrschaft des Geistes wird alle weltliche Herrschaft abschaffen einschließlich jener der Christlichen Amtspersonen Englands. Die Unterscheidung ist der beste Beweis dafür, daß in Revolutionen der puritanischen Art tatsächlich zwei Wahrheitstypen miteinander um die existentielle Repräsentation ringen. Die Queries gestehen beiden Wahrheitstypen den Namen Christentum zu, doch sind diese beiden Typen so grundverschieden, daß sie respektive die Welten der Dunkelheit und des Lichts repräsentieren. Der puritanische Sieg mag die Struktur der Welt, einschließlich der parlamentarischen Institutionen Englands, unangetastet lassen, aber der innewohnende Geist wird sich radikal gewandelt haben. Und diese radikale Wandlung wird sich politisch im radikalen Wechsel der Führungsschicht ausdrücken. Überzeugend mahnen die Verfasser der Queries: "Bedenket, ob es nicht eine weit größere Ehre für Parlamente, Behörden etc. ist, als Beamte Christi und Repräsentanten der Kirchen zu herrschen, denn als Beamte eines weltlichen Königreichs und Repräsentanten eines lediglich natürlichen und irdischen Volkes?" Es genügt also nicht, ein christlicher Repräsentant des englischen Volkes im Parlament zu sein, denn das Volk als solches gehört der natürlichen Ordnung der alten Welt an. Das Parlamentsmitglied muß vielmehr die Heiligen und die Gemeinschaften des neuen Königtums repräsentieren, die vom Geist selbst geleitet sind. Daher muß die alte politische Führungsschicht ausgeschaltet werden, denn "welches Recht und welchen Anspruch haben lediglich natürliche und weltliche Menschen auf Herrschaft und Regierung, Menschen, denen ein gelheiligter Anspruch auch nur auf die geringsten äußeren Segnungen fehlt?" Oder noch deutlicher: "Wie kann das Königreich ein Reich der Heiligen sein, wenn die Gottlosen Wähler sind und in die Regierung gewählt werden?" Diese Einstellung kennt keinen Kompromiß. Wenn wir neue Himmel und eine neue Erde erwarten, "wie kann es da zulässig sein, die alte weltliche Regierung als neu aufzuputzen?" Das einzig richtige Vorgehen ist jenes, das "die endgültige Unterdrückung der Feinde der Gotthörigen" bewirkt. (Fs)

208a Eine ausführliche Interpretation ist nicht vonnöten. Ein paar sprachliche Modernisierungen werden genügen, um die Bedeutung dieser Vorschläge herauszustellen. Die historische Ordnung des Volkes wird durch das Aufkommen einer Bewegung, die nicht "von dieser Welt" ist, zerstört. Soziale Mißstände können nicht durch Gesetzgebung reformiert werden. Mängel des Regierungsmechanismus können nicht durch Verfassungsänderungen behoben werden. Meinungsverschiedenheiten können nicht durch Kompromisse beseitigt werden. "Diese Welt" ist Finsternis, die dem neuen Licht weichen muß. Daher sind Koalitionsregierungen unmöglich. Die politischen Figuren der alten Ordnung können in der neuen Welt nicht wieder gewählt werden; diejenigen, die nicht Mitglieder der Bewegung sind, werden in der neuen Ordnung kein Wahlrecht haben. Alle diese Veränderungen werden durch den "Geist" oder, wie die Gnostiker heute sagen würden, durch die Dialektik der Geschichte erfolgen. Aber bei den politischen Vorgängen werden die heiligen Genossen ihre Hand im Spiel haben, und diese Hand wird wohlbewaffnet sein. Wenn die Führer der alten Ordnung nicht freundlich lächelnd den Rückzug antreten, werden sie als Feinde der Gotthörigen beseitigt oder, nach heutigem Sprachgebrauch, liquidiert werden. In den Queries hat die Verwirklichung der neuen Welt jenes Stadium erreicht, in dem in der russischen Revolution Lenin seine Betrachtungen unter dem koketten Titel veröffentlichte: "Werden die Bolschewiken die Staatsmacht behalten?" Und ob sie es werden! Und niemand wird sie mit ihnen teilen. (Fs)

209a Das neue Königreich wird sowohl in seiner Substanz wie auch in seinem Herrschaftsanspruch universal sein. Es wird sich "über alle Personen und Dinge der Welt" ausdehnen. Die Revolution der Gnostiker hat das Monopol der existentiellen Repräsentation zum Ziel. Die Heiligen sehen voraus, daß der Universalcharakter ihres Anspruchs von der Welt der Finsternis nicht ohne Kampf anerkannt, sondern vielmehr eine ebenso universale Allianz der Welt gegen sie hervorrufen wird. Die Heiligen müssen sich daher zusammenschließen "gegen die Mächte des Antichrist in dieser Welt". Und die Mächte des Antichrist werden sich wiederum "weltweit gegen die Heiligen zusammenschließen". Die beiden Welten, die in zeitlicher Folge einander ablösen sollen, werden demnach in der historischen Wirklichkeit zu zwei universalen bewaffneten Lagern, die einen Kampf auf Leben und Tod miteinander ausfechten. Aus der gnostischen Mystik der beiden Welten entsteht das Schema der universalen Kriege, das im zwanzigsten Jahrhundert herrschend wurde. Der Universalismus des gnostischen Revolutionärs bewirkt die universale Allianz gegen ihn. Die wirkliche Gefahr der heutigen Kriege liegt nicht in der technisch bedingten globalen Ausdehnung des Kriegsschauplatzes. Ihr eigentliches Verhängnis beruht vielmehr darauf, daß sie dem Wesen nach gnostische Kriege sind, d. h. Kriege zwischen Welten, die sich gegenseitig vernichten wollen. (Fs) (notabene)

210a Die Auswahl der zur Veranschaulichung von Wesen und Richtung der gnostischen Revolution dienenden Materialien mag vielleicht unfair erscheinen. Ein Kritiker könnte einwenden, daß der Puritanismus als Ganzes nicht mit seinem linken Flügel gleichgesetzt werden dürfe. Eine solche Kritik wäre gerechtfertigt, wenn es die Absicht gewesen wäre, eine historische Darstellung des Puritanismus zu geben. Die vorliegende Analyse befaßt sich jedoch mit der Struktur gnostischer Erfahrungen und Ideen, einer Struktur, die sich in der Tat auch dort findet, wo die Folgen zur Ehrbarkeit der Institutionen Calvins oder des presbyterianischen Covenantismus abgeschwächt sind. Die große Spannweite von rechts nach links innerhalb einer jeden Welle der Bewegung, der Kampf zwischen den beiden Flügeln, den die heftigen Ausbrüche in den einzelnen nationalen Räumen hervorriefen, wie auch die vorübergehenden Stabilisierungen einer lebensfähigen Ordnung sind jedoch Phänomene innerhalb der gnostischen Revolution. Diese Phänomene, die zur Dynamik der Revolution gehören, berühren nicht deren Wesen. Und das Wesen läßt sich tatsächlich am besten an seinen radikalen Erscheinungsformen studieren, dort, wo es nicht durch Kompromisse, wie sie um des politischen Erfolges willen eingegangen werden, verwischt ist. Außerdem ist dieses Verfahren nicht eine Sache der Konvenienz, sondern eine methodologische Notwendigkeit. Denn die gnostische Revolution verfolgt das Ziel, die Natur des Menschen zu ändern und eine verklärte Gesellschaft zu errichten; und da dieses Programm in der geschichtlichen Realität nicht durchführbar ist, müssen die gnostischen Revolutionäre unvermeidlich ihren teilweisen oder totalen Erfolg im existentiellen Kampf durch einen Kompromiß mit der Wirklichkeit institutionalisieren. Was immer dieser Kompromiß nun ergeben mag, es wird keinesfalls die von der gnostischen Symbolik erträumte verklärte Welt sein. Würde also der Theoretiker die gnostische Revolution auf der Ebene ihrer zeitweiligen Stabilisierungsperioden, ihrer politischen Taktik oder der gemäßigten Programme, die bereits den Kompromiß ins Auge fassen, studieren, so könnte das Wesen des Gnostizismus als die treibende Kraft der westlichen Revolutionen nie in den Blick kommen. Der Kompromiß würde für das Wesentliche gehalten werden, und das Wesentliche in der Vielgestalt gnostischer Phänomene würde verschwinden. (Fs)

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