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Autor: Balthasar, Hans Urs von

Buch: Theologie der Geschichte

Titel: Theologie der Geschichte

Stichwort: Das schlechthin Einmalige

Kurzinhalt:

Textausschnitt: b. Das schlechthin Einmalige

13a Diese nichtüberschreitbare Grenze, die von der philosophischen Reflexion aufgestellt wird und innegehalten werden muß, ist zugleich das, was eine volle Entfaltung des Poles der Faktizität und Geschichtlichkeit in Dingen und Welt niederhält zugunsten des Poles der allgemeinen Wesenheiten. Diese Schranke zu sprengen vermöchte nur ein dem philosophischen Denken un-erfindliches [eg: sic ] und unvermutbares Wunder: die seinshafte Verbindung Gottes und des Menschen in einem Subjekt, das als solches nur ein absolut einmaliges sein könnte, weil seine menschliche Personalität1, ohne gebrochen oder überspannt zu werden, emporgenommen wäre in die sich in ihr inkarnierende und offenbarende göttliche Person. Dennoch dürfte diese Empornahme in das personale innergöttliche Leben nicht die Entrückung eines Individuums aus dem Kreise der Mit-Individuen sein (etwa so, wie Elias von den Menschen weg im Feuerwagen entrissen wurde), sie dürfte auch keine Übersetzung eines normalen Menschenwesens in einen höheren Wesensrang sein: eine solche wäre von der Schöpfung her unmöglich, wäre die arianische Häresie und höbe im gleichen Zuge das auf, was sie zu begründen vorgäbe: die Erlösung der geschöpflichen, gewöhnlichen menschlichen Natur. (Fs) (notabene)

14a So konnte die Erhebung «eines» Menschen in den Rang des Einmaligen, des Monogenes doch nur sein die tiefere Herabsenkung Gottes selbst, sein Abstieg, seine Erniedrigung, seine Kenose bis zu diesem bindenden Eingehen in «einen» Menschen, der, obwohl der Einzige, nicht aufhört Mensch unter Menschen zu sein. Dies nicht in einer äußerlichen Anpassung, wie eine oberflächliche Deutung der Kenosisstelle in Phil 2,6—7 nahelegen könnte — als ob Christus an sich etwas viel Besseres wäre, und trotzdem das «Aussehen» und das «Benehmen» eines gewöhnlichen Menschen angenommen hätte — sondern in einem innerlichen «Angeglichenwerden seinen Brüdern in allem» (Hebr 2,17), einem «Mitleidenkönnen an unsern Hinfälligkeiten, da er in jeder Hinsicht durcherprobt wurde in völliger Angleichung an uns, die Sünde allein ausgenommen» (Hebr 4,15). Das beidemale gebrauchte Wort besagt sowohl Gleichheit wie Ähnlichkeit wie den Übergang zwischen beiden, die Angleichung bis zum Zusammenfall. (Fs)

14b Die Erhöhung Christi über die übrigen «Brüder» und Teilnehmer der Menschennatur darf also nicht einseitig so ausgelegt werden, daß die Einmaligkeit die Kommunion im Gemeinsamen gefährdet, die Analogie im Konkret-Historischen die Identität im Wesen aufsaugt. Wenn Karl Barth den Menschen Christus definiert als «den Menschen für die Menschen», die übrige Menschheit dagegen beschreibt als «den Menschen mit den Menschen», so ist damit zwar etwas sehr Tiefes ausgesagt (daß die Menschennatur Christi ganz in Anspruch genommen ist von der Erlösungsaktion Gottes, und von daher zu deuten ist), doch besteht die Gefahr, daß Christus und die Menschen nur noch analog im Wesen übereinkommen. Die nächste Folge wäre dann, daß die «Brüder» nicht mehr so, wie die katholische Lehre es vorsieht, an der Aktion Gottes in Christus, Menschwerdung, Kreuz und Auferstehung, würden teilnehmen können. Damit die Analogie zwischen der Einmaligkeit Christi und unserer vielmaligen Menschlichkeit die Identität der Natur nicht aufhebe, muß die Ascensio der menschlichen Natur in Gott tiefer begründet werden im Descensus Gottes in die menschliche Natur. Dann erst wird auch verständlich, warum in der Einmaligkeit Christi beschlossen sein kann die Erlösung unserer Vielmaligkeit: die Menschheit Christi ist, wie Thomas sagt, das instrumentum conjunctum für das Heil der Menschennatur im ganzen. (Fs) (notabene)

15a Nun zeigt sich die Lösung für unser Ausgangsproblem zwischen dem Geschichtlich-Konkreten und dem Abstrakt-Gesetzlichen. Es ist evident, daß wenn «einer von uns» seinshaft eins ist mit Gottes Wort und Gottes erlösender Tat, er ebendadurch als dieser Einmalige erhöht ist zur Norm unseres Wesens wie unserer konkreten Geschichte, der aller Individuen wie der des Geschlechts. Was aber wird dann aus den Wesensgesetzen der Natur? Und weil zur Natur die Je-Einmaligkeit der Person gehört, ihre Freiheit und Vernunft, ihre Religiosität: was wird aus den personalen geschichtlichen Akten und «Situationen» und den in ihnen gelegenen Gesetzlichkeiten? Zwei Dinge gilt es hier festzuhalten: die Einmaligkeit des Gottmenschen, der von Natur aus Norm der Menschheit wird (und diese Natur ist konkret eins mit der Würde und «Verdienstlichkeit» ihrer Akte), ist rein menschlich gesehen eben doch die Einmaligkeit eines Menschen. Die absolute Einmaligkeit Gottes, die sich mit der Menschheit Jesu vereint, bedient sich, um zu erscheinen, der durch das Menschsein gegebenen relativen Einmaligkeit dieser geschichtlichen Persönlichkeit. Der Akt, womit die absolute Einmaligkeit Gottes von der relativen Einmaligkeit einer menschlichen Persönlichkeit Besitz ergreift, beruht auf der Schöpfungsanalogie; diese ist Voraussetzung dafür, daß die an der absoluten Einmaligkeit Gottes partizipierende Einmaligkeit des Erlösers von den vielmaligen Menschen überhaupt verstanden werden kann. Man ist also gezwungen zu sagen, daß die abstrakte Allgemeingültigkeit der in der Menschennatur gründenden normativen Gesetze, sofern Jesus Christus wahrer Mensch ist, in ihm die Assumptio in die Einigung mit der Person des göttlichen Wortes mitvollzogen hat. Diese Erhöhung bedeutet weder eine Zerstörung der Allgemeingültigkeit dieser Gesetze (denn die Menschennatur soll ja erlöst, nicht vernichtet werden), noch ihre gleichgültige Beibehaltung neben der konkreten Norm Jesu Christi: vielmehr sind in ihm die abstrakten Wesensgesetze, ohne aufgehoben zu werden, seiner christologischen Einmaligkeit eingeordnet und unterstellt und durch sie geregelt und geformt. Weder kann man natürliche Metaphysik, natürliche Ethik, natürliches Recht, natürliche Geschichtswissenschaft betreiben, als wäre Christus nicht die konkrete Norm von allem, noch kann man eine beziehungslose «doppelte Wahrheit» aufstellen, indem man die weltlichen Fachleute und die Theologen über den gleichen Gegenstand forschen läßt, ohne daß die beiden Methoden sich je begegneten und kreuzten, noch kann man endlich die weltlichen Wissenschaften in Theologie aufgehen lassen, als sei diese deshalb allein zuständig, weil Christus die alleinige konkrete Norm ist. Gerade weil Christus absolut einmalige Norm ist, bleibt seine Gegenwart den innerweltlichen Normen inkommensurabel, und es läßt sich kein endgültiges innerweltliches Abkommen zwischen der Theologie und den übrigen Fakultäten treffen. Mag man immer die Verweigerung eines solchen Abkommens der Theologie als Hochmut auslegen, sie ist nichts anderes als eine methodische Forderung ihres Gegenstandes. (Fs) (notabene)

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