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Autor: Ratzinger, Joseph

Buch: Zur Lage des Glaubens

Titel: Zur Lage des Glaubens

Stichwort: Kirche, Glaube, Krise, Symptome; Glaubenskrise - Dogma; Pluralismus d. Theologie als Subjektivismus; Dogmen als Fenster auf das Unendliche hin

Kurzinhalt: ... scheinen vergessen zu haben, daß das Subjekt, das Theologie betreibt, nicht der einzelne Gelehrte ist, sondern die katholische Gemeinschaft als Ganze, die gesamte Kirche... "In dieser subjektiven Sicht der Theologie wird das Dogma oft als ein ...

Textausschnitt: Gefährliche Symptome

71a Als logische Konsequenz der Krise des Glaubens an die Kirche als Mysterium, wo das Evangelium lebt und einer von Christus selbst gewollten Hierarchie anvertraut ist, sieht der Kardinal eine Krise des Vertrauens in das Dogma, das vom Lehramt verkündet wird: "Weite Kreise in der Theologie scheinen vergessen zu haben, daß das Subjekt, das Theologie betreibt, nicht der einzelne Gelehrte ist, sondern die katholische Gemeinschaft als Ganze, die gesamte Kirche. Von diesem Vergessen der theologischen Arbeit als einem kirchlichen Dienst rührt ein theologischer Pluralismus her, der in Wirklichkeit oft ein Subjektivismus, ein Individualismus ist, der mit den Grundlagen der gemeinsamen Tradition wenig zu tun hat. Jeder Theologe will jetzt offenbar 'kreativ' sein; aber seine eigentliche Aufgabe besteht in der Vertiefung des gemeinsamen Depositums des Glaubens sowie in der Hilfe, es zu verstehen und zu verkündigen, und nicht darin, es zu 'kreieren'. Andernfalls zerfällt der Glaube in eine Reihe von Schulen und vielfach gegensätzlichen Strömungen, sehr zum Schaden für das verunsicherte Volk Gottes. Die Theologie hat sich in diesen Jahren mit viel Energie damit beschäftigt, Glauben und Zeichen der Zeit in Einklang zu bringen, um neue Wege der Vermittlung des Christentums zu finden. Viele jedoch sind schließlich zur Einsicht gelangt, daß diese Bemühungen oft mehr zu einer Verschärfung als zu einer Lösung der Krise beigetragen haben. Es wäre ungerecht, dieses Urteil zu verallgemeinern, aber es wäre auch falsch, es schlicht und einfach zu verneinen."

72a In Fortführung seiner Diagnose sagt er: "In dieser subjektiven Sicht der Theologie wird das Dogma oft als ein unerträgliches Korsett angesehen, als ein Anschlag auf die Freiheit des einzelnen Gelehrten. Dabei hat man aber die Tatsache aus dem Blick verloren, daß die dogmatische Definition vielmehr ein Dienst an der Wahrheit ist, ein Geschenk, das den Gläubigen durch die von Gott gewollte Autorität dargereicht wird. Die Dogmen - so hat jemand gesagt - sind keine Mauern, die uns den Blick verstellen, sondern sie sind im Gegenteil offene Fenster auf das Unendliche hin."

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