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Autor: Ratzinger, Joseph

Buch: Zur Lage des Glaubens

Titel: Zur Lage des Glaubens

Stichwort: Bischof; Konzil: Rolle der Bischöfe; Bischofskonferenz (nur praktische Funktion, keine theologische Grundlage);

Kurzinhalt: Es geschieht dann, daß die Suche nach Ausgleich zwischen den verschiedenen Tendenzen und das Bemühen um Vermittlung oft verflachten Dokumenten Raum geben, in denen entschiedene Positionen (wo sie notwendig wären) abgeschwächt sind...

Textausschnitt: Die Bischofskonferenzen

59a Kommen wir nun von den "einfachen" Priestern zu den Bischöfen, das heißt zu denen, die als "Nachfolger der Apostel" die "Fülle des Weihesakramentes" innehaben, die "authentische Lehrer" der christlichen Lehre sind, denen "in den ihnen anvertrauten Diözesen ordentliche, eigenständige und unmittelbare Gewalt" zusteht, deren "Prinzip und Fundament der Einheit" sie sind, und die, vereint im Bischofskollegium mit ihrem Haupt, dem Papst, "in der Person Christi handeln", um die universale Kirche zu leiten. Alle Definitionen, die wir gegeben haben, stammen aus der katholischen Lehre über den Episkopat und sind vom II. Vatikanum bekräftigt worden. (Fs)

Das Konzil, erinnert Ratzinger, "wollte eben die Rolle und die Verantwortung des Bischofs stärken, indem es das Werk des I. Vatikanums wieder aufnahm und vervollständigte, das durch die Eroberung Roms unterbrochen wurde, nachdem es sich nur mit dem Papst beschäftigen konnte. Diesem letzteren hatten die Konzilsväter die Unfehlbarkeit im Lehramt bestätigt, wenn er als oberster Hirte und Lehrer eine Glaubens- oder Sittenlehre für verbindlich erklärt". (Fs)

59b So war bei manchem Theologen ein gewisses Ungleichgewicht entstanden, sobald nicht genügend betont wurde, daß auch das Bischofskollegium dieselbe "Unfehlbarkeit im Lehramt" genießt, vorausgesetzt, daß die Bischöfe "das Band der Communio untereinander und mit dem Nachfolger Petri bewahren". Ist also mit dem II. Vatikanum alles wieder in Ordnung?

59c "In den Dokumenten ja, aber nicht in der Praxis, wo sich noch eine weitere jener paradoxen Folgen der Nachkonzilszeit gezeigt hat", antwortet er. "Die entschiedene Neubetonung der Rolle des Bischofs ist in Wirklichkeit verhallt, oder sie droht durch die Einbindung der Bischöfe in immer straffer durchorganisierte Bischofskonferenzen mit ihren oft schwerfälligen bürokratischen Strukturen geradezu erstickt zu werden. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Bischofskonferenzen keine theologische Grundlage haben, sie gehören nicht zur unaufgebbaren Struktur der Kirche, so wie sie von Christus gewollt ist: Sie haben nur eine praktische, konkrete Funktion."

60a Dies, so sagt er, bestätigt auch der neue Codex des kanonischen Rechtes, der den Umfang der Autorität der Konferenzen festlegt, die nicht "im Namen aller Bischöfe handeln (können), wenn nicht alle Bischöfe einzeln ihre Zustimmung gegeben haben", außer es handelt sich um Materien, "in denen das allgemeine Recht es vorschreibt oder eine besondere Anordnung dies bestimmt, die der Apostolische Stuhl (...) selbst erlassen hat" (CIC Can. 455). Das Kollektiv ersetzt folglich nicht die Person des Bischofs, der - so erinnert der Codex in Bestätigung des Konzils - "der authentische Künder und Lehrer des Glaubens für den seiner Sorge anvertrauten Gläubigen" ist (vgl. CIC Can. 753). Ratzinger bestätigt: "Keine Bischofskonferenz hat als solche eine lehramtliche Funktion. Entsprechende Dokumente verdanken ihr Gewicht allein der Zustimmung, die ihnen von den einzelnen Bischöfen gegeben wird."

60b Warum beharrt der Präfekt auf diesem Punkt? "Weil es darum geht - so antwortet er -, gerade das Wesen der katholischen Kirche, die auf einer episkopalen Struktur und nicht auf einer Art Föderation von Nationalkirchen basiert, zu bewahren. Die nationale Ebene ist keine kirchliche Größe. Es müßte von neuem klar werden, daß es in jeder Diözese nur einen Hirten und Lehrer des Glaubens gibt in Gemeinschaft mit den anderen Hirten und Lehrern und mit dem Stellvertreter Christi. Die katholische Kirche basiert auf dem Gleichgewicht zwischen der Gemeinschaft und der Person, in diesem Fall zwischen der Gemeinschaft der einzelnen in der universalen Kirche vereinten Ortskirchen und der Person des Verantwortlichen der Diözese."

61a Es kommt vor, sagt er, daß "bei einigen Bischöfen ein gewisser Mangel an Sinn für die individuelle Verantwortung und die Delegierung ihrer unveräußerlichen Befugnisse als Hirten und Lehrer an die Strukturen der lokalen Konferenz dazu führt, das ins Anonymat abgleiten zu lassen, was hingegen sehr personal bleiben muß. Die Gruppe der in den Konferenzen vereinten Bischöfe sind in ihren Entscheidungen von anderen Gruppen, von eigens dazu eingerichteten Dienststellen abhängig, die Vorlagen erarbeiten. Es geschieht dann, daß die Suche nach Ausgleich zwischen den verschiedenen Tendenzen und das Bemühen um Vermittlung oft verflachten Dokumenten Raum geben, in denen entschiedene Positionen (wo sie notwendig wären) abgeschwächt sind". (Fs)

61b Er erinnert daran, daß es in seinem Land schon in den dreißiger Jahren eine Bischofskonferenz gegeben hat: "Soweit gut, aber die wirklich kraftvollen Dokumente gegen den Nationalsozialismus waren jene, die von einzelnen mutigen Bischöfen stammten. Die Schriftstücke von der Konferenz erschienen hingegen oft ziemlich blaß und zu schwach im Verhältnis zu dem, was die Tragödie verlangt hätte."

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