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Autor: Ratzinger, Joseph

Buch: Zur Lage des Glaubens

Titel: Zur Lage des Glaubens

Stichwort: Kirche, Krise; die K. Jesu Christi, nicht der Menschen; communio sanctorum (auch Sakramente); Kirche: sakramental, hierarchisch - nicht: demokratisch

Kurzinhalt: Wenn die Kirche ... nur wir sind, wenn ihre Strukturen nicht die von Christus gewollten sind, dann versteht man auch nicht mehr die Existenz einer vom Herrn selbst eingesetzten Hierarchie als Dienst an den Gläubigen.

Textausschnitt: Die Kirche Jesu Christi, nicht der Menschen

48a Zur Bestätigung des "qualitativen" Unterschieds der Kirche gegenüber jeder menschlichen Organisation fügt er hinzu: "In dieser Welt überschreitet nur die Kirche die für den Menschen schlechthin unüberwindbare Grenze: die Grenze des Todes. Ob sie lebendig oder tot sind, die Glieder der Kirche leben in Verbindung mit jenem Leben, das aus dem Hineingenommensein aller in den Leib Christi herrührt."

Es handelt sich um die Wirklichkeit, bemerke ich, die die katholische Theologie immer communio sanctorum, die Gemeinschaft der "Heiligen", genannt hat; wobei die "Heiligen" alle Getauften sind. (Fs)

48b "Gewiß - sagt er -, aber man darf nicht vergessen, daß der lateinische Ausdruck nicht nur die Verbundenheit der - lebenden oder verstorbenen - Glieder der Kirche bedeutet. Communio sanctorum bedeutet auch, die 'heiligen Dinge' gemeinsam haben, das heißt die Gnade der Sakramente, die aus dem gestorbenen und auferstandenen Christus hervorgehen. Gerade dieses geheimnisvolle und doch reale Band, diese Verbundenheit im Leben, ist auch der Grund dafür, daß die Kirche nicht unsere Kirche ist, über die wir nach Belieben verfügen können; sie ist vielmehr Seine Kirche. All das, was nur unsere Kirche ist, ist nicht im tiefen Sinn Kirche, es gehört zu ihrem menschlichen und folglich nebensächlichen, vergänglichen Aspekt."

49a Hat das Vergessen oder das Verleugnen dieses katholischen Kirchenbegriffs, so frage ich, nicht auch Auswirkungen auf die Beziehungen zur kirchlichen Hierarchie?

"Gewiß, und sogar mit die gravierendsten. Hier liegt die Ursache für den Verfall des ursprünglichen Verständnisses von 'Gehorsam', der nach der Meinung einiger nicht einmal mehr eine christliche Tugend ist, sondern Erbe einer autoritären, dogmatischen und folglich zu überwindenden Vergangenheit. Wenn die Kirche in der Tat unsere Kirche ist, wenn die Kirche nur wir sind, wenn ihre Strukturen nicht die von Christus gewollten sind, dann versteht man auch nicht mehr die Existenz einer vom Herrn selbst eingesetzten Hierarchie als Dienst an den Gläubigen. Man lehnt die Vorstellung einer von Gott gewollten Autorität ab, einer Autorität also, die ihre Legitimierung in Gott hat und nicht - wie es in den politischen Strukturen geschieht - im Konsens der Mehrheit der Mitglieder einer Organisation. Aber die Kirche Christi ist keine Partei, keine Vereinigung, kein Club; ihre tiefe und unaufhebbare Struktur ist nicht demokratisch, sondern sakramental, folglich hierarchisch; denn die auf der apostolischen Sukzession gegründete Hierarchie ist unabdingbare Bedingung, um zur Kraft, zur Wirklichkeit des Sakramentes zu gelangen. Die Autorität hier gründet sich nicht auf Mehrheitsvoten; sie gründet sich auf die Autorität Christi selbst, der sie Menschen weitergeben wollte, die seine Repräsentanten sein sollten bis zu seiner endgültigen Wiederkunft. Nur wenn man diese Sicht wiedererlangt, wird es möglich sein, die Notwendigkeit und die Fruchtbarkeit des Gehorsams gegenüber der legitimen kirchlichen Hierarchie erneut zu entdecken."

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