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Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Wesen und Ausstattung des Menschen

Titel: F1_077 - Die Vermögen der Seele im Allgemeinen

Stichwort: F1_077q1,- Wesenheit der Seele - Vermögen; F1_077a1ad3Aufteilung des Seins in Wirklichkeit und Möglichkeit -> nur bei Gott: Grund der Tätigkeit = Wesen Gottes; Seele als Form: "letzte" Wirklichkeit; erste, zweite W.

Kurzinhalt: Wenn nun die Wesenheit der Seele selbst der unmittelbare Tätigkeitsgrund wäre, hätte das, was eine Seele hat, die Lebensätigkeiten immer in Wirklichkeit, wie das, was eine Seele tat, immer in Wirklichkeit lebendig ist.

Textausschnitt: ANTWORT: Es ist unmöglich zu sagen, die Wesenheit der Seele sei ihr Vermögen, wenn auch einige dies behauptet haben. Das läßt sich einstweilen1 auf doppelte Weise zeigen. Erstens: da Möglichkeit und Wirklichkeit das Sein und jedwede Seinsgattung aufteilen, müssen Möglichkeit und Wirklichkeit auf dieselbe Gattung bezogen werden. Wenn deshalb eine Wirklichkeit nicht in der Gattung der Substanz ist, kann auch die Möglichkeit, die auf jene Wirklichkeit hinbenannt wird, nicht in der Gattung der Substanz sein. Nun ist aber die Tätigkeit der Seele nicht in der Gattung der Substanz; sondern nur bei Gott ist es so, daß Seine Tätigkeit Seine Substanz ist. Daher ist das Vermögen Gottes [eg: Dei potentia], welches Tätigkeitsgrund ist, Gottes Wesen selbst. Dies kann aber weder bei der Seele noch bei irgendeinem Geschöpf wahr sein, wie oben (54, 3: Bd. 4) auch vom Engel sagt worden ist. (Fs) (notabene)

Kommentar (25.01.12): Zu oben: "Nun ist aber die Tätigkeit der Seele nicht in der Gattung der Substanz." Das wir hier nicht erklärt.

Zweitens erscheint dies auch unmöglich bei der Seele. Denn die Seele ist ihrer Wesenheit nach Wirklichkeit. Wenn nun die Wesenheit der Seele selbst der unmittelbare Tätigkeitsgrund wäre, hätte das, was eine Seele hat, die Lebensätigkeiten immer in Wirklichkeit, wie das, was eine Seele tat, immer in Wirklichkeit lebendig ist. — Sie ist nämlich, sofern sie Form ist, nicht Wirklichkeit, die auf weitere Wirklichkeit hingeordnet ist, sondern sie ist das letzte Halteziel der Zeugung. Daß sie daher noch zu anderer Wirklichkeit in Möglichkeit sei, das gebührt ihr nicht kraft Ihrer Wesenheit, sofern sie Form ist, sondern [nur] kraft Ihres Vermögens. Und so wird die Seele selbst, sofern sie Trägerin ihres Vermögens ist, 'die erste' auf die zweite Wirklichkeit [d. i. die Tätigkeit] hingeordnete 'Wirklichkeit' genannt. — Nun findet sich aber, daß das, was eine Seele hat, nicht immer in der Wirklichkeit der Lebenstätigkeiten ist. Daher heißt es auch in der Wesensbestimmung der Seele, daß sie "die Wirklichkeit eines Körpers" ist, "der Leben in Möglichkeit hat"; von dieser Möglichkeit jedoch "wird die Seele nicht abgelehnt" [vgl. 76, 4 Zu 1]. — Es bleibt also nur übrig, daß die Wesenheit der Seele nicht ihr Vermögen ist. Denn nichts ist seinem Wirklichkeitsein nach, sofern es Wirklichkeit ist, in Möglichkeit. (Fs)

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