Datenbank/Lektüre


Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Wesen und Ausstattung des Menschen

Titel: Kommentar zu: Thomas Summa Thomasausgabe Band06

Stichwort: Kommentar zu F1_076a1; Seele als erster Lebensgrund; Verstandestätigkeit -> Wesen d. S.; Averroes (falsche Interpretation von Aristoteles): "getrennter" Verstand; Plato: S. als "Lenker" d. Leibes; S. u. Leib als Teilgründe

Kurzinhalt: ... Lehre des Aristoteles gerechtfertigt ... nach der die verstandbegabte Seele der formliche, der Körper der stoffliche Teilgrund, das aus Seele und Körper Zusammengesetzte aber der einheitliche Ganzgrund der dem Menschen zukommenden Tätigkeiten ist ...

Textausschnitt: 1. ARTIKEL -- Der Grund der Verstandestätigkeit Form des menschlichen Leibes

490b Thomas gibt zuerst die Beweisführung des Aristoteles. Nach dieser ist die menschliche Seele als erster Lebensgrund das Erste, wodurch wir die verschiedenen menschlichen Tätigkeiten, namentlich die Denktätigkeit, ausführen; anderseits ist die Wesensform das Erste, wodurch ein Ding in Wirklichkeit ist (Sosein und Dasein hat) und tätig ist. Folglich ist die menschliche Seele, sofern sie Grund der Verstandestätigkeit ist, mit dem Leib als Form vereint. Es ist wiederum die der Erfahrung zugängliche Tätigkeit der Seele, von der aus auf ihre Wesenheit geschlossen wird. — Die Gegner berücksichtigend, fährt Thomas fort: wenn der Grund der Verstandestätigkeit nicht als Form mit dem Leib vereint ist, auf welche Weise kann dann das Denken noch Tätigkeit des einzelnen Menschen sein, "da doch ein jeder die Erfahrung macht, daß er selbst es ist, der denkt"? Weil der Mensch nicht mit seinem Ganzen denkt — er ist nicht allein verstandbegabte Seele, wie bereits 75, 4 gegen Plato dargetan wurde: er verrichtet auch noch andere Tätigkeiten, an denen der Leib beteiligt ist —, so kann der Grund der Denktätigkeit, die verstandbegabte Seele, nur ein Teil des Menschen sein, der mit dem andern Teil, dem Leib, vereint ist. (Fs) (notabene)

491a Wie soll nun aber diese Vereinigung in einer beiden Wesensteilen gerecht werdenden Weise statthaben? Averroes hatte, die Lehre des Aristoteles von dem "getrennten" Verstand, der zwar unabhängig vom Leib, aber doch nicht außerhalb desselben Dasein hat, mißverstehend, angenommen, es komme für alle Menschen nur ein Verstandeswesen in Betracht, mit dem der einzelne Mensch in der Weise in Verbindung trete, daß die geistigen Erkenntnisbilder, mittels deren der Mensch denkt, sowohl in diesem getrennt bestehenden Verstand als auch in der Phantasie und damit in einem körperlichen Organ des Einzelnen ihren Sitz hätten. Plato und seine Anhänger hielten die Seele für den Beweger des Leibes, in dem sie gleichsam als sein Lenker wohne. Beide Auffassungen sind jedoch aus mehreren Gründen unhaltbar, so daß die Lehre des Aristoteles gerechtfertigt erscheint, nach der die verstandbegabte Seele der formliche, der Körper der stoffliche Teilgrund, das aus Seele und Körper Zusammengesetzte aber der einheitliche Ganzgrund der dem Menschen zukommenden Tätigkeiten ist (vgl. S. 479 ff.). (Fs) (notabene)

Der Wichtigkeit der Sache entsprechend, fügt Thomas noch eine weitere Begründung bei, indem er auf den im 'Anderseits' ausgesprochenen Gedanken zurückgreift: der Urgrund der dem Menschen eigentümlichen Tätigkeit gibt diesem die Artbestimmung. Und da in jedem Ding die Form das Artbestimmende ist, muß der Urgrund der Verstandestätigkeit als der dem Menschen eigentümlichen Tätigkeit die Wesensform des Menschen sein. (Fs)

491b Wenn nun auch die menschliche Seele als Urgrund der Verstandestätigkeit Form des Leibes ist, so bleibt doch zurecht bestehen (was in der 75. Frage wiederholt ausgesprochen wurde), daß dieser Urgrund der Verstandestätigkeit, der entferntere, substantielle sowohl: die verstandbegabte Seele, als auch der unmittelbare, akzidentelle: das Verstandesvermögen, unabhängig vom körperlichen Stoff ist, da ja schon jede Form als solche den Stoff überragt, die menschliche Seele aber "die höchste im Adel der Formen ist". Den eigentlichen Beweis für die Stoffunabhängigkeit der Verstandesseele brachten die Artikel 2 u. 5 der 75. Frage. (Fs) (notabene)

491c Zum Schluß wird noch gesagt, daß, wenn die Seele selbst, wie die Franziskanertheologen lehrten, aus Form und Stoff zusammengesetzt wäre, sie dann nicht in ihrer Ganzheit als Form des Leibes gelten könnte, da sie doch dem körperlichen Stoff gegenüber Wirklichkeit ist. (Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt