Datenbank/Lektüre


Autor: Navarro-Vals, Joaquin

Buch: Begegnungen und Dankbarkeit

Titel: Begegnungen und Dankbarkeit

Stichwort: Asymetrisches Ethos; Befürwortung v. Krieg - Forschung an embryonalen Stammzellen; partielle Charakter der Sichtweisen -> Zersetzungsprozess (Mangel an gemeinsamen

Kurzinhalt: Ein Ethos ist dann authentisch, wenn es Teil einer umfassenden Sicht auf das Leben ist. Andernfalls verliert es jegliche Glaubwürdigkeit... Sich für das Wohl aller und des Ganzen einzusetzen erweist sich letzten Endes immer .. als der einzig gangbare Weg.

Textausschnitt: Asymetrisches Ethos (eü)

134a Es ist bestürzend, dass ein Demokrat vermutlich kein Problem damit hätte, das ethische Scheitern im Irak einzugestehen, andererseits aber nicht bereit wäre, die ethische Dimension und die sozialen Auswirkungen anzuerkennen, die mit der Relativierung der Familie und der Forschung an embryonalen Stammzellen verbunden sein können. (Fs)
Und umgekehrt ist die Unterstützung des Krieges für einen "Theokonservativen" auf einer anderen ethischen Ebene angesiedelt als der Schutz der Umwelt oder der Bau von Schulen in der Dritten Welt. (Fs)

134b Ist das alles überhaupt noch rational?

Ein Ethos ist dann authentisch, wenn es Teil einer umfassenden Sicht auf das Leben ist. Andernfalls verliert es jegliche Glaubwürdigkeit. Einem asymmetrischen oder partiellen Ethos fehlt es an Rationalität. Eine ethische Teilansicht ähnelt einem Menschen, der nur ab und zu die Wahrheit sagt und dennoch verlangt, dass man ihm immer Glauben schenkt. Man darf ethische Werte nicht als Waffen gegeneinander einsetzen — ebenso wenig, wie man zum Schutz des Lebens Leben zerstören darf. (Fs) (notabene)

134c In seiner Nikomachischen Ethik hat Aristoteles uns gelehrt, dass die Kräfte - nicht die Grundsätze! -, die miteinander im Wettstreit liegen, um das Leben zu stärken und zu bewahren, dieselben sind, die es auch vernichten können. Alles hängt davon ab, welche Kriterien man anwendet und welche Handlungen daraus folgen. Diese Kriterien aber sind das Ethos eines Menschen. Und das ist entweder in allen Teilen stimmig, oder es steht auf tönernen Füßen. (Fs)

Kann man den Krieg moralisch verwerfen und aus derselben ethischen Einstellung heraus den Umweltschutz und die Forschung an embryonalen Stammzellen befürworten?
Ich glaube, genau hier liegt das eigentliche Problem, das es zu lösen gilt. (Fs)

134d Der Krieg gegen den Terrorismus und die Bemühungen um den Frieden müssen sich auf dasselbe Ethos gründen, und ebenso muss auch der Lebensschützer vom selben Ethos angetrieben sein wie der, der sich für das Recht auf Leben von unheilbar Kranken einsetzt. (Fs)

135a Nicht zufällig hat der österreichische Jurist Hans Kelsen erklärt, "der tiefere Sinn der Demokratie" bestehe darin, dass "jeder die Freiheit nicht nur für sich, sondern auch für die anderen will". Und das ist nur im Rahmen eines Ethos möglich, das allen Menschen und insbesondere allen Aspekten des Lebens ihren eigenen Platz zuweist. In einem stimmigen System. (Fs)

135b Im Grunde hatte Hobbes gar nicht so unrecht mit seiner Ansicht, dass die eigentliche Voraussetzung des Krieges der einseitige und partielle Charakter der Sichtweisen ist, denn genau dies führt dazu, das gemeinsame Ethos zu verkennen und Teilinteressen einander gegenüberzustellen. Mit dem Bezug auf die allen gemeinsamen Grundaspekte geht aber auch die ethische Gültigkeit der Einzelinteressen verloren. (Fs)

135c Und damit beginnt ein Zersetzungsprozess, der die Politik an sich bedroht. (Fs)

Zum einen sind die aktuellen Probleme untrennbar mit der Gesellschaft verbunden, und zum anderen ist es offenbar schwierig, sie ohne erbitterte Inkohärenzen in eine Gesamtsicht einzuordnen. Genau das aber ist es, was die politischen Entscheidungsprozesse nicht nur in Amerika lahmt. Auch Europa ist von ähnlichen Kohärenzfragen geplagt wie etwa der, ob ein Friede auch dann aufrechterhalten werden kann, wenn dies nach Maßgabe desselben Ethos zulasten grundlegender Menschenrechte geht. (Fs)

135d Sich für das Wohl aller und des Ganzen einzusetzen erweist sich letzten Endes immer als ein schwieriger, aber auch als der einzig gangbare Weg, und zwar gerade weil das Ganze, wie Josef Pieper gesagt hat, niemals nur die Summe seiner Teile ist. (E)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt