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Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Wesen und Ausstattung des Menschen

Titel: Anmerkungen zu: Thomas Summa Thomasausgabe Band06

Stichwort: F1_076a3c, Gibt es außer der Verstandesseele im Menschen noch andere der Wesenheit nach verschiedene Seelen?; Leben, Bewegung, Selbstbewegung (nicht als Ganzes: zugleich Möglichkeit und Wirklichkeit, nur durch seine Teile)

Kurzinhalt: Damit sich etwas als Ganzes selbst bewege, d. h. sich selbst aus dem Zustande der Möglichkeit herausziehe und in die Wirklichkeit überführe, müßte ein und dasselbe in derselben Beziehung zugleich im Zustande der Wirklichkeit und der Möglichkeit sein.

Textausschnitt: [40] Zu S. 56.

So findet die Selbstbewegung des Lebewesens durch seine verschiedenen Teile statt. Denn jedes geschöpfliche Leben ist Selbstbewegung, die durch einen Übergang aus der Möglichkeit in die Wirklichkeit geschieht. Es kann sich aber nichts als Ganzes in dieser Weise bewegen. Damit sich etwas als Ganzes selbst bewege, d. h. sich selbst aus dem Zustande der Möglichkeit herausziehe und in die Wirklichkeit überführe, müßte ein und dasselbe in derselben Beziehung zugleich im Zustande der Wirklichkeit und der Möglichkeit sein. Denn was sich bewegt, bewegt und wird bewegt in derselben Beziehung. Sofern es bewegt wird, ist es leidend, empfangend und somit im Zustande der Möglichkeit; sofern es aber in derselben Beziehung bewegt, ist es in derselben Beziehung nicht leidend, nicht im Zustande der Möglichkeit, sondern tätig, wirkend und somit im Zustande der Wirklichkeit. Daher kann sich etwas in dieser Weise nicht als Ganzes, sondern nur durch seine Teile selbst bewegen. Und so wird die Selbstbewegung vom Lebenden ausgesagt. Das Lebende besteht aus Teilen, von denen der eine den andern bewegt. Der eine Teil, der im Zustand der Wirklichkeit ist, bewegt einen andern Teil, der dem ersten gegenüber im Zustand der Möglichkeit ist. Diese Teile sind entweder verschiedene Substanzteile, verschiedene Organe des lebenden Körpers, oder verschiedene Vermögen, deren eines das andere bewegt, wie der Wille den Verstand; oder es sind in einem und demselben Vermögen verschiedene Möglichkeiten zu verschiedenen Tätigkeiten, deren eine die andere verwirklicht; so bewegt der Verstand sich selbst von der Erkenntnis der Vordersätze zur Erkenntnis des Schlußsatzes. Da aber der bewegende Teil nur dadurch bewegt, daß er selbst wirksam wird, d. h. aus dem Zustand der Möglichkeit in den der Wirklichkeit, der Wirksamkeit übergeht, muß er auch bewegt werden, und zwar immer wieder von einem andern. Es muß also die Selbstbewegung des Lebenden, das sich durch seine Teile bewegt, von außen beginnen, und zwar von einem Beweger, der das Lebende bewegt und bestimmt, sich selbst zu bewegen. So bewegt und bestimmt der Erzeuger das von ihm Erzeugte dazu, sich selbst zu bewegen; die äußeren Einflüsse des Lichtes, der Luft, der Feuchtigkeit bewegen die Pflanze so, daß sie sich selbst bewegt (vgl. GrPh 1, 272 f.). (Fs) (notabene)

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