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Autor: Scheffczyk, Leo

Buch: Katholische Glaubenswelt

Titel: Katholische Glaubenswelt

Stichwort: Mitte des Katholischen; Formel "et - et"; sola fide, sola criptura -- Glaube u. Sakrament, Schrift u. Tradition, lex orandi u. lex credendi, Natur u. Gnade, Geschichte u. Idee; Fr. Heiler: "Universalismus u. Einheit", "Kontinuität u. Fortschritt" ...

Kurzinhalt: Gegenüber dem evangelischen "sola fide" gilt dann für den Katholizismus "Glaube und Sakrament"; gegenüber dem "sola scriptura" gilt das "Schrift und Tradition" oder "Schrift und Kirche", gegenüber einem pietistischen Christentum ...

Textausschnitt: 27c Dieses Ganze ist auf jeden Fall (das kann schon an dieser Stelle sichtbar werden) eine komplexe Größe. Von diesem Eindruck bestimmt, hat man eigentlich immer gewusst, dass der Katholizismus nicht unter einem einzigen Aspekt eingefangen und nicht auf ein einziges theoretisches Prinzip festgelegt werden könne. Man hat, gewiss noch nicht in besonders tiefgründiger, aber doch in anschaulicher Weise, dafür die Kurzformel vom katholischen "et - et", vom "sowohl - als auch" geprägt. Damit sollte in Unterscheidung vom evangelischen "sola" der Tatbestand der Polarität des Katholizismus zum Ausdruck gebracht werden. (Fs) (notabene)

28a Es ist tatsächlich bemerkenswert, dass die katholische Theologie bislang niemals ein einziges Prinzip für den Katholizismus formulierte, wie das die protestantische Theologie der Neuzeit mit dem "sola-fide-Prinzip" und dem "sola-scriptura-Prinzip" tat. Der Protestantismus formulierte im 19. Jh. sein sogenanntes "Materialprinzip", worunter die inhaltliche Kraft und Wirklichkeit verstanden wurde, die Wesen und Gehalt des evangelischen Christentums bestimmt, nämlich die "Rechtfertigung aus Glauben allein" (und nicht aus irgendwelchen Werken). Dem entsprach die Aufstellung des sogenannten "Formalprinzips" als der äußeren Norm und der autoritativen Instanz für das protestantische Glaubensleben: die Hl. Schrift. In Wirklichkeit aber handelt es sich zuletzt dabei doch wohl um ein einziges Prinzip, weil die Hl. Schrift nicht als objektive Norm und Autorität des Glaubens verstanden wird. Sie gewinnt nämlich erst im Glauben selbst Autorität, d. h. wenn ein Mensch sie im Glauben als Gotteswort hört und anerkennt. So ist das letzte und einzige Prinzip des Protestantismus der individuelle, (man darf mit gewisser Einschränkung sagen) der subjektive Glaube. Es ist deshalb nicht unzulässig, wenn man mit Paul Tillich den Protestantismus auf das Prinzip des "Prophetischen" zurückführt,1 das offensichtlich identisch gesetzt werden kann mit dem im Subjekt entspringenden Glauben oder dem "testimonium internum Spiritus Sancti". (Fs) (notabene)

Auch wenn mit evangelischen Theologen zuzugeben ist, dass es sich hier um schematisierende Kurzformeln handelt, die nicht die ganze Wirklichkeit ausdrücken, so sind sie als solche doch in gewisser Hinsicht für das Verständnis förderlich. Es genügt, vorerst aus diesem Sachverhalt für den Katholizismus nur die Erkenntnis zu entnehmen, dass der Katholizismus eine solche Zurückführung auf ein Prinzip nicht kennt. Das aber hat seinen Grund darin, dass der Katholizismus eben eine komplexe Wirklichkeit darstellt, deren Kennzeichnung mit einem einzigen theoretischen Prinzip nicht möglich erscheint. (Fs)

28b Aus diesem Grunde hat man sich damit geholfen, im Gegenüber zum Protestantismus und zur Unterscheidung seines "sola" zur Kennzeichnung seiner Eigentümlichkeit die Formel "et - et" zu benutzen. Sie ist natürlich auch nur ein Schema und eine Abstraktion von der vollen Wirklichkeit. Aber wenn man das Schema inhaltlich auffüllt, kommt man doch zu einigen bemerkenswerten Einsichten, die schon ein gewisses Wesensverständnis des Katholischen eröffnen. Gegenüber dem evangelischen "sola fide" gilt dann für den Katholizismus "Glaube und Sakrament"; gegenüber dem "sola scriptura" gilt das "Schrift und Tradition" oder "Schrift und Kirche", gegenüber einem pietistischen Christentum, das nur auf die innere Erfahrung und auf die praktische Betätigung des Religiösen aus ist, gilt das schon erwähnte "lex orandi und lex credendi"; gegenüber einem theologischen Rationalismus müssen die Grundsätze "Natur und Gnade" und "Glaube und Wissen" zur Geltung gebracht werden; gegenüber einem rein idealistischen Verständnis des Christentums der Grundsatz "Geschichte und Idee"; gegenüber dem Existentialismus die These "Objektivität und Subjektivität". (Fs) (notabene)

29a Fr. Heiler hat in seinem Buch über den "Katholizismus. Seine Idee und seine Erscheinung" dieses "Und", welches das Siegel für die Komplexität oder Komplementarität des Katholischen ist, noch weiter aufgeschlüsselt und als Religionspsychologe auch ins Religiöse und Psychologische hinein entfaltet. Er fügte daraufhin die Verbindungen "Universalismus und Einheit", "Kontinuität und Fortschritt", "Toleranz und Exklusivität", "Gemeinschaftsgebundenheit und Personalismus" und schließlich "Supranaturalismus und Inkarnationalismus" als Charakteristiken noch hinzu.2 Aber Heiler verstand diese Gegensatzpaare weithin als Ausdruck eines Synkretismus, wie schon angedeutet wurde. So gelang es ihm nicht, dahinter die verborgene Einheitskraft oder das Einigungselement ausfindig zu machen, die Form oder die Seele des Ganzen zu erfassen, die offenbar gefunden werden muss, wenn der Zusammenhalt der Gegensätze und das Aushalten der Spannungen erklärt werden soll. Mit dem Vorwurf des "Synkretismus" ist nicht nur ein negatives Werturteil gefällt, es ist vor allem damit nichts für das tiefere Wesensverständnis des Ganzen gewonnen. (Fs)

29b Das hat nun allerdings für die hier anstehende Vorfrage nach dem rechten Weg einer Wesensbestimmung des Katholischen die Folge, dass man anerkennen muss: Es genügt für eine solche Wesensbestimmung nicht, die gegeneinander stehenden Pole oder Gegensätze ausfindig zu machen und sie als komplementäre Elemente zu beschreiben. Auch eine logische Aneinanderreihung oder Gegenüberstellung solcher Elemente genügt nicht, um ein Wesensverständnis des Katholischen zu gewinnen. (Fs)

29c Das Abschreiten dieser negativen Möglichkeiten bietet den Grund, den Weg nun positiv zu bestimmen. (Fs)

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