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Autor: Hösle, Vittorio

Buch: Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie

Titel: Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie
Flanagan, Josef

Stichwort: Ethik, Schwierigkeit der Begründung, naturalistischer Fehlschluß; Apel

Kurzinhalt: Ethik, naturalistischer Fehlschluß, keine Begründung der Ethik in d . modernen Philosophie; Kant, Ethik - Mathematik; Tatsachenebene, Wert- Sollensebene

Textausschnitt: Auszug (s. unten):

() ... daß ... keine der wirkungsmächtigen modernen Philosophien die Ethik in wirklich befriedigender Weise zu begründen versucht. Im Marxismus ist die Ethik Teil der Geschichtsphilosophie; und im Szientismus und Kritischen Rationalismus hat sie als objektive Theorie ebensowenig Raum wie im Existenzialismus und in der Hermeneutik.
() ... sind doch, aufgrund des Verbotes des naturalistischen Fehlschlusses, normative Sätze auf empirische Sätze nicht zurückführbar (bzw. auf empirische Sätze nur dann, wenn diese mit apriorischen verbunden sind: So kann die Norm 'Unter den Bedingungen c sollst du a tun' aus dem empirischen Satz 'Unter den Bedingungen c ist a ein notwendiges Mittel für b' nur in Verbindung mit dem normativen Satz 'Du sollst b tun' hergeleitet werden).
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2.4. Letztbegründung und Ethik

191 "Apels Anspruch, eine Begründung der Ethik zu leisten, ist zweifelsohne seine philosophisch originellste und weltanschaulich wichtigste Leistung. Wir haben ja gesehen, daß von Peirce' marginalen Überlegungen abgesehen keine der wirkungsmächtigen modernen Philosophien die Ethik in wirklich befriedigender Weise zu begründen versucht. Im Marxismus ist die Ethik Teil der Geschichtsphilosophie; und im Szientismus und Kritischen Rationalismus hat sie als objektive Theorie ebensowenig Raum wie im Existenzialismus und in der Hermeneutik. (123; Fs)

192 Die bedeutendsten ethischen Theorien des 20. Jahrhunderts - Moores und Schelers Wertethiken - verzichten von vornherein auf eine Begründung: Werte werden demnach in Intuitionen erfaßt, die argumentativ nicht ausweisbar sind. In der Tat ist nicht zu leugnen, daß eine Begründung der Ethik besonderen Schwierigkeiten ausgesetzt ist. Denn einerseits kann sie nicht empirisch sein - sind doch, aufgrund des Verbotes des naturalistischen Fehlschlusses,1 normative Sätze auf empirische Sätze nicht zurückführbar (bzw. auf empirische Sätze nur dann, wenn diese mit apriorischen verbunden sind: So kann die Norm 'Unter den Bedingungen c sollst du a tun' aus dem empirischen Satz 'Unter den Bedingungen c ist a ein notwendiges Mittel für b' nur in Verbindung mit dem normativen Satz 'Du sollst b tun' hergeleitet werden). (123; Fs)

193 Ebensowenig ist an eine Deduktion im Sinne der ersten Kritik Kants zu denken: Unmoralisches Handeln macht Erfahrung nicht unmöglich; und so ist es kein Zufall, daß Kant in der zweiten Kritik auf eine Deduktion des kategorischen Imperativs verzichtet hat. Andererseits folgen ethische Sätze sicher nicht aus der formalen Logik - wo ist der analytische Widerspruch in dem doch wohl unethischen Satz 'Töte so viele Menschen wie möglich, ohne dich dabei erwischen zu lassen'? (123f; Fs)

194 Der Vergleich von Ethik und Mathematik, der in der Tradition zu den verbreitetsten Gemeinplätzen zählt,2 legt seit der Entwicklung der nichteuklidischen Geometrien relativistische Konsequenzen für die Ethik nahe.3 Denn so wie es, unter Zugrundelegung verschiedener geometrischer Axiome, verschiedene Systeme geben kann, die alle gleichermaßen konsistent sind, so scheint es auch in der Ethik möglich zu sein, aus verschiedenen Axiomen verschiedene Normensysteme abzuleiten; dabei wäre es völlig unmöglich, rational zu entscheiden, welches der Axiomensysteme das richtige sei - es wären, sofern sie nur konsistent sind, alle gleichberechtigt, das Normensystem des Christentums nicht anders als das Normensystem des Nationalsozialismus. (124; Fs)

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