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Autor: Biffi, Giacomo

Buch: Sehnsucht nach dem Heil

Titel: Sehnsucht nach dem Heil

Stichwort: Er sitzt zur Rechten des Vaters (theologische Reflexion; Zusammenfassung); "oberflächliche" Darstellung des Christentums (nur d. "Nachahmenswerte); Cristentum: eine sich wirklich ausbreitende "Macht"

Kurzinhalt: Die Tatsache, daß ein Mensch, ein Glied unserer Menschheitsfamilie, das die gleiche Natur mit uns teilt, "zur Rechten des Vaters" sitzt ... ist das zentrale Ereignis ...

Textausschnitt: Theologische Reflexion

108b
14. Wir können jetzt abschließend einige Schwerpunkte festhalten. (Fs)

Die Tatsache, daß ein Mensch, ein Glied unserer Menschheitsfamilie, das die gleiche Natur mit uns teilt, "zur Rechten des Vaters" sitzt und damit so intensiv, wie man sich das überhaupt vorstellen kann, am göttlichen Leben sowie an der göttlichen Macht über das Universum teilhat, ist das zentrale Ereignis, das im Mittelpunkt des ganzen christlichen Weltbildes steht und den Grundstein unseres Glaubens bildet. (Fs) (notabene)

Wenn man diesen Grundstein vergißt oder absichtlich in den Hintergrund rückt, oder wenn man ihn zu den wohlbekannten, psychologisch nutzlosen Ideen zählt, verändert sich der gesamte uns von der göttlichen Offenbarung gebotene Ausblick, oder er wird zumindest unscharf. (Fs)

108c Heute überwiegt eine "oberflächliche" Darstellung des Christentums, die vor allem das "Nachahmenswerte" dessen herausstellt, was Christus getan hat: die Liebe zum Nächsten, die Hilfe für die Armen und Benachteiligten, die Selbsthingabe für die anderen. Das alles ist recht, geboten und unverzichtbar, so lange es nicht die grundlegende Aufmerksamkeit für den Zustand in Herrrlichkeit und Macht überdeckt, der von Jesus von Nazaret erreicht wurde; ein Zustand, der die ontologische Quelle der "neuen Menschheit" und damit auch der "Liebe", der Seele des ganzen kirchlichen Lebens, ist. (Fs) (notabene)

109a Die für die westliche Frömmigkeit typische Betrachtung des gekreuzigten, erniedrigten und leidenden Sohnes Gottes ist für uns von großem Wert, denn wir erfahren in unseren Lebenssituationen als Einzelne und als Gemeinschaft Niederlage und Leid als unausweichlichen Weg zur Erlösung. Wir dürfen aber nie vergessen, daß das Evangelium hauptsächlich eine "gute Nachricht" ist, das heißt die Ankündigung eines Sieges und eines übermenschlichen Triumphes, der erzielt wurde: des Sieges Christi, der auch eine Revanche des Menschen gegenüber den Mächten des Bösen ist; der endgültige Triumph des Hauptes als Voraussetzung für den Triumph des "Christus totus". (Fs)

Gerade weil die Kirche immer mehr oder weniger das Geheimnis des Weges nach Golgota lebt und angesichts der weltlichen Mächte täglich ihre Schwäche spürt, muß sie immer von der Kraft ihres Erlösers überzeugt sein. So denkt Paulus, der vom Herrn die tröstlichen Worte vernimmt: "Meine Gnade genügt dir; denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit" (2 Kor 12,9); und er bekräftigt: "Viel lieber will ich mich also meiner Schwachheit rühmen, damit die Kraft Christi auf mich herabkommt. Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Mißhandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark" (2 Kor 12,9.10). (Fs)

109b Wer mit der Kirche lebt, dem scheint Jesus oftmals unterlegen und von der sichtbaren Weltgeschichte ausgeschlossen. Darum ist es notwendig, daß wir wissen und immer daran denken, daß er jetzt schon Sieger ist, und daß er es ist, der von der Rechten des "Hochgelobten" aus die wahre Geschichte des Universums und des Einzelnen bewegt. Er lenkt sie nach seinem Plan und Willen, die mit dem Plan und Willen des Vaters vollkommen übereinstimmen. (Fs)

109c
15. Die Gewißheit von der "Macht" Christi - als ausübende Macht und nicht nur als eschatologische Hoffnung - zu wecken und zu festigen, ist - wie wir bereits festgestellt haben - ein pastorales Problem, das Paulus offensichtlich in den Gefangenschaftsbriefen besonders beschäftigt. Die Sache ist einer näheren Betrachtung wert. Bereits im Brief an die Römer hatte er daran erinnert, daß Jesus nicht nur "dem Fleisch nach geboren ist als Nachkomme Davids", sondern auch "eingesetzt ist als Sohn Gottes in Macht" (Röm 1,3.4). Aber als er allmählich begriff, daß er und das christliche Ereignis immer mehr angefeindet wurden, ist dem Apostel wahrscheinlich die Bedeutung dieses Glaubensinhaltes aufgegangen, das heißt der unbesiegbaren "Kraft" des Auferstandenen, der über uns und über die Welt herrscht und wirksam ist, auch wenn wir im Vergleich zu anderen scheinbar schwach und unterlegen sind. (Fs)

110a So erklären wir uns das Beharren auf diesem Thema und die häufige Verwendung von Vokabeln wie:

energeia - chratos - ischys - dynamis
energeO - chrataioO - ischyO - dynamoO

Aber das pastorale Problem des Paulus ist auch unser Problem. Deshalb müssen auch wir an der fundamentalen Bedeutung dieses Grundsteins des christlichen Glaubens festhalten und in unserem Leben die Rolle Christi als "Pantokrator" wiederentdecken, dessen Figur die Apsis der antiken Basiliken beherrscht. (Fs)

Zusammenfassung

16. Das Markusevangelium beschreibt die Betroffenheit der Bewohner von Kafarnaum, als sie die geheimnisvolle Wirklichkeit Jesu von Nazaret spüren: "Was hat das zu bedeuten ? Hier wird mit Vollmacht eine ganz neue Lehre verkündet" (Mk 1,27). (Fs)

110b Das Christentum ist gewiß in der Geistesgeschichte eine "neue Lehre", gerade weil es nicht nur eine Lehre ist: Es ist die Botschaft eines umstürzenden heilbringenden Ereignisses. Aber außer einer "Lehre" ist es eine sich wirklich ausbreitende "Macht", die Macht des gekreuzigten und auferstandenen Jesus von Nazaret, der das dunkle Reich des Todes besiegt, über Raum und Zeit herrscht und in Ewigkeit bestehen bleibt als unversiegbare Quelle einer Kraft, die jede Müdigkeit überwindet und alle unsere Niederlagen vorläufig macht. Es ist die pfingstliche Kraft, die pausenlose Ausgießung des Heiligen Geistes, die von Christus, der zur Rechten des Vaters ist, kommt und der Erde ihren ständigen Antrieb gibt. (Fs)

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