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Autor: Biffi, Giacomo

Buch: Sehnsucht nach dem Heil

Titel: Sehnsucht nach dem Heil

Stichwort: Aufgefahren in den Himmel 2 (theologische Reflexion); Wirklichkeit - Bild; chronologisch - ontologisch; Himmelfahrt - Soteriologie (wenig Beachtung); Zeitlosigkeit des Ereignisses der Verherrlichung; Reihenfolge - Geschichte

Kurzinhalt: ... Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung seitens des Auferstandenen und sogar die "Parusie", die die Geschichte beenden wird, sind Aspekte der "Herrlichkeit" Christi, die über die zeitliche Dimension hinaus bestehen und nicht in einer Reihenfolge ..

Textausschnitt: Theologische Reflexion

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13. Wir können jetzt die Ergebnisse unserer Analyse zusammenfassen. (Fs)

A) Wirklichkeit und Bild

a) Man muß vor allem gut zwischen der Wirklichkeit der himmlischen Erhöhung des Gekreuzigten von Golgota, der in der Unversehrtheit seiner Person in die Herrlichkeit eingegangen ist, und dem Bild der Himmelfahrt Jesu unterscheiden. Dieses wurde den Jüngern als Erklärung und Hilfe angeboten, damit sie das Heilsgeheimnis der Verherrlichung des menschgewordenen Gottessohnes und des Eintritts eines Mitglieds der Menschheitsfamilie in die verborgene Welt der Gottheit besser verstehen. (Fs)

b) Die Reihe der Erscheinungen des Auferstandenen während vierzig Tagen endete zweifellos mit der Vision der Himmelfahrt Jesu vor den auserwählten Augenzeugen: "Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Blicken. Während sie unverwandt ihm nach zum Himmel emporschauten ..." (Apg 1,9.10). In dieser Erzählung wird beharrlich auf das Sehvermögen hingewiesen. (Fs)

Wir können auch nicht ausschließen, daß es mehr als eine wahrnehmbare Himmelfahrt gegeben hat, wenngleich das nicht die normale Art und Weise war, "ihren Blicken zu entschwinden" (vgl. Lk 24,31) und die österlichen Erscheinungen zu beenden. (Fs)

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c) Die Wirklichkeit der Erhöhung selbst und der Eintritt Christi in die göttliche Herrlichkeit sind nicht chronologisch festlegbar, ontologisch allerdings als mit dem Ereignis der Auferstehung verbunden zu betrachten. Besser gesagt, Auferstehung, Himmelfahrt und Geistsendung seitens des Auferstandenen und sogar die "Parusie", die die Geschichte beenden wird, sind Aspekte der "Herrlichkeit" Christi, die über die zeitliche Dimension hinaus bestehen und nicht in einer Reihenfolge zu sehen sind. (Fs) (notabene)

B) Theologischer Gehalt

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d) Die lateinische Soteriologie neigt dazu, Leiden und Tod Christi stärker zu gewichten als seine Auferstehung (die sozusagen mehr als persönlicher Sieg Christi und weniger als grundlegendes Ereignis der Erlösung verstanden wird), und die Auferstehung stärker als die Himmelfahrt Christi (die hier von ihrer Natur her eher als Vervollkommnung und schmückendes Beiwerk denn als substantielles Ereignis betrachtet wird). Das Neue Testament bietet uns eine etwas andere Perspektive. Hier spielt die Himmelfahrt eine entscheidende Rolle. In ihr bewahrheitet sich das einzige Opfer des Neuen Bundes (Brief an die Hebräer) in Ewigkeit, der "Heilskreis" schließt sich (Johannes), das Universum wird von der Gegenwart Christi erfüllt (Brief an die Kolosser), der Auferstandene übernimmt eine Herrschaft, die sogar die Engelwelt umfaßt (Petrusbrief). Durch die Himmelfahrt übertrifft das Königtum Christi auch das von David. Vor dem Universum wird seine Herrschaft als Messias über den Kosmos verkündet: "David ist nicht zum Himmel aufgestiegen ... Mit Gewißheit erkenne also das ganze Haus Israel: Gott hat ihn zum Herrn und Messias gemacht, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt" (vgl. Apg 2,34-36). (Fs)

C) Zeitlosigkeit des Ereignisses der Verherrlichung

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14. Eine letzte Überlegung, um einige Anstöße, die wir gegeben haben, noch besser zu erklären. (Fs)

Die in der Kirche gebräuchlichen Glaubensbekenntnisse scheinen die Ereignisse nach Jesu Tod als eine Theorie getrennter Tatsachen zu verstehen, die in einer festgelegten Reihenfolge geschehen sind: das Hinabsteigen in die Unterwelt, die Auferstehung, die Himmelfahrt, die Erhöhung zur Rechten des Vaters, die Wiederkunft Jesu Christi als Richter. Es handelt sich um eine Verknüpfung von Ereignissen, die die Reihe der Lebensabschnitte auf Erden (die Empfängnis, die Geburt, Leiden und Sterben) fortsetzt, ohne sie jedoch in reiner Kontinuität aufzulösen. (Fs)

99a Wenn wir uns ansehen, inwiefern die Verherrlichung des Auferstandenen nun in eine Art historischen Ablauf gebracht worden ist, so läßt sich dessen Vorhandensein in einem gewissen Sinn nicht bestreiten. Aber er wird im Neuen Testament mehr angedeutet als vertieft und weist unterschiedliche Formen und Bedeutungen auf. Er ist weniger wörtlich als vielmehr instrumenteil zu verstehen und wird nicht so sehr in der Absicht eingeführt, die "Geschichte" über den Tod Jesu hinaus fortzusetzen, sondern zu dem Zweck, möglichst vollständig die Bausteine jenes wunderbaren Ereignisses zusammenzufassen, das die Geschichte vollendet und erfüllt hat. Mit dem Übergang vom irdischen Zustand in die "Verherrlichung" ist alles vollbracht. Nichts mehr ist hinzuzufügen. Die Auferstehung ist bereits das Ende: Über die Geschichte hinaus gibt es keine Geschichte. (Fs) (notabene)

Dennoch ist es weder willkürlich noch unrechtmäßig, die Verherrlichung in die Form eines historischen Ablaufs zu kleiden. Es ist sogar notwendig. Denn es war die einzige Möglichkeit, die es konkret denkenden Menschen erlaubte, den Zustand des Auferstandenen in seinem Reichtum zu erfassen. Keine der damit verbundenen Tatsachen - das Hinabsteigen in die Unterwelt, die Himmelfahrt, die Erhöhung, die "Parusie" - darf man verschweigen, andernfalls entstellt man die Bedeutung des Zustandes in der Herrlichkeit. Diese Tatsachen sind alle Wirklichkeit. Was nicht der Wirklichkeit entspricht, ist ihr voneinander getrenntes Für-sich-Sein. Daß wir die Tatsachen voneinander scheiden, ist nur auf unser diskursives Denken zurückzuführen. Wenn es nicht analysiert, bringt es sich um seine Synthese. Es entstellt und verfälscht durch Vereinfachung die Komplexität seiner Gegenstände. (Fs)

99b Man kann sogar sagen, daß auch die Chronologie in gewisser Hinsicht wirklich ist: In der Erfahrung des leeren Grabes, den aufeinanderfolgenden Erscheinungen des Auferstandenen, seines Emporsteigens in den Himmel, im Pfingstereignis und in der "Parusie" zeigt sich das einzige Ereignis der "Verherrlichung" Christi in der Ordnung einer Reihenfolge, die das Gewebe der Menschheitsgeschichte durchzieht und zweifellos selbst geschichtlich ist. Aber man darf nicht vergessen, daß die Ereignisse zeitlich unterschiedene und geordnete Darstellungen einer einzigen und überzeitlichen Wirklichkeit sind. (Fs)

100a Es ist ein Mangel unserer theologischen Reflexion, daß sie die rein instrumentelle und darstellende Natur dieser Chronologie nicht genügend berücksichtigt hat. (Fs)

Man könnte als mildernde Umstände - aber ist es ein mildernder Umstand? - die geringe Aufmerksamkeit anführen, die die westliche Theologie bisher der Betrachtung dessen gewidmet hat, was auf den Opfertod von Golgota gefolgt ist, weil dieser praktisch als einziges Erlösungsereignis betrachtet wird. Die Verherrlichung Christi war selten Gegenstand eingehender Untersuchungen, so daß man die Ereignisse, die sein Leben in Herrlichkeit kennzeichnen, einfach akzeptierte und wiederholte, ohne die Quellen zu befragen und ohne allzu viel über ihr Verständnis nachzuforschen. (Fs)

100b Hilfreich ist daher eine eingehende und umfassende Untersuchung des Zustandes Jesu, der "zur Rechten des Vaters sitzt" (vgl. G. Biffi, Alla destra del Padre, Vita e pensiero, Mailand 1970, S. 16-18). (Fs)

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