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Autor: Biffi, Giacomo

Buch: Sehnsucht nach dem Heil

Titel: Sehnsucht nach dem Heil

Stichwort: Hinabgestiegen in das Reich des Todes 1; Daten der Offenbarung; Scheol

Kurzinhalt: Hier ist zu beachten, daß das Hinabsteigen Christi ganz anders zu deuten ist als der Hinabstieg, dem man in der Mythologie begegnet

Textausschnitt: Die Daten der Offenbarung

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3. Wir können jetzt rasch die Reihe der neutestamentlichen Hinweise prüfen, die uns interessieren dürften. (Fs)

a) Da ist vor allem das Logion Jesu aus dem Evangelium von Matthäus: "... so wird auch der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Innern der Erde sein" (Mt 12,40). Jona spricht in seinem Lied vom "Herz der Meere" (Jona 2,4). "Im Herzen" bedeutet in diesem Zusammenhang "im Innern", "im Schoß". "Im Innern der Erde" ist also das Erdinnerste, wo man den Aufenthaltsort der Verstorbenen vermutete. (Fs)

82a
b) Christus wird aus dem "Scheol" - als Unterwelt verstanden - durch die Auferstehung wieder "heraufgeführt": "Christus von den Toten heraufführen" (Röm 10,7), schreibt Paulus im Brief an die Römer, übereinstimmend mit dem Autor des Briefes an die Hebräer, wo es heißt: "Der Gott des Friedens aber, der Jesus, unseren Herrn, den erhabenen Hirten seiner Schafe, von den Toten heraufgeführt hat" (Hebr 13,20). (Fs)

c) Der Brief an die Epheser stellt die Himmelfahrt Christi seinem "Herabsteigen" entgegen: "Wenn er aber hinaufstieg, was bedeutet dies anderes, als daß er auch zur Erde herabstieg?" (Eph 4,9). Hier besteht jedoch eine Interpretationsschwierigkeit: Was bedeuten genau to katOtera merE tEs gEs? Wenn sie "unterirdische" Stätten sind, dann ist hier die Rede vom Hinabstieg in den "Scheol". Wenn ein unterhalb des Himmels gelegener Ort der Erde gemeint ist, dann handelt es sich um das "Herabsteigen" der Menschwerdung (die Bibelübersetzung der Italienischen Bischofskonferenz CEI lautet: "herabgestiegen auf die Erde"). (Fs)

d) Der christologische Hymnus des Briefes an die Philipper verkündet, daß Gott seinen Sohn erhöht hat, "damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihre Knie beugen vor dem Namen Jesu und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr" (Phil 2,10.11). Wie immer man sich diese Geschöpfe vorstellen mag, die aufgerufen sind, Christus anzubeten - der Sinn ist, daß Jesus durch seinen Gehorsam bis zum Tod die Herrschaft auch über die Unterwelt, d. h. den "Scheol", erlangt hat. (Fs)

e) Die interessantesten und problematischsten Zeugnisse werden uns vom 1. Petrusbrief in zwei getrennten Abschnitten geboten. (Fs)

82b Im 4. Kapitel wird bekräftigt, daß den Bewohnern des "Scheol" das Evangelium verkündet worden ist: Denn "sie werden vor dem Rechenschaft ablegen müssen, der schon bereit steht, um die Lebenden und die Toten zu richten" ... so "daß sie wie Menschen gerichtet werden im Fleisch, aber wie Gott das Leben haben im Geist" (1 Petr 4,5.6). (Fs)

82b Und im 3. Kapitel heißt es: "Denn auch Christus ist der Sünden wegen ein einziges Mal gestorben, er, der Gerechte, für die Ungerechten, um euch zu Gott hinzuführen; dem Fleisch nach wurde er getötet, dem Geist nach lebendig gemacht. So ist er auch zu den Geistern gegangen, die im Gefängnis waren, und hat ihnen gepredigt. Diese waren einst ungehorsam, als Gott in den Tagen Noachs geduldig wartete, während die Arche gebaut wurde; in ihr wurden nur wenige, nämlich acht Menschen, durch das Wasser gerettet" (1 Petr 3,18-20). (Fs)
83a Die Stelle ist schwer zu interpretieren, und wir überlassen sie der Kunst der Exegeten. Im wesentlichen scheint sie eine Erklärung der Heilsbotschaft zu sein, die für die damalige theologische Kultur eine uns unbekannte Bedeutung hatte und auf diejenigen hin gemünzt war, die zur Zeit des Osterereignisses der Erlösung schon vom Tod dahingerafft worden waren; auf diese Botschaft wird dann - wie wir gesehen haben - im nachfolgenden Kapitel hingewiesen. (Fs)

4. Die Religionsgeschichte, die nach rationalistischer Methode Vergleiche anstellt, wollte in diesem Teil der apostolischen Predigten eine Ableitung aus der griechischen oder orientalischen Mythologie sehen, in der der Held oder ein Gott in den Hades hinabsteigt. Hier ist zu beachten, daß das Hinabsteigen Christi ganz anders zu deuten ist als der Hinabstieg, dem man in der Mythologie begegnet. Christus geht, um die Erlösung anzukündigen und das Ende des Todesreiches auszurufen, während die mythischen Helden kämpfen, den Mächten der Hölle Tribut zahlen und oft zugrundegehen. Dennoch ist zu sagen, daß diese heidnischen Legenden eine tatsächliche Sehnsucht des Menschen nach Befreiung und nach dem Sieg über den Tod zum Ausdruck bringen. Die alten Kirchenväter bedienen sich manchmal dieser Bilder und ihrer Terminologie, um das Geheimnis des Erlösers anschaulich darzustellen. (Fs)

83b Das beste Beispiel ist hier der Hymnus des Synesius von Cyrene (Anfang 5. Jh.). (Fs)

Du stiegst hinab in die Unterwelt,
wo der Tod
über unzählige Generationen von Seelen herrscht.
Da schreckte der alte Beherrscher der Unterwelt zurück,
und sein strenger Wächter, der Menschenzermalmer,
wich von der Schwelle ...
Als du, Herr, hinabstiegst,
erzitterten vor dir die unzähligen Scharen der Dämonen,
die die Luft bevölkern.
Der unsterbliche Chor
der unverweslichen Sterne staunte,
und der lächelnde Äther, weiser Vater der Harmonie,
begleitete den Siegeshymnus
mit dem Klang der siebensaitigen Leier. (Fs)

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