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Autor: Biffi, Giacomo

Buch: Sehnsucht nach dem Heil

Titel: Sehnsucht nach dem Heil

Stichwort: Glaube - Vernunft; Merkmal des Glaubenskates: wesentlich vernünftig; V.: Aufstieg zum Glauben - Selbstwiderspruch

Kurzinhalt: Die Wirklichkeiten befinden sich sozusagen in einem Zustand, der eigentlich "unter ihrem Sein" liegt, weil sie den Loskauf abgelehnt haben, oder in einem Zustand, der eigentlich "über ihrem Sein" liegt, weil sie die Erneuerung des Geistes ...

Textausschnitt: E) Die Vernunft im Glaubensakt

36b An dieser Stelle ist es nützlich, im Licht unserer bisherigen Überlegung festzuhalten, welche Rolle die Vernunft im Glaubensleben des Menschen spielt. (Fs)

1. Die Vernunft ist ein Erkenntnisprinzip, das seine innere Gültigkeit hat, unabhängig von den Lebensumständen des Menschen: Sie hat eigene, universale und ewige Gesetze, die niemand widerrufen kann. Die Vernunft ist imstande, den Menschen als solchen in allen seinen Implikationen (als ihr höchstes Objekt) zu erreichen. Niemand kann rechtmäßig voraussetzen, daß von ihm verlangt wird, auf das vernünftige Denken zu verzichten, um zu glauben. (Fs)

2. Die Vernunft gehört als unerläßliches Grundelement zum Glaubensakt und ist die Voraussetzung für die homogene Entwicklung des Glaubensaktes, die das theologische Denken ist. Unfehlbares Merkmal des Glaubensaktes ist, daß er wesentlich vernünftig ist. (Fs)

37a
3. Weil der Mensch tatsächlich in Christus, dem Erlöser, erdacht und gewollt wurde, und weil tatsächlich alles im Heilsplan existiert, deshalb lebt und wirkt die menschliche Vernunft in einer Welt, wo das Wort Gottes, das "wahre Licht", tatsächlich "jeden Menschen erleuchtet", wenn auch nicht jeder Mensch dieses Licht aufnimmt (vgl. Joh 1,9). Die Wirklichkeiten befinden sich sozusagen in einem Zustand, der eigentlich "unter ihrem Sein" liegt, weil sie den Loskauf abgelehnt haben, oder in einem Zustand, der eigentlich "über ihrem Sein" liegt, weil sie die Erneuerung des Geistes angenommen haben. (Fs)

4. Wenn sich die Vernunft dem Licht des Wortes verschließt, schrumpft sie in einen Zustand der Unfähigkeit und Unangemessenheit gegenüber der tatsächlich existierenden Wirklichkeit. Indem sie ihrem Wesen widerspricht, wird sie "Finsternis". "Sie verfielen in ihrem Denken der Nichtigkeit, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert" (Röm 1,21), schreibt der Apostel Paulus über die großen Denker der Antike, die sich der Anbetung des wahren Gottes entzogen hatten. (Fs) (notabene)

5. Deshalb steht die Vernunft effektiv und von ihrem Wesen her vor der Wahl, entweder ins höhere Licht des Glaubens aufzusteigen (wo sie fortlebt und sich entfaltet) oder der eigenen Natur als ausreichendem Erkenntnisprinzip des Wirklichen zu widersprechen. (Fs) (notabene)
6. Es besteht also kein tatsächlicher Gegensatz zwischen Glaube und Vernunft. Ja, es besteht grundlegende Übereinstimmung. Der Glaube kann nicht ohne Vernunft bestehen. Genausowenig kann sich die Vernunft enfalten und angemessene Erkenntnis der jetzigen Wirklichkeiten werden, wenn sie sich nicht dem Licht der göttlichen Offenbarung und der inneren Erleuchtung durch die Gnade öffnet. (Fs)

7. Der einzige mögliche Gegensatz zur Vernunft ist sie selbst, wenn sie nicht über sich selbst hinauswachsen will und deshalb zur Selbstzerstörung wird. (Fs)

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