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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Papsttum; theologisch notwendige Entwicklung: Kanon der Heiligen Schrift, trinitarische Bekenntnisse - Bischofsamt vs, Gnosis; ein reiner "Episkopalismus": theologisch inkonsequent, praktisch unmöglich



Kurzinhalt: Ausbildung des Bischofsamtes am Ende des 1. und in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts in engstem Zusammenhang steht mit einer Reihe von anderen Entwicklungen und Fixierungen, die alle darauf hinauslaufen, daß ...

Textausschnitt: 233a
2. Nach dieser Vorbemerkung im ersten Schritt zunächst der Nachweis, daß das Bischofsamt, also die Letztverantwortung eines einzelnen Amtsträgers für die Ortskirche, keine bloß historisch-faktische, sondern eine theologisch notwendige und für die Kirche dauernd verbindliche Entwicklung ist. Als entscheidenden Grund dafür sehe ich an, daß die Ausbildung des Bischofsamtes am Ende des 1. und in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts in engstem Zusammenhang steht mit einer Reihe von anderen Entwicklungen und Fixierungen, die alle darauf hinauslaufen, daß sich die Kirche, um nicht in Gestaltlosigkeit zu zerfließen, auf Ordnungen, Strukturen und Formeln besinnt, die die Bedingungen ihrer geschichtlichen Dauer ausmachen. Dazu gehört die Grundstruktur der Liturgie, dazu gehören die (im wesentlichen identischen) trinitarischen Glaubensbekenntnisse, dazu gehört insbesondere die beginnende Festlegung und Fixierung des Kanons der heiligen Schriften des Neuen Testamentes, bzw. die Abgrenzung der echten Evangelien und sonstigen neutestamentlichen Schriften von den unechten ("apokryphen"). Dauert dieser Prozeß auch bei einigen Schriften (Hebräerbrief, Apokalypse) bis zum 4. Jahrhundert, so ist er doch für die meisten, vor allem für die Evangelien, schon im 2. Jahrhundert abgeschlossen. Gerade die Ausbildung des Bischofsamtes und des Kanons der Heiligen Schrift sind jedoch engstens miteinander verzahnt; im Grunde handelt es sich bei ihnen um zwei Seiten ein und derselben Grundentscheidung. In beiden Fällen geht es darum, gegen häretische Richtungen (vor allem der sog. "Gnosis")) die sich auf "Geheimtraditionen" oder esoterische "Erfahrungen" berufen, die verbindliche und wahre "Tradition" festzulegen, die öffentlich zugänglich und auch für den einfachen Christen erkennbar und nachprüfbar ist: in den anerkannten Schriften des Neuen Testamentes, im Bischofsamt als lebendigem Garanten und Wächter der Überlieferung, von den Aposteln aus in Handauflegung weitergegeben. Ist das eine konstitutiv für die Kirche, dann auch das andere; ist im einen die Kirche vom Heiligen Geist geleitet (wie der ganze bekenntnisgläubige Protestantismus voraussetzt), dann auch im andern. Dazu sind beide Prozesse viel zu sehr miteinander verzahnt und bilden gleichsam zwei Seiten derselben Medaille: Heilige Schrift und Bischofsamt, gleichsam ein Buch (besser: eine Büchersammlung) und lebendige Personen als Fixpunkte und Garanten der Überlieferung. Es ist die Urkunde und die lebendige Autorität, die diese auslegt. Beide allein wären unvollständig; mehr noch: beide allein (die Heilige Schrift ohne lebendiges Lehramt oder ein Lehramt ohne Bindung an die Schrift) würden zu Instanzen der Willkür. (Fs) (notabene)

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3. Damit sind wir bei der bleibenden Notwendigkeit des Bischofsamtes für die Kirche. Diese Notwendigkeit erkennen mit uns alle "Episkopalkirchen" an, d.h. die Orthodoxen, Anglikaner und auch die nordeuropäischen Lutheraner. Die weitere Argumentation will aufzeigen, daß ein reiner "Episkopalismus" theologisch inkonsequent und praktisch unmöglich ist:
234b Er ist theologisch inkonsequent. Denn wenn die Ortskirche im Bischof ein Zentrum ihrer Einheit, ja den Stellvertreter Christi hat, der der Gemeinde gegenüber noch einmal (so sehr er zunächst in der Gemeinde steht) die Vollmacht Christi vertritt, dann ist nicht einzusehen, wieso die universale Kirche, die weltweite "Communio ecclesiarum" nicht auch ein "Centrum unitatis" hat, das ähnlich in der Vollmacht Christi handelt. Andernfalls wäre die "universale" Kirche nur die Summe von Einzel-(Orts)-Kirchen. Sie wäre im Grunde keine theologische Größe. Eine solche Hypostasierung der "Ortskirche" ist jedoch heute im Zeichen weltweiter Vernetzung und Kommunikation erst recht unvollziehbar. Was ist denn dieser "Ort"? In der Antike war es die Stadt (Polis, Civitas) als überschaubare Lebenswelt, als klar abgegrenzte Kommunikationseinheit. Schon die "Diözese" ist keine ursprüngliche "Ortskirche" mehr; sie erscheint dem normalen Christen mehr als Verwaltungseinheit. "Ort" ist ein sehr relativer Begriff, erst recht im Zeichen von Telephon, Fax und Internet. Kurz: Wenn die "Ortskirche" ein persönliches Einheitszentrum hat, mit verbindlichen Vollmachten ausgestattet, dann ist es inkonsequent, wenn die Universalkirche ein solches nicht besitzt. Was immer man gegen ein solches einwenden mag, könnte man auch gegen die Autorität des Bischofs anführen, ja mit erhöhtem Recht dann, wenn dieser keine höhere Autorität über sich hat. (Fs)

235a Ein reiner Episkopalismus im Sinne der Autonomie jedes Einzelbischofs ist auch praktisch unmöglich. Schon im 4. Jahrhundert zeigte sich, daß er nicht mehr möglich war und daß es hier nur folgende Alternativen gab: entweder Rom als Einheitsinstanz - oder kaiserliche Kirchenherrschaft - oder die Autonomie (Autokephalie) bestimmter Regionalkirchen (Patriarchate), wobei dann meist doch die kaiserliche Kirchenherrschaft das letzte Dach bildete.1 Faktisch gibt es auch fast nirgends einen reinen Episkopalismus ohne verbindliche Instanz über den Einzelbischof hinaus. Es gibt Patriarchalkirchen, National- oder Landeskirchen, die alle überbischöfliche Strukturen, aber eben nicht universalkirchlicher Art, kennen. (Fs) (notabene)

235b Letzten Endes liegt der theologische Sinn des Petrusamtes darin, daß es Garant und Zeichen der Verbindlichkeit des Wortes Gottes ist. In der äußeren Instanz, die mir unverwechselbar gegenübertritt, der ich nicht ausweichen und die ich nicht nach meinem Belieben gegen andere austauschen kann, wird deutlich, daß ich das Wort Gottes nicht nach meinen Bedürfnissen zurechtbiegen kann. Eine solche Autorität, wenn sie für die Gesamtkirche spricht, muß nun zwei Linien repräsentieren und vereinigen: die (zeitliche) Vertikale und die (räumliche) Horizontale, den Ursprung und die Verbindung mit den Aposteln über die Gegenwart hinaus, und die Universalität über regionale Eingrenzungen hinaus. Gerade das Petrusamt, auf Petrus und die römische Petrustradition (dazu aber auch noch auf Paulus als den universalen Völkerapostel) gegründet, ist die Verbindung beider Linien: des Apostolischen und des Universalen. (Fs)

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