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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Papsttum; Anfänge (drei Stufen); Mt 16,18 f.: Ideologisierung einer faktischen historischen Entwicklung?; altkirchliche "Communio ecclesiarum": sichtbare und feststellbare Gemeinschaft im Bekenntnis des einen Glaubens



Kurzinhalt: Der Primat hat seine Geschichte. Er war nicht von Anfang an "fertig da", sondern allenfalls embryonal, keimhaft. Er hat sich im wesentlichen bis zum 4-/5. Jahrhundert durch folgende Anfangsstufen herauskristallisiert.

Textausschnitt: 231a Der Primat hat seine Geschichte. Er war nicht von Anfang an "fertig da", sondern allenfalls embryonal, keimhaft. Er hat sich im wesentlichen bis zum 4-/5. Jahrhundert durch folgende Anfangsstufen herauskristallisiert1: Am Anfang steht eine allgemeine religiös-geistliche Bedeutsamkeit der römischen Kirche, verbunden mit einer erhöhten brüderlichen Verantwortung der römischen Kirche für andere Kirchen, nicht nur materiell-caritativ, sondern vor allem auch geistlich, freilich noch nicht verbunden mit juridisch faßbaren Rechten. Die zweite Stufe, etwa seit Ende des 2. Jahrhunderts feststellbar, ist Rom als Ort privilegierter Tradition (Parádosis): ihre Überlieferung hat im Zweifel besonderes Gewicht. Die dritte Stufe, die im 3. Jahrhundert langsam beginnt und im 4. und 5. deutlichere Gestalt annimmt, heißt: Rom ist Zentrum der kirchlichen "Communio". Bei tiefgreifenden Spaltungen, zumal dann, wenn auch das Bischofskollegium zerrissen ist und Bischöfe sich gegenseitig exkommunizieren, kommt es darauf an, mit Rom Gemeinschaft zu haben. Die Frage stellt sich natürlich: Wieweit ist diese historische Entwicklung notwendig? Sie stellt sich umso mehr, als das besondere Ansehen der römischen Gemeinde zwar, soweit wir blicken können, auf den Aposteln Petrus und Paulus und der Präsenz ihrer Gräber in Rom beruht, eine ausdrückliche Berufung der römischen Bischöfe auf die Petrus-Nachfolge im Sinne von Mt 16,18 f. jedoch erst nachträglich und relativ spät faßbar ist, am frühesten um die Mitte des 3. Jahrhunderts, deutlicher erst im 4. und 5. Jahrhundert. Der Einwand liegt nahe und wird oft genug erhoben, daß es sich somit um eine Ideologisierung einer faktischen historischen Entwicklung handele, die daher nicht für die ganze Kirche verbindlich sei und auch wieder rückgängig gemacht werden könne. Weshalb also ist diese Entwicklung zum Primat hin theologisch notwendig? Dies soll in drei Schritten belegt werden: (Fs) (notabene)
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1. Wenn üblicherweise immer wieder betont wird, die Kirche der ersten Jahrhunderte sei eine Communio gleichberechtigter Kirchen ohne Unterordnung gewesen, dann ist dies nur halb wahr, bzw. es wird dann leicht aus modern-liberaler Perspektive in diese "Communio" etwas hineingelesen, was ihr fremd ist: das im Grunde unverbindliche Nebeneinander, die "Autonomie". Die Vorstellung, daß auch in wesentlichen Fragen des Glaubens und der Kirchenordnung jede Kirche ihren eigenen Weg geht, widerspricht dem Grundprinzip altkirchlicher "Communio". Diese ist vielmehr eine höchst fordernde und verbindliche Wirklichkeit. Dazu gehört, daß Glaubensentscheidungen anderer Kirchen übernommen werden, daß Häretiker, die in bestimmten Kirchen verurteilt und ausgeschlossen wurden, nicht anderswo aufgenommen werden. Es ist wahr: feste Strukturen dieser "Communio" bilden sich erst langsam heraus. "Communio" ist aber nie "Autonomie". Zu ihr gehört immer schon die Dynamik zum Konkreten, Verbindlichen, auch schließlich zu festeren Strukturen, um über die Einzelkirche hinaus die gemeinsame Überlieferung festzustellen: Konzilien (zunächst regionaler Art), ferner "apostolische" Kirchen, die einen besonderen Rang für die Glaubensüberlieferung haben. Wenn man das Wesen der altkirchlichen "Communio ecclesiarum" nur im Negativen festmacht (etwa im Fehlen einer "Überordnung" Roms im späteren Sinne), verfehlt man gerade ihren tiefsten Sinn: nämlich die sichtbare und feststellbare Gemeinschaft im Bekenntnis des einen Glaubens und in den Sakramenten, vor allem der Eucharistie. (Fs) (notabene)

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