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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Maria - mariologische Hauptdogmen; Mitwirkung am Heilsgeschehen, Mittlerin der Gnade; Newman; Leugnung der Mitwirkung im Heilsprozess: Protestantismus (Luther) , Ursprung der Feministischen Theologie (Feminismus)

Kurzinhalt: Die "Einzigkeit der Mittlerschaft des Erlösers" schließt "im geschöpflichen Bereich eine unterschiedliche Teilnahme an der einzigen Quelle in der Mitwirkung nicht aus, sondern erweckt sie" ... Von daher erklärt sich als Reaktion der gewaltige Einfluß ...

Textausschnitt: II. Die prägende Rolle der mariologischen Hauptdogmen

214a Die prägende Aufgabe Mariens als Urbild und Fülle des katholischen Glaubens sei nun konkretisiert anhand der vier mariologischen Hauptdogmen: Gottesmutterschaft, Jungfräulichkeit, Unbefleckte Empfängnis und leibliche Aufnahme in den Himmel. Eingefügt seien dabei zwei weitere zentrale Perspektiven, die Mitwirkung bei der Erlösung und die Gnadenmittlerschaft. (Fs)

1. Die Mitwirkung Marias im Heilsgeschehen als Mutter Gottes und Mittlerin der Gnade

214b Die Bedeutung des Titels der Gottesmutter hat einmal sehr schön Anfang der 50er Jahre der evangelische Landesbischof Wilhelm Stählin hervorgehoben, zusammen mit Kardinal Jaeger einer der Initiatoren der Ökumenischen Gespräche in Deutschland1: Das Interesse für Maria, so Stählin, schwanke "je nach dem Ernst, mit dem die Menschwerdung geglaubt wird oder entleert wird zu einem Auftauchen erhabener Ideen. Ideen haben vielleicht Väter, aber sie haben keine Mütter. Das Fleisch gewordene Wort, welches eben keine Idee ist, sondern der inkarnierte göttliche Logos, hat eine Mutter."2 (Fs)

215a Wo der Glaube an die Menschwerdung Gottes lebendig ist, bekommt auch die Gottesmutter ihren angemessenen Platz im Leben der Kirche. Und umgekehrt: wo Maria verschwindet, verliert sich auch der Glaube an ihren göttlichen Sohn. Marienverehrung ist keine Konkurrenz für die Anbetung Christi, wie gerade im protestantischen Bereich oft gemutmaßt wird. John Henry Newman wies schon im letzten Jahrhundert auf die Tatsache hin, "daß es nicht die religiösen Gemeinschaften mit einer betonten Marienverehrung sind, die aufgehört haben, ihren Sohn anzubeten, sondern gerade die Gemeinschaften, die auf ihre Verehrung verzichtet haben ..."3 In der Tat ist die Leugnung der Gottheit Christi seit langem typisch für den liberalen Teil des Protestantismus, selbst wenn man leider hinzufügen muß, daß es heute auch an gleichgestimmten Theologen katholischen Ursprungs nicht mangelt. Aber auch dort ist der Ausfall der Marienverehrung symptomatisch. (Fs)

Die Gottesmutterschaft Mariens ist nicht auf das Verhältnis zu Jesus Christus selbst zu reduzieren, sondern verlängert sich gleichsam in analogem Sinne auf alle Christgläubigen. Das Konzil betont mit Augustinus: Maria ist auch "Mutter der Glieder Christi, ... denn sie hat in Liebe mitgewirkt, daß die Gläubigen in der Kirche geboren würden, die dieses Hauptes Glieder sind".4 Maria ist nicht nur Mutter Christi im physischen Sinne, sondern auch Mutter der Glieder Christi in der Ordnung der Gnade.5
215b Diese mütterliche Aufgabe Mariens stützt sich auf die einzige Mittlerschaft Christi6, die sie nicht verdunkelt, sondern zur Geltung bringt. "Jeder heilsame Einfluß der seligen Jungfrau auf die Menschen", so das Konzil, "kommt nämlich nicht aus irgendeiner sachlichen Notwendigkeit, sondern aus dem Wohlgefallen Gottes und fließt aus dem Überfluß der Verdienste Christi, stützt sich auf seine Mittlerschaft, hängt von ihr vollständig ab und schöpft aus ihr seine ganze Wirkkraft."7 Die "Einzigkeit der Mittlerschaft des Erlösers" schließt "im geschöpflichen Bereich eine unterschiedliche Teilnahme an der einzigen Quelle in der Mitwirkung nicht aus, sondern erweckt sie".8

216a Die vom Konzil betonte Mitwirkung Mariens bei der Vermittlung der Gnaden ist ein kritisches Korrektiv für ein fragwürdiges Menschenbild, das durch die lutherische Rechtfertigungslehre im evangelischen Raum immer noch nachwirkt.9 "Allein Gott", "allein die Gnade" hatte Luther betont und dadurch die Integration des menschlichen Beitrages bei der Rechtfertigung zurückgedrängt. Maria dagegen ist ein lebendiges Zeichen für die Mitwirkung des Menschen im Heilsprozeß. Oder, wie es die Konvertitin Gertrud von le Fort betont: "... das marianische Dogma bedeutet, auf eine kurze Formel gebracht, die Lehre von der Mitwirkung der Kreatur bei der Erlösung".10 (Fs) (notabene)

216b Die Leugnung der geschöpflichen Mitwirkung im Heilsprozeß durch die Reformatoren steht indirekt auch mit am Ursprung der Feministischen Theologie.11 Durch die Reduzierung der Mariengestalt ist die religiöse Symbolwelt des Protestantismus fast exklusiv vermännlicht worden; das weibliche Moment wurde weitgehend ausgeschaltet. Von daher erklärt sich als Reaktion der gewaltige Einfluß des theologischen Feminismus im protestantischen Raum. Aber auch hier werden im Grunde die alten reformatorischen Muster weitergeführt: Anstatt die Mitwirkung des Geschöpfes in der Gestalt der Gottesmutter zu werten, wird die "Mütterlichkeit Gottes" in den Vordergrund gestellt oder gar die "Große Göttin" beschworen. Für die genuin katholische Glaubenswelt ist dagegen Maria nicht zunächst Symbol der "Mütterlichkeit" Gottes, sondern die menschliche Mutter Gottes in ihrer Mitwirkung beim Heilsgeschehen. (Fs) (notabene)

217a Die Gnadenmittlerschaft Mariens stützt sich auf die Wirksamkeit der Gottesmutter als "Gefährtin des Erlösers", wie das Konzil es formuliert. "Indem sie Christus empfing, gebar und nährte, im Tempel dem Vater darstellte und mit ihrem am Kreuz sterbenden Sohn litt, hat sie beim Werk des Erlösers in durchaus einzigartiger Weise in Gehorsam, Glaube, Hoffnung und brennender Liebe mitgewirkt zur Wiederherstellung des übernatürlichen Lebens der Seelen. Deshalb ist sie uns in der Ordnung der Gnade Mutter."12

217b Die Mutterschaft Mariens spiegelt sich wider in der Tatsache, daß auch die Kirche selbst "Mutter" genannt wird. "Durch Predigt und Taufe nämlich gebiert sie die vom Heiligen Geist empfangenen und aus Gott geborenen Kinder zum neuen und unsterblichen Leben."13 Jeder einzelne Christ trägt durch sein Wirken dazu bei, daß Christus in dieser Welt gleichsam Gestalt annimmt. (Fs)

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