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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Eucharistie, Opfer, Realpräsenz; Konzil von Trient (wahres Opfer); Jesus am Kreuz "ein für allemal": Vergegenwärtigung (katholisch) - Erinnerung (protestantisch); priesterlose Gottesdienste; Opferbewegung, "Ganzchristus"


Kurzinhalt: Deshalb kann auch die Eucharistie nur dann reines, heiliges, lebendiges, Gott wohlgefälliges Opfer ... sein, wenn sie dieses Opfer Christi ist. Da Jesus am Kreuz "ein für allemal" das Opfer dargebracht hat, kann die Eucharistie keine Wiederholung des ...

Textausschnitt: 191a Zwei wesentliche Momente müssen noch besonders hervorgehoben werden, nämlich die Eucharistie als Opfer und Realpräsenz. Was ist ein Opfer? Beim Opfer, einer religionsgeschichtlich weit verbreiteten religiösen Handlung, werden z.B. das erste Junge eines Tieres oder die ersten Früchte der Ernte geschlachtet bzw. verbrannt - entweder ganz (= ein Holokaustum, ein Ganzopfer bzw. Brandopfer) oder nur partiell, d.h. nur ein Teil wurde verbrannt und der andere als Zeichen für die Huld Gottes dem Volk gegeben. Das Opfer ist also ein realsymbolischer Akt, in dem zum Zeichen der inneren Hingabe ein innerweltlich, für das natürliche Leben brauchbarer und sogar notwendiger Gegenstand dem natürlichen Gebrauch entzogen wird, um dadurch zum Ausdruck zu bringen, daß die Huld und die Gemeinschaft mit Gott oder die Vergebung der Schuld wichtiger ist als der irdische Nutzen, den man sich im allgemeinen von diesen Gegenständen erwartet. So ist das Opfer mehr als ein inneres Gebet, es ist eine Gebetshandlung, bei dem der ganze Mensch, mit Leib und Seele und seinem Besitz und Erwerbsstreben mit einbezogen ist. (Fs; tblStw: Opfer) (notabene)

191b Entscheidend ist bei diesem Geschehen letztlich die innere Einstellung, die Liebe, das Kreaturgefühl als bittender Ausdruck der totalen Abhängigkeit vom Schöpfer oder das Schuldgefühl. So kann das Opfer ein Bitt-, ein Dank-, ein Lob- oder ein Sühnopfer sein. Die Gefahr des Opfers ist die Veräußerlichung, wenn die entsprechende innere Einstellung fehlt. Das ist der Fall, wenn die Meinung aufkommt, Gott bedürfe der Opfergabe und der Mensch könne durch seine Leistung Gott versöhnen, oder wenn statt gesunder Tiere, des Ersten und Besten, kranke und hinkende geopfert wurden, die man sonst nicht mehr brauchen konnte oder vielleicht bald krepiert wären, oder wenn einerseits große Opfergaben dargebracht, aber andererseits die Mitmenschen ausgebeutet werden. Dagegen richtet sich die oft sehr strenge Opferkritik der Propheten. Sie bringen eindringlich zu Bewußtsein: Mit Ausschußware könne man auch vor keinen irdischen König hintreten, Barmherzigkeit, d.h. soziale Einstellung, sei besser als Opfer und Gott sei der bedürfnislose Schöpfer1. Trotz scharfer Formulierungen ist die Opferkritik nicht grundsätzlicher Art, vielmehr wird für die Endzeit ein neues Opfer angekündigt. (Fs)

192a Dieses neue Opfer ist die Selbsthingabe Jesu Christi am Kreuz. Der Opfertod ist einmal ausgesagt in den Einsetzungsberichten: "Das ist mein Fleisch für euch" (1 Kor 11,24; vgl. Lk 22,19). Das Kelchwort: "Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird" - so Mk 14,24 und Mt 26,28 - knüpft an Ex 24,8 ("Das ist das Blut des Bundes"), d.h. an die Besiegelung des Bundes mit einem Opfer, an. Paulus (1 Kor 11,25) und Lk 22,20 überliefern dagegen die Wendung: "der Neue Bund in meinem Blut". Sie betonen - wohl in Rückgriff auf Jer 31,31 - die Neuheit dieses mit dem Opferblut besiegelten Bundes. Auf den Opfercharakter des Todes Jesu weisen noch Mk 10,45 ("Leben hingeben als Lösepreis für viele") die gesamten Paulusbriefe, ebenso 1 Tim 2,6 ("der sich als Lösegeld hingegeben hat für alle"), Offb 1,5; 5,6.9; 1 Petr 2,24; 1 Joh 2,2 und vor allem der Hebräerbrief (8,6.10ff; 9,11-17.25-28; 10,4-14) hin, der das einzigartige und vollendete Priestertum Jesu Christi herausstellt. In der Hingabe seines Lebens ist Jesus Christus Priester und Opfergabe zugleich, wobei das Opfer nicht durch das Übermaß an Leiden vollendet wird, sondern durch seinen auch im Leiden bewährten Gehorsam (vgl. Phil 2,8; Hebr 5,8). (Fs)

193a Der Sühne- und Opfercharakter des Todes Jesu ist eine allgemeine Lehre des Neuen Testaments und kann von daher nicht bestritten werden. Die Frage, die besonders seitens der reformatorischen Theologie gestellt wird, lautet jedoch, ob es nach dem Tod Jesu noch ein weiteres eigenständiges Opfer geben und deshalb vom eucharistischen Opfer gesprochen werden könne. Jesu Tod ist nicht nur gradmäßig mehr oder stärker als die alttestamentlichen Opfer, sondern ist das Opfer schlechthin, das deshalb einen neuen und ewigen Bund begründet. Jesus muß nicht "Tag für Tag" wie der jüdische Hohepriester für die eigenen und des Volkes Sünden Opfer darbringen. Er hat das Opfer "ein für allemal (dargebracht), als er sich selbst dargebracht hat" (Hebr 7,27; vgl. 10,10.12.14,18; 1 Petr 3,18). Da das Kreuzesopfer "ein für allemal" wirkt, "gibt es kein Sündopfer mehr". Wenn nun die Eucharistie, so die Argumentation der Reformatoren, ein wahres Opfer im eigentlichen Sinn wäre und nicht nur eine Erinnerung an das universale Opfer Christi, würde die allgemeine Wirksamkeit des Kreuzesopfers Christi eingeschränkt werden. Demgegenüber unterstreicht das Konzil von Trient die traditionelle Lehre der Kirche, daß "in der Messe Gott (ein) wahres und eigentliches Opfer dargebracht werde" und die Opferhandlung nicht auf ein reines Mahlgeschehen reduziert werden dürfe (vgl. DH 1751; 1743). (Fs)

193b Der Opfercharakter der hl. Messe ergibt sich schon aus den erwähnten Einsetzungsberichten des Neuen Testaments und aus 1 Kor 10,18ff, einer Passage mit opfertheologischem Kontext. Bei dem Satz: "Ihr könnt nicht teilhaben am Tisch des Herrn und am Tisch der Dämonen" meint Tisch einen Altar, wie auch bei Mal 1,7-14: "Ihr bringt auf meinem Altar eklige Speisen dar ... ihr sagt: Der Tisch des Herrn ist nicht so wichtig ... Auf dem Tisch des Herrn darf man eklige Speisen darbringen ... ihr bringt von geraubten Tieren die lahmen und kranken als Opfer dar" (vgl. DH 1742). Dieser Opfercharakter der Eucharistie ist von Anfang an bei den Kirchenvätern zu fassen.2

194a Ohne die geschichtliche Linie weiter zu verfolgen, sei nun eine systematische Zusammenfassung gegeben: Das einzig vollkommene Opfer ist nur das Opfer Jesu Christi am Kreuz; sündige Menschen können nie dieses reine Opfer darbringen. Deshalb kann auch die Eucharistie nur dann reines, heiliges, lebendiges, Gott wohlgefälliges Opfer - so die Hochgebete der hl. Messe - sein, wenn sie dieses Opfer Christi ist. Da Jesus am Kreuz "ein für allemal" das Opfer dargebracht hat, kann die Eucharistie keine Wiederholung des Kreuzesopfers sein, sondern nur seine Vergegenwärtigung, aber - und das ist sogleich anzufügen - eine wirklichkeitserfüllte Vergegenwärtigung und nicht eine der bloßen Erinnerung, etwa nach Art eines Passionsspiels. In der Eucharistie bringt daher die Kirche dem Vater das vergegenwärtigte Kreuzesopfer des Sohnes in unblutiger Weise dar, aber dieses Darbringen ist ein echtes Opfer und ein vollkommenes Opfer wegen der Vollkommenheit der Opfergabe, die Christi Fleisch und Blut ist. (Fs) (notabene)

194b Hier stellt sich nun, nicht zuletzt in Hinblick auf die priesterlosen Sonntagsgottesdienste, die Frage, warum so großes Gewicht auf den Opferteil gelegt werden soll. Genügt angesichts der Priesternot nicht der Empfang des am Kreuz hingegebenen Leibes in der Kommunion? M.a.W: Soll man nicht doch auswärts eine hl. Messe besuchen? Ist schließlich das Fehlen des Opfercharakters beim Abendmahl der Reformatoren ein so gravierender Unterschied?

195a Zu diesen Fragen sei in aller Kürze gesagt, daß die Realpräsenz, d.h. die volle Gegenwart Christi in den eucharistischen Gestalten, nicht nur in Hinblick auf den gläubigen Empfang bei der Kommunion wichtig ist, sondern ebenso und noch mehr in Hinblick auf die Vergegenwärtigung des vollkommenen Opfers an den Vater. Wäre Christus nicht gegenwärtig, würde dem Vater kein vollkommenes Opfer in totaler Hingabe, sondern nur etwas Geschöpfliches dargebracht. Nur aufgrund der Realpräsenz kann "in Ihm und mit Ihm und in Ihm" dem Vater "alle Herrlichkeit und Ehre" zuteil werden, jetzt so wie in der Ewigkeit. Die Gemeinde kann sich in die Opferbewegung mit Christus hineinbegeben und es mitvollziehen. Es ist nicht nur Christus allein, sondern der "Ganzchristus", d.h. das Haupt mit seinem Leib, das sich dem Vater hingibt. (Fs) (notabene)

195b Wer dagegen von der reformatorischen Voraussetzung ausgeht, daß der Mensch durch die Ursünde durch und durch verderbt ist und auch durch die Taufe nicht neu geschaffen werden kann, daß er sich nur passiv der stellvertretenden Sühne Christi vergewissern kann, kann auch die Möglichkeit einer inneren Bewegung mit Christus zum Vater hin nicht für realisierbar halten. Der Mensch bleibt deshalb in einer inneren Distanz zum Kreuzesgeschehen. Das Abendmahl ist letztlich nur ein Sakrament der Sündenvergebung. (Fs)

195c Dabei ist nun folgende katholisch-reformatorische Differenz interessant: Auch nach katholischer Auffassung hat die Eucharistie als Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers mit der Sündenvergebung zu tun, aber nicht unmittelbar; vielmehr wird durch das eucharistische Opfer die Gnade der Bekehrung und zum Empfang des Bußsakraments erwirkt. So lehrt das Konzil von Trient: "Durch seine (= des Sühnopfers) Darbringung versöhnt, gewährt der Herr nämlich Gnade und das Geschenk der Buße und vergibt auch noch so große Vergehen und Sünden" (DH 1743). Nach Nikolaus Kabasilas (+ um 1391) "verleiht als einzige Einweihung die Eucharistie den anderen Mysterien, daß diese vollkommen seien. Sie hilft ihnen, da sie ohne die Eucharistie, ohne selber eingeweiht zu werden, gar nicht einzuweihen vermochten"3. Verallgemeinert besagt dies: Die Sakramente dienen nicht gleicherweise der Sündenvergebung, sondern sind einander organisch zugeordnet. Obwohl bei allen Sakramenten Christus der zwar unsichtbare, aber eigentliche Spender ist - ex opere operato -, ist die Eucharistie aufgrund der inneren Einheit von Haupt und Gliedern die höchste Form der Gottesverehrung, ist Sühne und Bitte, deren Wirkung die Empfänger der übrigen Sakramente zum innerlichen Empfang disponiert. Insofern ist das eucharistische Opfer Quelle der Wirkmöglichkeit jeden Sakraments. So bekommen z.B. auch die Krankensalbung und die Ehe die Kraft zum lebendigen Vollzug von der Eucharistie, und zwar nicht nur aufgrund der Einübung der Hingabe beim Mitvollzug des Opfers, sondern durch die Vergegenwärtigung der von Christus und seiner Kirche erwirkten Gnade. Fehlt das Opfer oder wird es zuwenig verstanden, fehlt das Bewußtsein von der Priorität der in einer aktiven Empfänglichkeit aufzunehmenden Gnade und von der Möglichkeit des Mitwirkens, und besteht die Gefahr der Verflachung und Veräußerlichung der Kommunion zu einem passiven und einseitigen Empfangsgeschehen, weil gleichsam der Dialog zwischen Darbringung und Empfang fehlt. Auf alle Fälle: Der Höhepunkt im Leben Jesu ist nach allen Evangelien seine Passion. Wenn "Gott die Welt so sehr geliebt (hat), daß er seinen einzigen Sohn hingab" (Joh 3,16) und "seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern für uns alle hingegeben" hat und uns deshalb "alles schenken" (Rom 8,32) wird (auch das ewige Leben), wenn der Gedanke des Füreinanders der Glieder des Leibes Christi im stellvertretenden Leiden des Hauptes ihren Ursprung hat, dann ist es zweifellos ein großes Defizit, wenn das wirklichkeitserfüllte Gedächtnis des Leidens Christi nicht vergegenwärtigt wird. Dieses ist der eigentliche Höhepunkt und die eigentliche Quelle des ganzen christlichen Lebens. Aber auch folgender Aspekt fällt ins Gewicht: Wenn das Opfer der Kirche dadurch vollkommen wird, daß sie das vollkommene Opfer Christi darbringt, und das Priestertum der Gläubigen vor allem darin besteht, daß sie "kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mitwirken" (LG 10), ist ohne diese eucharistische Darbringung auch das königliche Priestertum ihrer eigentlichen Wirkmöglichkeit beraubt und verliert ihre Mitte. (Fs)

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