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Autor: Hrsg. Brandmüller, Walter; Scheffczyk, Leo; Lochbrunner, Manfred

Buch: Das eigentlich Katholische

Titel: Das eigentlich Katholische

Stichwort: Strkuturen katholischen Glaubens 3 - ekklesial-sakramentale Struktur; Christus, Fülle -> Kirche (Paulus);
Leib Christi, geistiger Leib - Sichtbarkeit; Ursakrament (Christus, Ganzsakrament (Kirche); "anima ecclesiastica"; Amt, Hierarchie

Kurzinhalt: Die Einheit von Unsichtbar-Gnadenhaftem und Sichtbarem in der Kirche führte nun aber dazu, die Kirche selbst sakramental zu verstehen und dies in Entsprechung zum Gottmenschen Jesus Christus selbst, der in der Einheit von Gottheit und Menschheit als ...

Textausschnitt: IV. Die ekklesial-sakramentale Struktur

24b Es ist der Glaube der Kirche, daß die im Gottmenschen der Welt geschenkte Fülle in die Kirche eingegangen ist. Dieselben paulinischen Aussagen, die von der in Christus erbrachten Fülle sprechen (so Eph 1,10; Kol 1,20), schreiten zu der Folgerung weiter, daß diese Fülle in die Kirche eingegangen ist, denn "sie ist sein Leib und wird von ihm erfüllt, der das All ganz und gar beherrscht" (Eph 1,23). Dabei herrschte auch die unangefochtene Überzeugung vor, daß diese einzige Kirche Christi, die seinen Leib bildet und dessen Haupt Er ist, die katholische Kirche ist, was heute auch schon mit Bezug auf die Formel von "Lumen Gentium" (8) bestritten wird, so daß "Kirche Christi" und "Katholische Kirche" auseinandertreten.1 Freilich bedeutet eine Preisgabe dieser Identität die Verleugnung des Katholischen im Sinne der von Christus kommenden Ganzheit und Fülle überhaupt. (Fs)

25a Das Festhalten an dieser Identität aber begründet das einzigartige Geheimnis der Kirche, das der hl. Paulus in der Leib-Christi-Vorstellung konkretisiert (vgl. 1 Kor 12,12-27; Rom 12,4f.). Die christliche Tradition hat daraufhin unter dem Eindruck dieses Geheimnisses (mit Augustin) von der Kirche als von einem "totus Christus, caput et membra" gesprochen oder mit Bossuet vom "Christ repandu", vom Großchristus, von dem aus dem Haupt und den menschlich-personalen Gliedern gebildeten Leib. (Fs)

25b Natürlich verstand der Glaube diesen Leib nicht als einen materiell-physischen, sondern als einen geistigen Leib, dem aber durchaus äußere Sichtbarkeit und geschichtliche Greifbarkeit zukam. Diese Sichtbarkeit gründet nicht zuletzt auf dem gemeinsamen Bekenntnis und auf der in der Liebe zutage tretenden Communio, der Gemeinschaft der Heiligen, die aber niemals rein horizontal, sondern vor allem auch vertikal verstanden werden muß. Die Einheit von Unsichtbar-Gnadenhaftem und Sichtbarem in der Kirche führte nun aber dazu, die Kirche selbst sakramental zu verstehen und dies in Entsprechung zum Gottmenschen Jesus Christus selbst, der in der Einheit von Gottheit und Menschheit als das "Ursakrament" zu verstehen ist, aus dem heraus sich die Kirche als "Ganzsakrament" entfaltet, dem wiederum die sieben Einzelsakramente entspringen. (Fs)

26a Schon die Abfolge dieser Begriffe läßt das tiefe organische Verständnis der Kirche im Katholizismus aufleuchten, die als Heilsgemeinschaft zugleich Heilsmittlerin ist, woraus sich für das gläubige Denken auch die Kennzeichnung der Kirche als "Mutter" der Glaubenden ergab, die heute nur noch in der Liturgie ein verborgenes Dasein führt. (Fs)

26b Eine solche organische sakramentale Auffassung von der Kirche, in der der einzelne sich als Glied des vom Haupte Christus geleiteten und von seinem Geist erfüllten sakramentalen Leib verstand, machte die Kirche zu einer das Leben und Denken des Glaubens bestimmenden und durchdringenden Struktur. Die Kirche erkannte der Gläubige als die Künderin der Weisheit Gottes (Eph 3,10), als die Säule und Grundfeste der Wahrheit (1 Tim 3,15), als die lebendige "Gemeinde Gottes" (1 Kor 1,2), in der er sein persönliches Heil durch Hingabe an die anderen wirken konnte. Die Einheit mit der Kirche war den Christen so wesentlich, daß Origenes den einzelnen Christen als eine "anima ecclesiastica" bezeichnen konnte. Die heutige "partielle Identifikation" wäre dem Christen als ein Unding erschienen, obgleich es immer auch Raum für Kritik an den menschlichen Schwächen und Fehlern gab2, die im Mittelalter sogar sehr drastisch geübt wurde, bei der es aber niemals, außer bei den häretischen Sekten, um eine Strukturänderung dieser Kirche ging, während die Kritik heute das Wesen und das sogenannte "System" im ganzen erfaßt. (Fs) (notabene)

26c Dieses organische Kirchenbewußtsein hat noch in neuerer Zeit der evangelische Theologe D. Bonhoeffer als so vorbildlich erachtet, daß er mit Bewunderung schrieb: "Es gibt ein Wort, das bei dem Katholiken, der es hört, alle Gefühle der Liebe und Seligkeit entzündet; das ihm alle Tiefen des religiösen Empfindens aufwühlt - Kirche heißt das Wort".3 Der Ausdruck "Mutter" aber meint nicht ein schmückendes Beiwort, sondern die lebenspendende Wirksamkeit der Kirche, die sich in Wort und Sakrament vollzieht und die in den sieben Sakramenten das ganze Leben des katholischen Christen von der Wiege bis zum Grabe durchwirkt, um es Christus gleichförmig zu machen. (Fs)

27a Will man diesen intensiven Kirchenglauben und die daraus erwachsende Kirchenfrömmigkeit an ihrem höchsten Konkretionspunkt fassen, dann darf man auf die Verdichtung des Kircheseins in der Eucharistie hinweisen, was P. Claudel zu dem tiefempfundenen Bekenntnis animierte: "Der Inbegriff des Katholizismus, der unendlich feine und gewichtige Punkt, in dem er sich zusammenfassen läßt, ist die Eucharistie. Dank der Eucharistie können wir wirklich jenen Satz wiederholen, der sonst empörend und unverständlich wäre: 'Aber ich sage euch die Wahrheit: es ist gut, daß ich hingehe'. Denn er verläßt uns nicht."4 In den Sakramenten gewinnt die Gegenwart Christi ihre höchste Aktualität und verleiht dem Leib immer neue Lebenskraft und Einheit. (Fs)

27b Innerhalb dieser sakramentalen Struktur der Kirche hat aber auch das hierarchische Amt seine Stellung, das heute weithin auf Unverständnis und Ablehnung stößt, weil es als Ergebnis rein formaler Autorität zur Aufrechterhaltung zweier Klassen, nämlich des Klerus und der Laien, mißdeutet wird und so als Mittel zur Entmündigung der Gläubigen verdächtigt wird. In Wirklichkeit hängt es mit der ekklesial-sakramentalen Struktur der Kirche zusammen, in der das Amt in allen seinen Stufen bis hin zum Petrusamt des Papstes nicht den aus vielen Gliedern bestehenden Leib, sondern das Haupt des Leibes wirkmächtig symbolisieren soll. Der dem Katholizismus wohlwollend-kritisch gesonnene evangelische Rechtshistoriker R. Sohm (+ 1917) hat einmal über das Wesen des Katholischen das Urteil gefällt: "Im Katholizismus fällt alles unter den Sakramentsbegriff, was das Wesen der Kirche widerspiegelt."5 Dazu gehört in bestimmter Hinsicht auch das Amt. Natürlich ist es selbst kein Sakrament. Aber es ist bezeichnend, daß das Amt im eigentlichen Sinne durch ein Sakrament übertragen wird, nämlich durch das Sakrament der Weihe. Dieses aber macht den Empfänger zu einem Zeichen und zu einem personalen Werkzeug der Hauptesstellung Christi in seinem Leib. (Fs)

28a Die Idee des kirchlichen Amtes gründet deshalb nicht in Zweckmäßigkeitserwägungen oder in einem rein menschlichen Ordnungsdenken. Sie ist wesentlich in der lebendig und wirksam fortbestehenden Hauptesstellung Christi begründet, die zeichenhaft und d.h. repräsentativ in der Kirche weiterbestehen soll. Sie hat ihre eigentümliche Wurzel im Stellvertretungsgedanken, den Paulus zur Erklärung des apostolischen Amtes heranzieht, wenn er 2 Kor 5,20 sagt: "Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt." Dieser knappe formelhafte Ausdruck besagt, daß im Amtsträger Gott oder Jesus Christus am Werk ist und die Heilszuwendung in der Kirche selbst in Händen halten will. Damit soll zeichenhaft sichtbar bleiben, daß Christus allein Ursprung des Heils ist und daß der Mensch sich nicht selbst in Unmittelbarkeit zu Gott Gnade verschaffen kann, sondern daß dies nur durch den einzigen vollkommenen Mittler Jesus Christus geschehen kann (vgl. 1 Tim 2,5), der sich in seinem Beauftragten repräsentiert. (Fs) (notabene)

29a Das Zweite Vatikanum hat diese Wahrheit mit der aus der Tradition stammenden Formel bekräftigt, daß der Geweihte "in persona Christi" handelt, ja "in persona Christi capitis".6 Damit soll nicht nur die gottgewollte, durch die ganze Geschichte gehende Heilsordnung aufrechterhalten werden, sondern den Gläubigen auch Sicherheit bezüglich der objektiv und wirklich geschehenden Heilsvermittlung geschenkt werden. Würde es nämlich diese Ordnung nicht geben, dann müßte jedes Glied des Leibes, jeder Gläubige also, dem anderen die Sakramente und das Heil spenden können. Damit träte aber nicht nur die Hauptesstellung Christi nicht mehr in Erscheinung, weil die Glieder als solche nicht das Haupt darstellen können, sondern es würde auch die Heilsvermittlung der Subjektivität und dem Gutdünken der einzelnen anheimgegeben; denn der einzelne könnte ohne einen speziellen Auftrag zur Vertretung Jesu Christi, der eben nur in der Weihe ergeht, nur in eigener Autorität als Glied unter Gliedern handeln und so, losgelöst von einer besonderen Beauftragung Christi, der Gnadenübermittlung niemals die Objektivität und Gewißheit verleihen, die sie durch den Amtsträger tatsächlich gewinnt. Darum geht es bei der Begründung des Amtes letztlich um das "Extra nos" des Heils. (Fs)

29b So erweist sich die Struktur des Amtlichen als ein Dienst im Auftrag Christi zur Befestigung und Sicherung des Heils der Gläubigen. Sie schafft natürlich die schon genannte hierarchische Ordnung, die "communio hierarchica"7, in der Kirche. Wer darin aber eine Herrschaftsordnung zur Unterdrückung einer Klasse durch die andere findet8, der sollte nur einmal die schlichte Tatsache bedenken, daß auch der Amtsträger jeder Stufe zur Verwirklichung seines Heils auf den anderen Amtsträger angewiesen ist. Keiner kann sich selbst ein Sakrament spenden. In bezug auf die Heilsvermittlung in Wort und Sakrament ist der Priester dem Laien gleichgestellt, was beweist, daß sein Amt keinen Herrschaftsanspruch über den Laien erbringt, sondern nur die Christusordnung einhält, der er selbst auch unterliegt. (Fs)

30a Das heute in die Kirche künstlich eingeschleuste, aus dem Marxismus stammende Klassendenken, widerspricht aber auch der Wahrheit vom "Allgemeinen Priestertum", das den Gläubigen als Glieder des Leibes Christi zukommt und daß ihnen Anteil gewährt am Priestertum Christi9 im geistigen Opfer ihres Lebens, im Apostolat und in Ausübung ihrer Charismen10 zum Aufbau der Kirche. In Verfolgung dieses wesentlichen Strukturelementes des Allgemeinen Priestertums, das heute bei dem Machtanspruch vieler Laien auf Altar und Kanzel wegen seines geistlich-sakramentalen Charakters kaum noch Beachtung findet, fällt der Blick auf ein letztes Formprinzip katholischer Wirklichkeit, nämlich auf die dem Haupt Christus gegenüberstehende, das Heil empfangende und weitertragende Gemeinde der Gläubigen, die eine Mitursache der Heilsverwirklichung ist und in Kooperation mit dem Haupte steht. Dieses Prinzip besitzt wiederum eine zeichenhaft-personale Konkretion in Maria als "alma socia Christi"11, als gütige Gefährtin des Erlösers. (Fs)

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