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Autor: Scheffczyk, Leo

Buch: Aufbruch oder Abbruch

Titel: Aufbruch oder Abbruch

Stichwort: Kritik; H. Küng, "Christ sein" - Verlust des Mariengeheimnisses; Verlust: mystischer Tiefe und Symbolkraft

Kurzinhalt: Das Buch nimmt nicht mehr wahr, daß die ganze Kirchenlehre des Zweiten Vatikanums im Mariengeheimnis gipfelt. Wo dieses Geheimnis geleugnet wird, kommt es nicht nur zu der selbstbewußten Feststellung, daß wir die Kirche nicht mehr als «Mutter» ...

Textausschnitt: 9. Der Verlust des Mariengeheimnisses

36b In diesem Zusammenhang verlohnt es sich, die Auffassung des Buches bezüglich der Mariendogmen ein wenig tiefer zu durchleuchten. Dem katholischen Christen ist nicht zuletzt durch die Lehraussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils aufs neue das Bewußtsein dafür geweckt worden, daß die Verbindung Mariens zur Kirche ein charakteristisches Moment des Glaubens und der Frömmigkeit ist, das seine Rückwirkungen auch auf das Christusgeheimnis hat. Daß das Mariengeheimnis zum integren katholischen Glauben gehört und vor allem das Verständnis für das Geheimnis der Kirche aufschließt, haben auch evangelische Theologen immer wieder bestätigt. Bekannt ist die Feststellung K. Barths, daß «die Mutter Gottes des römisch-katholischen Mariendogmas das Prinzip und der Inbegriff des katholischen Kirchenverständnisses ist». Das Wesen der Kirche als dem Haupte Christus unterstelltes Heilsorgan, als Empfängerin des Heils in jungfräulichem Glauben und als Vermittlerin der Gnade in fruchtbarer Mutterschaft, gewinnt in Maria ein strahlendes Bild, so daß in Maria die Kirche aufleuchtet und an der Kirche der marianische Charakter deutlich wird. «So ist Maria und die Kirche eine einzige Mutter und doch zwei, eine Jungfrau und doch zwei» (Isaak von Stella). Das Buch ist nicht nur an diesem Geheimnis uninteressiert, sondern lehnt es in entscheidenden Bestimmungen direkt ab. Die jungfräuliche Empfängnis Christi setzt das Buch mit den außergewöhnlichen Ereignissen bei der Geburt anderer Religionsstifter gleich (S. 427) und sieht in ihr ein Symbol (oder gar einen aus Ägypten stammenden Mythos) für die «Gottessohnschaft» Jesu, welcher Titel aber doch auch wieder nur ein Symbol und eine mythologische Floskel sein kann. Ausdrücklich wird deshalb an einer Stelle auch Josef als der Vater Jesu im natürlichen Sinne des Wortes bezeichnet (S. 159). Dabei werden anders lautende exegetische Untersuchungen und Ergebnisse nicht zur Kenntnis genommen (neuerdings etwa von M. Miguens). (Fs)

37a Obgleich die Auslassungen über die Gottesmutterschaft problematischer gehalten sind, ist ihr Ergebnis gleichfalls negativ. Wie weit hier die Distanz zum katholischen Glaubensverständnis geht, wie sehr aber auch die theologische Denkkraft geschwunden ist, zeigt die Behauptung, daß «Gott nicht geboren werden könne» (S.450). So könnte ein nichtchristlicher Religionsphilosoph auch argumentieren, der von der katholischen Theologie unberührt blieb. (Fs)

37b Das Buch nimmt nicht mehr wahr, daß die ganze Kirchenlehre des Zweiten Vatikanums im Mariengeheimnis gipfelt. Wo dieses Geheimnis geleugnet wird, kommt es nicht nur zu der selbstbewußten Feststellung, daß wir die Kirche nicht mehr als «Mutter» verehren könnten (S. 513), es geschieht hier etwas Bedeutsameres: die Kirche verliert ihre mystische Tiefe und die Symbolkraft ihrer weiblich-magdlichen Existenz. Sie wird (ganz im Sinne der Kirchenauffassung dieses Buches) zu einem von theologischen Ingenieuren gesteuerten Apparat. Das Buch möchte in letzter Intention Christentum und Kirche «vermenschlichen», aber ohne das Geheimnis Mariens anzunehmen. Dagegen ist zu sagen: «Ohne Mariologie droht das Christentum unter der Hand unmenschlich zu werden» (Hans Urs v. Balthasar). Dieser Gefahr ist auch nicht mit dem (beinahe frivolen) Zugeständnis zu begegnen, daß «auch der Verfasser gerne Weihnachten feiert und 'Stille Nacht, Heilige Nacht' ohne größere Hemmungen singt» (S. 119). Eine solche Gefühlsseligkeit kommt nicht von ungefähr; denn seit je gibt es eine innere Verbindung zwischen fehlendem dogmatischem Glauben und pietistischer Frömmelei. Das Eingeständnis, daß das Buch «ohne größere Hemmungen» vorgeht, darf grundsätzlich so verstanden werden: Hier wird nichts geschont, was den katholischen Gläubigen heilig ist. (Fs)

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