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Autor: Scheffczyk, Leo

Buch: Aufbruch oder Abbruch

Titel: Aufbruch oder Abbruch

Stichwort: Kritik; H. Küng, "Christ sein" - das entleerte Kreuz und die verfälschte Auferstehung; Kreuz: Aufruf zum Glauben (Pelagius) - aber: Ablehnung: Sühneopfer, Opfer Jesus, Tilgung der Sünden; Auferstehung: metaphorischee Begriffe -> Fehlen: Sakramente

Kurzinhalt: Durch den Kreuzestod sind alle Menschen nur «zum Glauben gerufen». Seine Wirkung beruht in Jesu «Beispiel», das «in unserer Erinnerung» weitergeht (S. 416). Das ist die alte pelagianische Lehre vom Leben und Sterben Jesu ...

Textausschnitt: 7. Das entleerte Kreuz und die verfälschte Auferstehung

27a Trotzdem soll dieser Jesus Christus «das unterscheidend Christliche» bleiben, der «Maßstab für radikales Menschsein überhaupt» (S. 385). Aber neben diesem Unterscheidenden, das offensichtlich auch nach des Autors Meinung gar nicht so unterscheidend wirkt, gibt es «das letztlich Unterscheidende» (S. 386). (Man beachte, wie hier immer wieder mit krampfhaften «Sprachspielen» Gedanken und Argumente hervorgeholt werden sollen, die faktisch nicht vorhanden sind.) Das ist das Kreuz Jesu Christi und «dieser als der Gekreuzigte» (S. 399). Genau besehen, ist das Zentrum des Buches nicht eine an der Person Jesu interessierte Christologie, sondern eine eigentümliche «Kreuzestheologie». Als «eigentümlich» darf diese Hervorhebung des Kreuzes Christi deshalb bezeichnet werden, weil aus ihr alles ausgeschlossen ist, was auch nur von Ferne an ein über menschlich-immanentistische Maßstäbe hinausgehendes Geschehen erinnern könnte. (Fs)

27b Aus einer geschickten, aber theologisch falschen Identifizierung der Anselmschen Satisfaktionstheorie mit der kirchlichen Glaubenslehre, die schon auf dem Konzil von Ephesus das «Sühneopfer Jesu für uns» (DS 261) bezeugte, kommt das Buch nicht nur zur Ablehnung des Opferbegriffes, sondern auch zur Preisgabe der Wahrheit von der Tilgung der Sünden; denn «Leid, Tod, Begehrlichkeit, Sünde verschwinden doch nicht» (S. 413), weshalb in dem Ausdruck «für uns» auch nicht «die Sünden, sondern die Menschen im Vordergrund stehen» (S. 416) sollten. Durch den Kreuzestod sind alle Menschen nur «zum Glauben gerufen». Seine Wirkung beruht in Jesu «Beispiel», das «in unserer Erinnerung» weitergeht (S. 416). Das ist die alte pelagianische Lehre vom Leben und Sterben Jesu, die darin keine objektive gnadenhafte Heilstat sieht, sondern eben nur ein Beispiel. In eine objektive ontologische Tiefe kann dieser Tod auch deshalb nicht hinabreichen, weil Jesus selbst mit seinem Sterben keinen Sinn verband. Diese Behauptung ist zwar nur verdeckt vorgetragen in der Weise, daß «wir nicht wissen, was Jesus gedacht und gefühlt hat in seinem Sterben» (S. 330 0, wobei die Leidensaussagen Jesu in den Evangelien einfach übergangen werden. (Fs)

28a Aber es geht hier nicht nur um unser angeblich mangelndes Wissen. Weil der Vater bei diesem Geschehen Jesu «kein einziges Wort sagte» (ein merkwürdiger Widerspruch zu der sonst so betonten Gottverbundenheit Jesu, die offenbar auch nicht durchgehalten werden kann), weil es ein «gott-loses Sterben» (S. 331) war, kann Jesus selbst dabei sicher nicht an eine Erlösung der Menschheit gedacht haben. Aufgrund solcher Voraussetzungen kann er kaum mehr als Erlöser der Menschheit gelten. So ist dem als entscheidendes Specificum ausgegebenen Sterben Jesu am Ende auch wieder alles spezifisch Christliche entzogen; denn als Beispiel eines völligen Scheiterns, bei dem für Jesus Gott angeblich doch der letzte Halt bleibt (S. 339; aber woher will das der Autor plötzlich wissen, und wie kann er dann noch von einer «uneingeschränkten Gottverlassenheit» [S. 330] Jesu sprechen? Man sieht, wie in diesen dialektischen Eskapaden das saubere Denken verlottert), ist der Mann von Nazareth auch wieder nicht notwendig. So sind im Laufe der Weltgeschichte gewiß noch viele andere religiöse Menschen gestorben, von denen wir zudem manchmal genau wissen, daß sie ihr Sterben als Opfer für andere bewußt durchstanden (Max. Kolbe). Wäre es denn nicht sinnvoller, sich an diese Beispiele für ein vorbildliches menschliches Sterben zu halten? Die Art und Weise, wie in dem Buch das Sterben Jesu erklärt wird, entbehrt so sehr jedes «spezifisch christlichen» Momentes, daß das Ganze einer geradezu vollkommenen Selbstwiderlegung der These des Autors gleichkommt. (Fs)

28b Das «specificum Christianum» kommt aber auch an der Auferstehung Jesu nicht zum Vorschein. Es ist zunächst zu bemerken, daß der Autor in allen Zusammenhängen, in denen er von «Tod und Auferstehung» zugleich spricht, dem Sterben Jesu und seiner beispielgebenden Bedeutung für den Menschen als einem im Gottvertrauen scheiternden Wesen doch den Nachdruck verleiht. Auch das ist für ein Denken, das den Humanismus im Zielpunkt stehen hat, ein charakteristisches Zeichen. Sterben und Kreuz sind nämlich menschliche Grunderfahrungen, die jedem denkenden Menschen an sich zugänglich sind. Um den Kreuzcharakter der menschlichen Existenz und um das Leidenmüssen des Gerechten hat auch schon Plato gewußt. Wer also den Menschen an die Tiefe seiner Existenz gemahnt, die sich im Kreuz manifestiert, unternimmt gewiß etwas zutiefst Menschliches, aber doch noch nichts spezifisch Christliches. Die Kreuzestheologie als solche ist deshalb nur ein Moment natürlicher Religiosität. Die eigentlich «christliche Möglichkeit», das «specificum Christianum» ist erst die Überwindung des Kreuzes in einer genau so realistisch gedachten und in die Geschichte eingreifenden Auferstehung. Hier «hakt» aber die Gedankenführung des Buches «aus». Enthüllend ist dabei die Aussage, daß Auferweckung und Auferstehung nur «metaphorische Begriffe» seien (S. 369), nicht etwa analoge. Der Auferstehungsglaube ist deshalb nur eine «Radikalisierung des Gottesglaubens» (S. 349). Es handelt sich bei ihm im Grunde nur um eine erneuerte Abwandlung des Vertrauens auf die Treue Gottes, deren Bedeutung weder für das Weiterleben Jesu Christi noch für das des Menschen etwas Gewisses austrägt. (Fs) (notabene)

29a Daß hier in den Gedankengang nichts hineininterpretiert wird, zeigt das Fehlen klarer Aussagen über die himmlische Existenz des verklärten Christus und sein Weiterwirken etwa in der Kirche oder in den Sakramenten. Ausdrücklich wird der Gedanke an ein Kommen Christi zum Gericht (nicht nur in seiner Einkleidung, sondern in seinem inneren Gehalt) als mythologisch abgelehnt. «Besser wird man von einem Versammeltwerden aller Menschen in Gott sprechen» (S. 384). Nicht Christus wird als Richter kommen, sein Tod und seine Überwindung des Todes in einem so bezeichneten «Leben» ist bereits das Gericht (S.384). Aber was heißt hier Gericht, wenn in der völlig beiläufig behandelten Eschatologie ernstlich die Möglichkeit der Allversöhnung des Origenes erwogen und am Ende allen Menschen die Freude und Gelassenheit der Erwartung der Begegnung mit Gott empfohlen wird (S. 386)? Sollte man dann nicht auch den Gerichtsgedanken aufgeben und nicht besser von einem «Scheingericht» sprechen? Und was heißt hier schließlich «Versammeltwerden in Gott», wenn von allem Anfang an die personale Gottesvorstellung nicht klar ist und das «mehr transpersonale... Gottesverständnis der asiatischen Religionen» empfohlen wird (S. 105). (Fs)

29b Wie schwankend hier die Zielangabe für das Menschenleben wird, zeigt die Aufforderung zum «Transzendieren, nicht in ein Jenseits hinüber, wohl aber in jene letzte Wirklichkeit hinein, auf die wir uns unbedingt verlassen können und die wir Gott nennen» (S. 438). Hier ist Gott nicht mehr etwas Besonderes über der Wirklichkeit (das wäre Supranaturalismus), sondern einfach identisch mit der Wirklichkeit, in die hinein jeder Mensch so wie Jesus aufgehen soll; denn von einer personalen Existenz Christi beim Vater als Kyrios, als Welterhalter und als Weltenrichter kann nicht mehr gesprochen werden, und dies mit einer gewissen Konsequenz; denn wer die Präexistenz des Sohnes leugnet, kann auch seine Postexistenz nicht gut annehmen. Beide Wahrheiten bedingen einander und stellen die zwei Seiten ein und desselben Geheimnisses dar. (Fs) (notabene)

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