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Autor: Sala, Giovanni B.

Buch: Kontroverse Theologie

Titel: Kontroverse Theologie

Stichwort: (eg: Seelsorgeraum, Pastoralassistent); Amt und Volk Gottes; Klerikerzentriertheit - Aushöhlung des sakramentalen Amtes; hauptberufliche Laientheologenschaft - Ordo; sakramentale Vergegenwärtigung Christi in der örtlichen Gemeinde


Kurzinhalt: Die stellenweise zurecht kritisierbare Klerusdominanz ist in eine Relativierung, ja bedrohliche Aushöhlung des sakramentalen Amtes umgeschlagen, die aus einem genuin theologischen Standpunkt nun ebenso zu kritisieren ist.

Textausschnitt: 3. Amt und Volk Gottes

158c Daß es in der Vergangenheit eine mitunter überzogene und für die Kirche selbst ungute Klerikerzentriertheit gab, soll hier nicht bestritten werden - wobei allerdings eine sachgerechte Beurteilung erfordert, daß man dem verschiedenen sozio-kulturellen Stand früherer Epochen Rechnung trägt. Ebenso unbestritten ist die Sinnhaftigkeit der vom II. Vatikanischen Konzil intendierten stärkeren Mitarbeit der Gläubigen in der Gemeinde und deren "actuosa participatio"1 am liturgischen Geschehen. Die Laien haben aufgrund ihrer Taufwürde und ihres allgemeinen Priestertums in der Kirche unersetzbare Aufgaben und Berufungen, die sie auch voll und ganz wahrnehmen sollen. Dadurch wird sichtbar, daß die Kirche nicht dem Weiheamt gehört, sondern eine übernatürliche Communio darstellt, in der alle Glieder des Leibes gleichwertig und mit ihren spezifischen Charismen (auch das Amt ist für Paulus ein Charisma!) füreinander da sind. Im Zuge dieser Reform bzw. Neuentdeckung der differenzierten Lebenswirklichkeit des einen Leibes Christi ist die Kirche in den letzten Jahrzehnten indes in das andere Extrem geraten: Die stellenweise zurecht kritisierbare Klerusdominanz ist in eine Relativierung, ja bedrohliche Aushöhlung des sakramentalen Amtes umgeschlagen, die aus einem genuin theologischen Standpunkt nun ebenso zu kritisieren ist. (Fs)

159a Aus der angemessenen Kooperation von Laien und Priestern ist, vor allem im deutschsprachigen Raum, eine Marginalisierung bzw. weitgehende Ersetzung des Amtes durch die Laien geworden. Damit wird die im Blick auf die Vergangenheit ursprünglich beklagte Vereinheitlichung des vielgestaltigen Leibes Christi erneut praktiziert: Nun wird nämlich das für den Aufbau der Kirche unverzichtbare Charisma des Weiheamtes zum Schaden des Gesamtleibes verflüchtigt. Diese Verflüchtigung begann in der Theologie schon vor Jahrzehnten mit der allmählichen Reduzierung des Amtes auf bloße Funktionalität und hat sich heute sowohl theoretisch als auch praktisch zu einem regelrechten Eliminierungsversuch gesteigert2. Dieser vom Klerus selbst oftmals mitgetragenen Substiruierungstendenz entspricht im übrigen das umgekehrte Phänomen, daß Priester sich mit Vorliebe in jene Aufgaben drängen, die das Konzil gerade als das geistliche Proprium der Laienberufung herausgestellt hat: Die Sorge um die Welt und die Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens aus den Prinzipien des Evangeliums heraus. (Fs)

159b Ein wesentlicher Schritt auf diesem Weg der Relativierung des sakramentalen Amtes war im Grunde schon die dogmatisch kaum begründbare Etablierung einer hauptberuflichen Laientheologenschaft im Sinne eines bischöflich beauftragten, offiziellen Seelsorge-Amtes neben dem Ordo - und mittlerweile vielerorts in Konkurrenz zu ihm. Die Kirche hat hier eine neue eigenständige Kategorie eingeführt: Amtsträger, die aber nicht zum Ordo gehören und sich - in der dazu entwickelten Theorie und im konkreten Selbstverständnis - zugleich vom Kirchenvolk klar abgrenzen. Dieser Abgrenzungswille wird etwa dadurch unübersehbar, daß es z. B. in der Limburger Diözese für Pastoral- und Gemeindereferenten/innen eine vom Bischof vorgenommene liturgische Aussendungs- und Beauftragungsfeier gibt, die für einen Nichtspezialisten kaum noch von einer Priesterweihe unterschieden werden kann. (Fs)

160a Was dieses neue Amt jedoch dogmatisch neben dem Weiheamt und dem allgemeinen Priestertum aller Getauften positiv in sich sein soll, ist trotz angestrengtester Interpretationsbemühungen unerfindlich geblieben. Das kann in einer sakramental zentrierten Ekklesiologie auch gar nicht anders sein: Die Kirche als im Sakrament konstituierter Leib Christi und ihr sakramentales Amt sind so wesenhaft miteinander verbunden, daß es in der katholischen Kirche keinen theologisch angemessenen Ort für ein außerpriesterliches Amt mit faktisch priesterlichen Aufgaben geben kann. Wenn ein solcher Ort tatsächlich erfunden würde, ginge das nur um den Preis einer Wesensveränderung der katholische Kirche, eben durch eine systematische Relativierung ihrer Sakramentalität. Dieses dogmatisch unmögliche tertium beinhaltet die explosive Kraft, die seinsmäßige Grenze, die Priester und Laien unterscheidet, durchlässig zu machen, bis die Realität des Priesters als "Lehrer, Ausspender der Geheimnisse und Hirten" (LG 32) auf das allgemeine Priestertum nivelliert wird. Damit aber verschwindet das Besondere des katholischen Priesters, das dem Volk Gottes dahingehend dient (und deshalb "sacerdotium ministeriale" genannt wird), "das ihm verliehene gemeinsame Priestertum getreu und vollständig auszuüben" ("Pastores dabo vobis" 17) und somit Volk Gottes zu sein. (Fs) (notabene)

160b Eben diese vom Dogma her unbefriedigend erscheinende Situation, wie sie sich durch die Etablierung amtlicher Pastoral- bzw. Gemeindereferenten/innen darstellt, erhält nun durch den Vorstoß des Pfarrbeauftragtenkonzeptes eine weitere Verschärfung. Denn ohne Zweifel wird die ständige und nahezu ausschließliche Präsenz des leitungsbevollmächtigten Laien in den entsprechenden Pfarreien geradezu notwendig dazu führen, daß das Proprium des Weiheamtes im Bewußtsein der Gläubigen ausgehöhlt wird. Kein Problem wird dadurch gelöst, die früher bestehende Aporie reproduziert sich nur - das allerdings in dramatischer Form: Der zum Amt des Pfarrbeauftragten Erhobene bleibt trotz dieses "Verpriesterlichungsversuches" doch Laie, und der das Weiheamt innehabende Priester tritt noch stärker in den Hintergrund und damit in die progressive Vergessenheit. Das gleiche gilt eo ipso für die Praxis der sakramentalen Beichte, die in vielen Pfarreien zu einem verschwundenen Sakrament geworden ist und immer mehr zu verschwinden droht. Mehr als alle Theorie prägt die Praxis das Bewußtsein, auch in der Kirche. (Fs)

160c Zudem verspricht die Pfarrleitung durch den hauptamtlichen Laien keineswegs die immer geforderte Verlebendigung der Gemeinden. Ihr wird der Leiter nicht nur vom Ordinariat zugeteilt; er steht als Laie sogar in der großen Versuchung, nun auch noch mit seiner Amtsautorität jene sinnvollerweise von den Gläubigen zu übernehmenden Aufgaben an sich zu ziehen, die der Priester mit weit größerer Souveränität den Laien anvertrauen kann. Mit anderen Worten: Es entsteht die neue Gefahr einer noch unfruchtbareren Konkurrenz zwischen "einfachen Laien" und "Berufslaien" oder "Laien-Priestern", als sie in dem spannungsreichen Verhältnis von Priestern und Laien mancherorts anzutreffen ist. (Fs)

161a In seinem Schreiben "Pastores dabo vobis", 15, sagt der Papst: "Die Priester sind in der Kirche und für die Kirche eine sakramentale Vergegenwärtigung Jesu Christi, des Hauptes und Hirten; sie verkünden mit Vollmacht sein Wort, sie wiederholen sein vergebendes Wirken und sein umfassendes Heilsangebot, vor allem durch die Taufe, die Buße und die Eucharistie, sie sorgen wie er liebevoll bis zur völligen Selbsthingabe für die Herde, die sie in der Einheit sammeln und durch Christus im Geist zum Vater führen. Mit einem Wort, die Priester leben und handeln für die Verkündigung des Evangeliums an die Welt und für den Aufbau der Kirche im Namen und in der Person Christi, des Hauptes und Hirten."

161b Fehlt diese sakramentale Vergegenwärtigung Christi in der örtlichen Gemeinde, so geht der Sinn für das Amt immer mehr verloren. Und diese Aushöhlung wird nicht nur das Amt des Priesters, sondern mit innerer Logik allmählich auch das bischöfliche Amt selbst treffen; denn der Priester ist nichts anderes als die sakramentale participatio an der Fülle des bischöflichen Amtes des Lehrens, des Heiligens und des Leitens. Dem kommt entgegen, daß in Ländern wie Deutschland, Österrreich und der Schweiz die Kompetenz des kirchlichen Lehramtes ohnehin grundsätzlich in Frage gestellt wird, besonders insofern es sich um die Ausübung des ordentlichen Lehramtes handelt. Aber dies ist nur die eine, sozusagen die theoretische Seite des Problems. Mit der praktischen Nivellierung des Unterschieds von Priestern und Pastoralreferenten in der Gemeinde gerät die sakramentale Grundstruktur der katholischen Kirche mehr und mehr in Vergessenheit. (Fs)

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