Datenbank/Lektüre


Autor: Johannes Paul II - Wojtyla, Karol Józef

Buch: Enzyklika Veritatis splendor

Titel: Johannes Paul II., Evangelium vitae

Stichwort: Würde d. Menschen; 5. Gebot

Kurzinhalt: Die absolute Unantastbarkeit des unschuldigen Menschenlebens ist in der Tat eine in der Heiligen Schrift ausdrücklich gelehrte, in der Tradition der Kirche ständig aufrechterhaltene und von ihrem Lehramt einmütig vorgetragene sittliche Wahrheit.

Textausschnitt: 57. Wenn auf die Achtung jeden Lebens, sogar des Schuldigen und des ungerechten Angreifers, so große Aufmerksamkeit verwendet wird, hat das Gebot »du sollst nicht töten« absoluten Wert, wenn es sich auf den unschuldigen Menschen bezieht. Und das umso mehr, wenn es sich um ein schwaches und schutzloses menschliches Lebewesen handelt, das einzig in der absoluten Kraft des Gebotes Gottes seinen radikalen Schutz gegenüber der Willkür und Gewalttätigkeit der anderen findet. (Fs) (notabene)

Die absolute Unantastbarkeit des unschuldigen Menschenlebens ist in der Tat eine in der Heiligen Schrift ausdrücklich gelehrte, in der Tradition der Kirche ständig aufrechterhaltene und von ihrem Lehramt einmütig vorgetragene sittliche Wahrheit. Diese Einmütigkeit ist sichtbare Frucht jenes vom Heiligen Geist geweckten und getragenen »übernatürlichen Glaubenssinnes«, der das Gottesvolk vor Irrtum bewahrt, wenn es »seine allgemeine Übereinstimmung in Sachen des Glaubens und der Sitten äußert«.1

Da im Bewußtsein der Menschen und in der Gesellschaft das Wahrnehmungsvermögen dafür, daß die direkte, d.h. vorsätzliche Tötung jedes unschuldigen Menschenlebens, besonders in seinem Anfangs- und Endstadium, ein absolutes und schweres sittliches Vergehen darstellt, zunehmend schwächer wird, hat das Lehramt der Kirche seine Interventionen zur Verteidigung der Heiligkeit und Unantastbarkeit des menschlichen Lebens verstärkt. Mit dem besonders insistierenden päpstlichen Lehramt hat sich das bischöfliche Lehramt mit zahlreichen umfassenden Lehr- und Pastoraldokumenten der Bischofskonferenzen wie einzelner Bischöfe stets vereinigt. Und auch der feste und in seiner Kürze markante Beitrag des II. Vatikanischen Konzils blieb nicht aus.2

Mit der Petrus und seinen Nachfolgern von Christus verliehenen Autorität bestätige ich daher in Gemeinschaft mit den Bischöfen der katholischen Kirche, daß die direkte und freiwillige Tötung eines unschuldigen Menschen immer ein schweres sittliches Vergehen ist. Diese Lehre, die auf jenem ungeschriebenen Gesetz begründet ist, das jeder Mensch im Lichte der Vernunft in seinem Herzen findet (vgl. Röm 2, 14-15), ist von der Heiligen Schrift neu bestätigt, von der Tradition der Kirche überliefert und vom ordentlichen und allgemeinen Lehramt gelehrt.3

Die willentliche Entscheidung, einen unschuldigen Menschen seines Lebens zu berauben, ist vom moralischen Standpunkt her immer schändlich und kann niemals, weder als Ziel noch als Mittel zu einem guten Zweck gestattet werden. Sie ist in der Tat ein schwerer Ungehorsam gegen das Sittengesetz, ja gegen Gott selber, seinen Urheber und Garanten; sie widerspricht den Grundtugenden der Gerechtigkeit und der Liebe. »Niemand und nichts kann in irgendeiner Weise zulassen, daß ein unschuldiges menschliches Lebewesen getötet wird, sei es ein Fötus oder ein Embryo, ein Kind oder ein Erwachsener, ein Greis, ein von einer unheilbaren Krankheit Befallener oder ein im Todeskampf Befindlicher. Außerdem ist es niemandem erlaubt, diese todbringende Handlung für sich oder für einen anderen, der seiner Verantwortung anvertraut ist, zu erbitten, ja man darf in eine solche nicht einmal explizit oder implizit einwilligen. Auch kann sie keine Autorität rechtmäßig auferlegen oder erlauben«.4
Was das Recht auf Leben betrifft, ist jedes unschuldige menschliche Lebewesen allen anderen absolut gleich. Diese Gleichheit bildet die Grundlage jeder echten sozialen Beziehung, die, wenn sie wirklich eine solche sein soll, auf der Wahrheit und der Gerechtigkeit gründen muß, indem sie jeden Mann und jede Frau als Person anerkennt und schützt und nicht als eine Sache betrachtet, über die man verfügen könne. Im Hinblick auf die sittliche Norm, die die direkte Tötung eines unschuldigen Menschen verbietet, »gibt es für niemanden Privilegien oder Ausnahmen. Ob einer der Herr der Welt oder der Letzte, »Elendeste« auf Erden ist, macht keinen Unterschied: Vor den sittlichen Ansprüchen sind wir alle absolut gleich«.5

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt