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Autor: Lonergan, Bernard J.F.

Buch: Die Einsicht

Titel: Die Einsicht Bd. I und II

Stichwort: Transzendenz; Bejahung Gottes 3; Gottesbeweis 2; Verbindung: Existenz aus Selbstbejahung - Sein = Realität

Kurzinhalt: ... muß unterschieden werden zwischen: (1) der Behauptung einer Verbindung zwischen einer anderen Existenz und Gottes Existenz und (2) der Behauptung der anderen Existenz, die mit Gottes Existenz verbunden ist. (Fs)

Textausschnitt: 758a Eine Konklusion kann nun aber nicht mehr enthalten als ihre Prämissen. Wenn wir am Anfang nicht wissen, ob Gott existiert, dann muß zumindest dieses Wissen im Prozeß aufkommen, wenn es am Ende desselben präsent sein soll. Wo also tritt denn Gottes Existenz implizit in den Prozeß ein?

758b Dies ist eine gute Frage; aber um sie zu beantworten, muß unterschieden werden zwischen
(1) der Behauptung einer Verbindung zwischen einer anderen Existenz und Gottes Existenz und
(2) der Behauptung der anderen Existenz, die mit Gottes Existenz verbunden ist. (Fs)

758c Das zweite Element liegt in der Behauptung irgendeiner Realität: Es fand im Kapitel über Selbstbejahung statt und wurde in den nachfolgenden Kapiteln zum Universum des proportionierten Seins erweitert. Das erste Element ist der Prozeß, der das Wirkliche mit dem Sein identifiziert, dann das Sein mit der vollständigen Intelligibilität identifiziert und schließlich die vollständige Intelligibilität mit dem unbeschränkten Verstehensakt identifiziert, der die Eigenschaften Gottes besitzt und alles andere erklärt. In diesem Prozeß ist das ausdehnungsfähige Moment das erste: (676) Denn wenn das Reale das Sein ist, ist das Reale das Zielobjekt eines unbeschränkten Strebens nach korrektem Verstehen; um ein solches Zielobjekt zu sein, muß das Reale vollständig intelligibel sein; denn was nicht intelligibel ist, ist nicht Zielobjekt eines Strebens nach Verstehen; und was nicht vollständig intelligibel ist, ist das Zielobjekt nicht eines unbeschränkten Strebens nach korrektem Verstehen, sondern eines solchen umsichtig mit einer obskurantistischen Verstehensverweigerung vermischten Strebens. Wenn dieses ausdehnungsfähige Moment einmal erreicht ist, folgt der Rest. Das Reale kann nicht vollständig intelligibel sein, wenn die vollständige Intelligibilität nicht real ist. Und die vollständige Intelligibilität kann nicht real sein, wenn der unbeschränkte Verstehensakt bloß ein Gedankenobjekt ist. Denn die Intelligibilität dessen, was bloß Inhalt eines Begriffes ist, ist nicht real; die Intelligibilität der materiellen Realität hängt von einem rein empirischen Residuum ab und ist somit unvollständig; die Intelligibilität der fragenden und sich entwickelnden Intelligenz sucht ihre eigene Vervollständigung und gibt damit ihre eigene Unvollständigkeit kund; und deshalb ist die einzige Möglichkeit einer Intelligibilität, die zugleich vollständig und real ist, der uneingeschränkte Verstehensakt. (Fs)

759a Wer sind wir aber, daß wir Anspruch auf die Erkenntnis jeder Möglichkeit erheben? Könnte es nicht irgendeine weitere Alternative geben? Könnte die Intelligibilität nicht in einer anderen Weise real und vollständig sein, die jenseits der engen Grenzen unseres Verstehens liegt? Es könnte dies geben, wenn wir bereit wären, bei den Gegenpositionen Zuflucht zu nehmen oder unseren eigenen Tendenzen zum Obskurantismus den Weg frei zu geben. Wir gehen aber davon aus, daß wir das nicht sind. Und wenn wir das nicht sind, so ist das Mögliche mögliches Sein, das Sein innerlich intelligibel, und das Intelligible entweder identisch mit dem Verstehen oder auf es bezogen als etwas, das verstanden werden kann. Aber die Intelligibilität der letzteren Art ist unvollständig, weil sie in ihrer Intelligibilität selbst durch ihre Relation auf etwas anderes bedingt ist. Und auch das untersuchende und sich entwickelnde Verstehen ist nicht vollständig. Dann bleibt nur der unbeschränkte Verstehensakt übrig. Und es liegt in unserer Behauptung, alle möglichen Alternativen berücksichtigt zu haben, auch kein Paradox; denn wenn wir wissen können, daß das von uns Erreichte sehr beschränkt ist, können wir dies, weil unsere Erkenntnis einem unbeschränkten Streben nach korrektem Verstehen entspringt; und so ist es ein und dasselbe unbeschränkte Streben, das uns einerseits den unermeßlichen Bereich der Möglichkeiten offenbart und zugleich die Grundbedingungen festlegt, denen jede Möglichkeit zu genügen hat. (Fs)

759b Schließlich könnte eingewendet werden, daß ein unbeschränkter Akt des Verstehens, soviel wir wissen, einen Widerspruch in terminis darstellt. Aber zumindest ein unbeschränktes Streben danach, korrekt zu verstehen, ist kein Widerspruch; denn es ist eine Tatsache. Und der Widerspruch hat auch keinen anderen Ursprung (677) als die Existenz verschiedener Verstehensakte in bezug auf dasselbe Objekt. Und der Widerspruch impliziert auch keine Unmöglichkeit, außer wenn die Realität vollständig intelligibel ist. Der uneingeschränkte Verstehensakt ist aber ein einzelner Akt, so daß kein Widerspruch aus ihm hervorgehen kann; und allein weil der uneingeschränkte Akt alles begründet, was ist, und alles begründen würde, was sein könnte, ist es wahr, daß das Widersprüchliche nicht sein kann. (Fs)


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