Datenbank/Lektüre


Autor: Lonergan, Bernard J.F.

Buch: Methode in der Theologie

Titel: Methode in der Theologie

Stichwort: Religion; religiöse Glaubensüberzeugung - communio, Gemeinschaft; Glaube (Lonergan: faith - belief);

Kurzinhalt: Wir können jedoch anmerken, daß wir durch die Unterscheidung von Glaube (faith) Glaubensüberzeugung (belief) eine Grundlage erhalten, die sowohl der ökumenischen Begegnung dient, wie auch einer Begegnung aller Religionen, die ein Fundament in der ...

Textausschnitt: 8. Religiöse Glaubensüberzeugung1

---
Fußnote zu oben:
Anm. des Herausgebers: G. Sala, S. J., verdanke ich folgende Präzisierung: Lonergan unterscheidet hier zwischen belief und faith. Von belief hat er schon in II, 5 gehandelt (wofür wir meistens den Terminus Glauben verwendet haben). Dort ging es um den Glauben im allgemeinen Sinn als das Sich-zu-eigen-Machen eines Etkenntnisinhaltes, zu dem das Subjekt nicht aufgrund eigenen immanent vollzogenen Erkenntnisprozesses gelangt. In diesem Sinne gehört der Glaube zum tatsächlichen Wissensbestand des Menschen, insofern er in einer Gesellschaft und in einer Kultur lebt. Die Wissenssoziologie geht genau auf diesen Vollzug der menschlichen Erkenntnis und auf diese Erkenntnisinhalte ein. Belief bezeichnet also im Phänomen des Glaubens seine allgemein menschliche Struktur und insbesondere seine Inhalte. Mit faith will jetzt Lonergan den Glauben als spezifisch und grundlegend religiöse Realität bezeichnen, die den verschiedenen lehrmäßigen Inhalten vorhergeht und sie begründet. Faith ist zwar den Inhalten gegenüber nicht gleichgültig, insofern der religiöse Glaube eines Menschen und einer Gemeinschaft auf konkrete und zwar möglichst formulierte Inhalte abzielt, identifiziert sich aber nicht ohne weiteres mit ihnen. Um beide Bedeutungen auch sprachlich zu unterscheiden, verwenden wir im gegenwärtigen Kontext den Terminus Glauben für faith und Glaubensüberzeugung für belief.
---

52/4 Unter den Werten, die der Glaube (faith) erkennt, ist der Wert, dem Wort der Religion zu glauben, sich die Tatsachen- und Werturteile, die die Religion vorlegt, zu eigen zu machen. Eine solche Glaubensüberzeugung (belief) und Annahme ist von gleicher Struktur wie andere Glaubensüberzeugung, die schon im zweiten Kapitel beschrieben wurde. Jetzt aber beruht die Struktur auf einer anderen Grundlage, und diese Grundlage ist der Glaube (faith). (126; Fs)
53/4 Religiöse Erfahrung mag noch so persönlich und innerlich sein, sie ist dennoch nicht einsam. Die gleiche Gabe kann vielen verliehen werden, und die vielen können untereinander eine gemeinsame Ausrichtung in ihrem Leben und Fühlen, in ihren Maßstäben und Zielen erkennen. Aus der gemeinsamen Communio mit Gott entsteht eine religiöse Kommunität, eine Gemeinschaft. (127; Fs) (notabene)

54/4 Gemeinschaft verlangt nach Ausdruck, und der Ausdruck kann verschieden sein. Er kann imperativ sein und gebieten, Gott über alles zu lieben, und seinen Nächsten wie sich selbst. Er kann narrativ sein und die Geschichte des Ursprungs und der Entwicklung der Gemeinschaft erzählen. Er kann asketisch und mystisch sein, den Weg zur völlig überweltlichen Liebe lehren und vor den Gefahren auf diesem Weg warnen. Er kann theoretisch sein und die Weisheit, die Güte und die Macht Gottes lehren und Gottes Absichten und Ziele kundtun. Er kann eine Verbindung aller vier Formen oder ein Verbund von zwei oder drei von ihnen sein. Das Zusammengesetzte kann die Komponenten zu einer einzigen ausgewogenen Synthese verschmelzen, oder es nimmt eine von ihnen als Grundlage und gebraucht diese, um die anderen Komponenten zu deuten und aufzuzeigen. Es kann über lange Zeiträume unverändert bleiben, kann sich aber auch periodisch den unterschiedlichen sozialen und kulturellen Bedingungen anpassen und weiterentwickeln. (127; Fs) (notabene)

55/4 Gemeinschaften überdauern die Zeit. Wenn neue Mitglieder an die Stelle der alten treten, wird der Ausdruck zur Tradition. Die Religion wird geschichtlich in jenem allgemeinen Sinne, daß sie die Zeit überdauert und Grundkomponenten beisteuert zum fortschreitenden Prozeß persönlicher Entwicklung, sozialer Organisation sowie kulturellen Sinngehalts und Wertes. (127; Fs)

55/4 Es gibt aber einen noch viel tieferen Sinn, in dem man eine Religion geschichtlich nennen darf. Der dynamische Zustand des In-Liebe-Seins trägt den Charakter einer Antwort. Er ist die Antwort auf eine göttliche Initiative. Die göttliche Initiative beschränkt sich nicht bloß auf die Schöpfung. Sie ist auch nicht nur das Gottesgeschenk seiner Liebe. Es gibt ein persönliches Eintreten Gottes in die Geschichte, eine Mitteilung Gottes an sein Volk, die Ankunft des Gotteswortes in der Welt des religiösen Ausdrucks. Von dieser Art war die Religion Israels. Von derselben Art ist das Christentum. (127f; Fs)

56/4 Deshalb kommt nicht nur das innere Wort, das die Gottesgabe seiner Liebe ist, sondern auch das äußere Wort der religiösen Überlieferung von Gott. Der Gottesgabe seiner Liebe entspricht sein Gebot, uneingeschränkt zu lieben mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele, mit allen Gedanken und mit aller Kraft. Die Erzählung religiöser Ursprünge ist die Erzählung der Begegnung Gottes mit seinem Volk. Religiöses Streben nach Authentizität durch Gebet und Buße und religiöse Nächstenliebe, die sich in guten Taten zeigt, wird zum Apostolat, denn 'an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen' (Mt 7,20). Und letztlich ist das Wort des religiösen Ausdrucks nicht bloß eine Objektivierung der Gottesgabe seiner Liebe; in einem Vorzugsbereich ist es auch die ganz besondere Bedeutung, eben das Wort Gottes selbst. (128; Fs)

57/4 Damit kommen wir zu Fragen, die nicht mehr methodologischer, sondern theologischer Art sind, Fragen hinsichtlich der Offenbarung und Inspiration, der Schrift und Tradition, der Entwicklung und Autorität, der Schismen und der Häresien. Diese Fragen müssen wir den Theologen überlassen, auch wenn wir in den späteren Kapiteln über 'Dialektik' und 'Fundamente' einiges zur Methode ihrer Lösung sagen werden. (128; Fs)

58/4 Wir können jedoch anmerken, daß wir durch die Unterscheidung von Glaube (faith) Glaubensüberzeugung (belief) eine Grundlage erhalten, die sowohl der ökumenischen Begegnung dient, wie auch einer Begegnung aller Religionen, die ein Fundament in der religiösen Erfahrung haben. Denn in dem Maße, wie jene Erfahrung echt ist, ist sie auf das Mysterium der Liebe und Ehrfurcht ausgerichtet; sie hat die Macht der unbegrenzten Liebe, alles, was wirklich gut ist, zu offenbaren und hochzuhalten; sie bleibt immer das Band, das die religiöse Gemeinschaft verbindet, das ihre gemeinsamen Urteile lenkt und ihre Glaubensüberzeugungen läutert. Überzeugungen weichen freilich voneinander ab, doch hinter dieser Abweichung liegt eine tiefere Einheit. Denn Glaubensüberzeugungen ergeben sich aus Werturteilen, und die für die religiöse Überzeugung maßgeblichen Werturteile stammen aus dem Glauben (faith), jenem Auge religiöser Liebe, das Gottes Selbsterschließungen erkennen kann. (128; Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt