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Autor: Menke, Karl-Heinz

Buch: Die Einzigkeit Jesu Christ

Titel: Die Einzigkeit Jesu Christ

Stichwort: Malerei; Subjektivismus der Wahrnehmung: Impressionismus und Suprematismus (Überwindung d. Spaltung: Subjekt - Objekt); Seurat, Malewitsch



Kurzinhalt: Malewitsch fordert mit seiner Kunst die Überwindung des Grabens zwischen Subjekt und Objekt. Er sehnt sich nach dem, was oben als «Sinn an sich» ... Er will dem Subjekt das Objekt verbieten.

Textausschnitt: aa Der Subjektivismus der Wahrnehmung: Impressionismus und Suprematismus

42a Die Impressionisten versuchen den Eindruck des wahrnehmenden Subjektes ins Bild zu bannen. Sie wollen nicht das An-und-für-sich einer Landschaft oder eines Menschen wiedergeben, sondern einen momentanen Eindruck. Die sogenannten Pointillisten Paul Signac (1863-1935) und Georges Seurat (1860-1891) haben selbst beschrieben, wie sie zu einer bestimmten Maltechnik gelangten, die es ihnen erlaubte, z. B. eine Landschaft so zu malen, wie sie dem Betrachter in einem bestimmten Augenblick erscheint, und nicht, wie sie «an sich» ist1. Der impressionistisch malende Künstler deckt den Gegenstand seines Bildes so ähnlich mit den Kategorien der eigenen Subjektivität zu wie Kant das «Ding an sich» mit den Anschauungsformen und Kategorien des wahrnehmenden Individuums. (Fs)

42b Das Objekt soll in die Empfindung und Anschauung des Subjekts aufgehoben werden. Dieses Ziel verfolgt mit aller Konsequenz eine Kunstrichtung, die zwar oft als Steigerung des Kubismus dargestellt wird, in Wahrheit aber wohl eher der Komparativ des Impressionismus ist: der Suprematismus. Während die Impressionisten sich im Kantschen Sinne immer noch auf etwas Objektives (auf das «Ding an sich») beziehen, wollen die Suprematisten das Objekt zum Verschwinden bringen (supremare = unterdrücken). Der russische Maler Kasimir Malewitsch (1878-1935), einer der Repräsentanten des Suprematismus, hat in seiner kunsttheoretischen Abhandlung mit dem Titel «Suprematismus - Die gegenstandslose Welt» sein Ziel beschrieben, eine Kunst zu überwinden, die wie die zeitgenössische Wissenschaft und Technik alles zum Gegenstand macht und damit der Natur entfremdet. Mit dem Begriff «Natur» bezeichnet Malewitsch eine Welt, in der im mythischen Sinn alles Phänomen einer gegenstandslosen Einheit ist. «Der Mensch aber, gleichsam losgetrennt von der Ganzheit der Natur, will [...] in sie eindringen, indem er sie zu erkennen versucht. Aus den gewonnenen Erkenntnissen erfindet er Mittel, mit deren Hilfe er die Natur zu überwinden hofft. Und hierin liegt seine Täuschung, denn es ist nichts da, was überwunden werden könnte. Man kann sich nur anpassen, um in der Natur aufzugehen. In diesem Sinne ist [...] jede gegenständliche Darstellung als Folge der verfälschten Begriffe und der Vorstellung von Überwindung und Vergewaltigung zu betrachten.»2 Malewitsch fordert mit seiner Kunst die Überwindung des Grabens zwischen Subjekt und Objekt. Er sehnt sich nach dem, was oben als «Sinn an sich» oder als «das Unbedingte» beschrieben wurde. Aber er versucht die Realisierung dieser Sehnsucht durch Verdrängung. Er will dem Subjekt das Objekt verbieten. Und er tut dies konkret, indem er schwarze Quadrate auf weißem Grund malt - Quadrate, die den Betrachter zu einer Spontaneität führen sollen, die alles formende, unterscheidende und begreifende Interpretieren vermeidet. (Fs) (notabene)

43a Im Kubismus erkennt Malewitsch einen ersten Schritt in die richtige Richtung, weil kubistische Bilder ihren Gegenstand zerlegen und damit ein Stück weit zerstören bzw. «supremieren»3. Aber man kann den Kubismus auch ganz anders als Malewitsch verstehen. Denn im allgemeinen sieht die Kunstgeschichtsschreibung im Kubismus nicht den ersten Schritt zur Supremierung des Gegenstandes, sondern ganz im Gegenteil den Versuch, das Nicht-Ich durch das Ich zu bewältigen. Ich schließe mich dieser Sichtweise an, indem ich den Kubismus als erste Stufe und den Konstruktivismus als zweite Stufe einer Subjektivität rationaler Operation kennzeichne. (Fs)

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