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Autor: Menke, Karl-Heinz

Buch: Die Einzigkeit Jesu Christ

Titel: Die Einzigkeit Jesu Christ

Stichwort: Moderne Kunst - als Indikator d. Subjektivismus 2; Nominalismus -> gothische Kathedrale - Perspektive (Malerei); Renaissancekunst; Barock

Kurzinhalt: Der Standpunkt des Künstlers hat sich umgekehrt: Nicht mehr Gott und seine Offenbarung ist das Erste, sondern der Mensch und seine Perspektive.

Textausschnitt: 40a Die nominalistische Frage, ob der Mensch nicht seine eigenen Gedanken in die Dinge hineinliest statt Gottes Gedanken aus ihnen heraus, führt zur Trennung der Schöpfung von ihrem Schöpfer. Das Spätmittelalter beschreibt Gott als die absolute Freiheit, die sich durch die Fakten der biblischen Heilsgeschichte zwar so und nicht anders geäußert hat, die aber auch eine ganz andere als die bestehende Welt hätte schaffen können. Unter dieser Voraussetzung ist die Schöpfung ein Chaos von Fakten, auf das der Mensch in doppelter Weise reagieren kann: indem er sich weltflüchtig ausstreckt nach dem ganz anderen (transzendenten) Gott; oder indem er das besagte Chaos ordnet. Die gotischen Kathedralen greifen geradezu nach der Transzendenz; und ihre Fenster erzählen, was Gott in Wort und Tat de facto mitgeteilt hat. Zugleich entsteht die perspektivische Malerei; der Mensch ordnet das Vielerlei der von ihm wahrgenommenen Phänomene durch die eigene Perspektive. Somit ist die Ordnung der Dinge nicht mehr eine von Gott vorgegebene, sondern eine vom Menschen erstellte. Der Standpunkt des Künstlers hat sich umgekehrt: Nicht mehr Gott und seine Offenbarung ist das Erste, sondern der Mensch und seine Perspektive. Es geht um seine Beziehung zu dem transzendenten Gott, um seine Belehrung und um eine Ordnung, die ihm dient. (Fs)

40b Entsprechend steht im Mittelpunkt der Renaissancekunst der Mensch, der sich als Herr der Schöpfung versteht. Und im Barock bestätigt sich die vom Nominalismus eingeleitete "Wende von der Theo- zur Anthropozentrik in den Welt- und Himmelsbühnen, die nicht nur die empirisch wahrnehmbare, sondern ebenso die geglaubte Wirklichkeit zu einer alles und jeden umfassenden Ordnung gestalten. Der Mensch der Barockzeit fühlt sich in die von ihm selbst entworfene Ordnung einbezogen; von dem Hiatus, den Descartes mit seiner Unterscheidung zwischen res cogitans und res extensa aufreißt, ist noch keine Rede; aber der Versuch, die Welt nicht nur zu ordnen, sondern auch zu machen, kündigt sich an. Wie Kant die Erreichung des «Dings an sich» für unmöglich und alle Wahrheit zum Produkt des erkennenden Individuums erklärt, so erfährt die Kunst des 19. Jhs. eine Revolution, indem sie sich in die Grenzen des wahrnehmenden Subjekts zurückzieht. (Fs) (notabene)


41a Vor dem Hintergrund dieser Revolution soll die moderne Malerei nicht chronologisch geschildert, sondern als komparativischer Weg in die Subjektivität des Subjekts beschrieben werden. Dabei unterscheide ich vier Stilrichtungen: den ästhetischen Subjektivismus der Wahrnehmung (Impressionismus und Suprematismus), den rationalen Subjektivismus des Verstandes (Kubismus und Konstruktivismus), den intuitiven Subjektivismus des Unbewußten (Surrealismus und Automatismus) und den expressionistischen Subjektivismus des Willens (Expressionismus und Abstrakter Expressionismus). (Fs)

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