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Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Gott und Schöpfung

Titel: Gott und Schöpfung

Stichwort: Einheit, Verschiedenheit: Glauben - Wissen; Entsprechung, Differnez: Theologie - Philosophie, Glauben - Denken

Kurzinhalt: ... eine doppelte Ordnung der Wahrheit. Ihr Ursprung aber ist einer und derselbe; von beiden gilt das Wort: In deinem Lichte sehen wir das Licht. Sowohl die Ursätze der Vernunft wie die Wahrheiten des Glaubens haben ihre Zuverlässigkeit von der ...

Textausschnitt: Einleitung A. Glauben und Wissen

LIVa Die Forschung der menschlichen Vernunft gelangt nach Thomas schlußfolgernd zu der Wahrheit, daß Gott ist. Ihrem Lichte öffnen sich, wie die alten Philosophen zeigen, auch gewisse Seiten der Seinsweise Gottes. Andere Wahrheiten über Gott hingegen, die uns im christlichen Glauben gegeben sind, übersteigen die Kraft der Vernunft. So gibt es auf Seite des Menschen, der das Göttliche zu erkennen sucht, eine doppelte Ordnung der Wahrheit. Ihr Ursprung aber ist einer und derselbe; von beiden gilt das Wort: In deinem Lichte sehen wir das Licht. Sowohl die Ursätze der Vernunft wie die Wahrheiten des Glaubens haben ihre Zuverlässigkeit von der nämlichen göttlichen Quelle her. (Fs)

Aber in verschiedener Weise betrachten Philosoph und Theolog die Welt der Tatsachen und der Wahrheit. Wenn der eine das Feuer nach seiner Natur erforscht, so der andere als Ausdruck göttlichen Lebens und in der Beziehung auf seinen Urheber. Auch der Philosoph wird endlich zu Gott aufsteigen, aber seinen Ausgang nimmt er vom Geschöpf; dem Menschen des Glaubens indessen ist das Erste die Betrachtung Gottes, und von ihm aus wendet er sich zum Geschöpfe her, um es in seiner Zuordnung auf Gott zu erkennen. Vollkommener freilich ist die Betrachtungsweise des Theologen, weil näher dem Erkenntnisleben Gottes, der ja im Erkennen seiner selbst alles Seiende in der Schauung besitzt. Und darum, weil sie immer die höchste Ursache bedenkt, hat sie den Vorrang, dessentwegen die menschliche Philosophie zu ihr im dienenden Verhältnis steht (ipsi quasi principali philosophia hurnana deservit). (Fs)

LIVb Aber das eine wie das andere Verfahren ist unvollkommen im Vergleich mit der Schauungsweise in der Ewigkeit. "Das ist", sagt Thomas mit dem Buche Hiob, "nur stückweise gesprochen von Seinen Wegen, und da wir kaum einen kleinen Tropfen von Seinem Wort vernommen haben, wer wird vermögen, das Gedonner Seiner Größe zu schauen?" Ins Geheimnis führen beide Wege. Das Denken über das Seiende befähigt uns, durch die Erscheinungswelt die Wirklichkeit einer geistigen Ordnung zu erkennen und dieses unsichtbare Reich in uns aufzunehmen; aber Gott der Quellgrund, von dem wir erkennen, daß er ist, bleibt uns unbekannt nach der Frage, was Er ist. Die Kundgabe einer andern, nicht im Natursein enthaltenen Wirklichkeit, nämlich die im geschichtlichen Fortgang (paulatim) und in menschengemäßer Erscheinungsweise ergehende Offenbarungswelt, übersteigt die natürliche Sehkraft des menschlichen Verstandes und öffnet sich dem von Glaubenslicht erleuchteten Geiste; aber auch ihm verhüllt sich die letzte Tiefe der "verborgenen Gottheit". (Fs)

LVa Mit der ganzen Scholastik also teilt der Aquinate die Überzeugung von der letzten inneren Entsprechung zwischen Denken und Glauben, und ihren Nachweis empfängt er sowohl aus der Denkwissenschaft wie der Glaubenswissenschaft. Dennoch stellt er sich einer Verquickung der beiden entgegen. Nicht eine doppelte Wahrheit, wie die Averroisten, nimmt er an, auch nicht ein fauler Friede könnte ihm genügen. Was er übt und fordert, ist die lautere, strenge Entfaltung der Vernunft auf dem ganzen Felde ihrer Reichweite; denn nur mit einer selbständigen Philosophie, die zur Eroberung der Wahrheitswelt alle natürlichen Kräfte ansetzt, ist der Glaubenswissenschaft und am Ende auch dem Glauben selbst geholfen. Mit dieser von Albert schon vollzogenen Besonderung der Wege zur Wahrheit ist sowohl die frühere Alleingeltung entweder des Glaubens oder der Vernunft als auch der scheinbare Ausgleich durch Vermengung (bei Anselm) überwunden. (Fs)

LVb So ist bei Thomas Philosophie nicht Theologie, und seine Theologie nicht Philosophie. Aber beides ist da, und indem ein jedes nach seinem inneren Gesetze sich entfaltet, entsteht von beiden her ein einheitliches Gebilde, das dem Baume gleich, von Erde und Himmel versorgt, die Entsprechung des Unten und Oben offenbart. "Der Mensch arbeitet sich dank dem natürlichen Lichte der Vernunft an den Kreaturen hinauf zur Erkenntnis Gottes; die göttliche Wahrheit, die über den menschlichen Verstand erhaben ist, senkt sich offenbarungsweise in uns hinein." (Philos. Summe IV i.) Man darf, will man Thomas nicht im Grunde mißverstehen, dieses Eine Sinnganze in der Zweiheit von Bewegung - Hinauf und Herab - nicht auseinanderbrechen. (Fs)

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