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Autor: Johannes Paul II - Wojtyla, Karol Józef

Buch: Enzyklika Veritatis splendor

Titel: Johannes Paul II., Veritatis splendor

Stichwort: Todsünde, lässliche Sünde; Gruntentscheidung - Materie der Sittlichkeit

Kurzinhalt: Es wäre daher notwendig - so heißt es -, die Schwere der Sünde eher am Grad zu messen, in dem sie die Freiheit der handelnden Person engagiert, als an der Materie der betreffenden Handlung.

Textausschnitt: 69. Die Erwägungen über die Grundoption haben, wie wir bemerkten, einige Theologen veranlaßt, auch die traditionelle Unterscheidung zwischen Todsünden und läßlichen Sünden einer tiefgreifenden Revision zu unterziehen. Sie unterstreichen, daß der Widerspruch zum Gesetz Gottes, der den Verlust der heiligmachenden Gnade - und, im Falle des Todes in einem solchen Zustand der Sünde, die ewige Verdammnis - verursacht, nur das Ergebnis eines Aktes sein kann, der die Person in ihrer Totalität beansprucht, das heißt eben eines Aktes der Grundoption. Nach diesen Theologen würde sich die Todsünde, die den Menschen von Gott trennt, nur in der Zurückweisung Gottes ereignen, vollzogen auf einer nicht mit einem Wahlakt identifizierbaren und nicht durch reflektierte Bewußtheit erreichbaren Ebene der Freiheit. In diesem Sinne - so fügen sie hinzu - ist es zumindest psychologisch schwierig, die Tatsache zu akzeptieren, daß ein Christ, der mit Jesus Christus und seiner Kirche vereint bleiben will, so leicht und immer wieder Todsünden begehen kann, wie dies die "Materie" seiner Taten hin und wieder vermuten ließe. Ebenso fiele es schwer anzunehmen, der Mensch sei imstande, in kurzer Zeit die Bande der Gemeinschaft mit Gott radikal zu zerbrechen und sich im nachhinein durch aufrichtige Buße zu ihm zu bekehren. Es wäre daher notwendig - so heißt es -, die Schwere der Sünde eher am Grad zu messen, in dem sie die Freiheit der handelnden Person engagiert, als an der Materie der betreffenden Handlung. (Fs)

70. Das nachsynodale Apostolische Schreiben Reconciliatio et paenitentia hat die Bedeutung und bleibende Aktualität der Unterscheidung zwischen Todsünden und läßlichen Sünden, gemäß der Tradition der Kirche, betont. Und die Bischofssynode von 1983, aus der dieses Schreiben hervorgegangen ist, "hat nicht nur die vom Tridentinischen Konzil über Existenz und Natur von Todsünde und läßlicher Sünde verkündete Lehre bekräftigt, sondern hat auch daran erinnern wollen, daß jene Sünde eine Todsünde ist, die eine schwerwiegende Materie zum Gegenstand hat und die dazu mit vollem Bewußtsein und bedachter Zustimmung begangen wird".1

Die Aussage des Konzils von Trient hat nicht nur die "schwerwiegende Materie" der Todsünde im Auge, sondern erwähnt auch als ihre Voraussetzung "das volle Bewußtsein und die bedachte Zustimmung". Im übrigen kennt man sowohl in der Moraltheologie wie in der Seelsorgepraxis Fälle, wo ein aufgrund seiner Materie schwerwiegender Akt deshalb keine Todsünde darstellt, weil das volle Bewußtsein oder die bedachte Zustimmung dessen, der den Akt vollbrachte, nicht gegeben war. Andererseits "muß man vermeiden, die Todsünde zu beschränken auf den Akt einer Grundentscheidung oder Grundoption ("optio fundamentalis") gegen Gott, wie man heute zu sagen pflegt, unter der man dann eine ausdrückliche und formale Beleidigung Gottes oder des Nächsten oder eine mitinbegriffene und unüberlegte Zurückweisung der Liebe versteht. Es handelt sich nämlich auch um eine Todsünde, wenn sich der Mensch bewußt und frei aus irgendeinem Grunde für etwas entscheidet, was in schwerwiegender Weise sittlich ungeordnet ist. Tatsächlich ist ja in einer solchen Entscheidung bereits eine Mißachtung des göttlichen Gebotes enthalten, eine Zurückweisung der Liebe Gottes zur Menschheit und zur ganzen Schöpfung: Der Mensch entfernt sich so von Gott und verliert die Liebe. Die Grundorientierung kann also durch konkrete Einzelhandlungen völlig umgeworfen werden. Zweifellos kann es unter psychologischem Aspekt viele komplexe und dunkle Situationen geben, die auf die subjektive Schuld des Sünders Einfluß haben mögen. Aufgrund einer Betrachtung auf psychologischer Ebene kann man jedoch nicht zur Schaffung einer theologischen Kategorie, wie gerade diejenige der öptio fundamentalis" übergehen, wenn sie so verstanden wird, daß sie auf der objektiven Ebene die traditionelle Auffassung von Todsünde ändert oder in Zweifel zieht".2

Die Dissoziierung von Grundoption und bedachter, diese nicht in Frage stellender Wahl bestimmter, in sich selbst oder durch die Umstände ungeordneter Verhaltensweisen, hängt also mit der Verkennung der katholischen Lehre über die Todsünde zusammen: "Mit der ganzen Tradition der Kirche nennen wir denjenigen Akt eine Todsünde, durch den ein Mensch bewußt und frei Gott und sein Gesetz sowie den Bund der Liebe, den dieser ihm anbietet, zurückweist, indem er es vorzieht, sich sich selbst zuzuwenden oder irgendeiner geschaffenen oder endlichen Wirklichkeit, irgendeiner Sache, die im Widerspruch zum göttlichen Willen steht (conversio ad creaturam - Hinwendung zum Geschaffenen). Dies kann auf direkte und formale Weise geschehen, wie bei den Sünden der Götzenverehrung, des Abfalles von Gott und der Gottlosigkeit, oder auf gleichwertige Weise, wie in jedem Ungehorsam gegenüber den Geboten Gottes bei schwerwiegender Materie".3

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