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Autor: Johannes Paul II - Wojtyla, Karol Józef

Buch: Enzyklika Veritatis splendor

Titel: Johannes Paul II., Veritatis splendor

Stichwort: Geschichte - Naturgesetz; Natur des Menschen: wandelbar - unwandelbar; Christus; gestern, heute, in Ewigkeit

Kurzinhalt: Es ist nicht zu leugnen, daß sich der Mensch immer und in einer bestimmten Kultur befindet, aber ebenso wenig läßt sich bestreiten, daß sich der Mensch in dieser jeweiligen Kultur auch nicht erschöpft.

Textausschnitt: 53. Die große Sensibilität des heutigen Menschen für Geschichtlichkeit und Kultur verleitet manche dazu, an der Unveränderlichkeit des Naturgesetzes und damit am Bestehen öbjektiver Normen der Sittlichkeit"1 zu zweifeln, die für alle Menschen der Gegenwart und der Zukunft gelten, wie sie bereits für jene der Vergangenheit gegolten haben: Ist es überhaupt möglich, von gewissen vernünftigen Bestimmungen, die einst in der Vergangenheit in Unkenntnis des späteren Fortschritts der Menschheit festgelegt wurden, zu behaupten, sie seien für alle von universaler und immerwährender Geltung? (Fs) (notabene)

Es ist nicht zu leugnen, daß sich der Mensch immer und in einer bestimmten Kultur befindet, aber ebenso wenig läßt sich bestreiten, daß sich der Mensch in dieser jeweiligen Kultur auch nicht erschöpft. Im übrigen beweist die Kulturentwicklung selbst, daß es im Menschen etwas gibt, das alle Kulturen transzendiert. Dieses "Etwas" ist eben die Natur des Menschen: Sie gerade ist das Maß der Kultur und die Voraussetzung dafür, daß der Mensch nicht zum Gefangenen irgendeiner seiner Kulturen wird, sondern seine Würde als Person dadurch behauptet, daß er in Übereinstimmung mit der tiefen Wahrheit seines Wesens lebt. Wer die bleibenden konstitutiven Strukturelemente des Menschen, die auch mit seiner leiblichen Dimension zusammenhängen, in Frage stellte, befände sich nicht nur im Konflikt mit der allgemeinen Erfahrung, sondern würde auch die Bezugnahme auf den Anfang unverständlich werden lassen, die Jesus eben dort machte, wo die soziale und kulturelle Zeitsituation den ursprünglichen Sinn und die Rolle einiger sittlicher Normen entstellt hatte (vgl. Mt 19,1-9). In diesem Sinne "bekennt die Kirche, daß allen Wandlungen vieles Unwandelbare zugrunde liegt, was seinen letzten Grund in Christus hat, der derselbe ist gestern, heute und in Ewigkeit".2 Er ist der "Anfang", der, nachdem er die menschliche Natur angenommen hat, sie in ihren Grundelementen und in ihrem Dynamismus der Gottes- und der Nächstenliebe endgültig erleuchtet.3 (Fs) (notabene)

Gewiß muß für die universal und beständig geltenden sittlichen Normen die den verschiedenen kulturellen Verhältnissen angemessenste Formulierung gesucht und gefunden werden, die imstande ist, die geschichtliche Aktualität dieser Normen unablässig zum Ausdruck zu bringen und ihre Wahrheit verständlich zu machen und authentisch auszulegen. Diese Wahrheit des Sittengesetzes entfaltet sich - wie jene des Glaubensgutes ("depositum fidei") - über die Zeiten hinweg: Die Normen, die Ausdruck dieser Wahrheit sind, bleiben im wesentlichen gülig, müssen aber vom Lehramt der Kirche den jeweiligen historischen Umständen entsprechend "eodem sensu eademque sententia"4 genauer gefaßt und bestimmt werden; die Entscheidung des Lehramtes wird vorbereitet und begleitet durch das Bemühen um Verstehen und um Formulierung, wie es der Vernunft der Gläubigen und der theologischen Reflexion eigen ist.5

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