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Autor: Johannes Paul II - Wojtyla, Karol Józef

Buch: Enzyklika Veritatis splendor

Titel: Johannes Paul II., Veritatis splendor

Stichwort: Naturgesetz, Person, Einheit (Seele, Leib);

Kurzinhalt:
Das so verstandene Naturgesetz läßt keinen Raum für eine Trennung von Freiheit und Natur: Sie sind tatsächlich harmonisch miteinander verknüpft und sind einander zutiefst verbunden.

Textausschnitt: 50. Man kann nun die wahre Bedeutung des Naturgesetzes verstehen: Es bezieht sich auf die eigentliche und ursprüngliche Natur des Menschen, auf die "Natur der menschlichen Person",1 die die Person selbst in der Einheit von Seele und Leib ist, in der Einheit ihrer sowohl geistigen wie biologischen Neigungen und aller anderen spezifischen Merkmale, die für die Erreichung ihres Endzieles notwendig sind. "Das natürliche Sittengesetz drückt aus und schreibt vor die Zielsetzungen, Rechte und Pflichten, die sich auf die leibliche und geistige Natur der menschlichen Person gründen. Es kann deshalb nicht als bloß biologisch maßgebend verstanden werden, sondern muß als die Vernunftordnung definiert werden, gemäß welcher der Mensch vom Schöpfer dazu berufen ist, sein Leben und seine Handlungen zu lenken und zu regeln und im besonderen von seinem Leib Gebrauch zu machen und über ihn zu verfügen".2 Zum Beispiel finden sich Ursprung und Fundament der Verpflichtung,[eg: überflüssiges Komma] zur absoluten Achtung des menschlichen Lebens in der der menschlichen Person eigenen Würde und nicht bloß in der natürlichen Neigung, sein physisches Leben zu erhalten. So gewinnt das menschliche Leben, das ein fundamentales Gut des Menschen ist, sittliche Bedeutung im Blick auf das Wohl der Person, das stets um seiner selbst willen geltend gemacht werden muß: Während es moralisch immer unerlaubt ist, einen unschuldigen Menschen zu töten, kann es gestattet, lobenswert und sogar geboten sein, aus Nächstenliebe oder als Zeugnis für die Wahrheit das eigene Leben hinzugeben (vgl. Joh 15,13). In Wirklichkeit kann man nur in bezug auf die menschliche Person in ihrer "geeinten Ganzheit", das heißt äls Seele, die sich im Leib ausdrückt, und als Leib, der von einem unsterblichen Geist durchlebt wird",3 die spezifisch menschliche Bedeutung des Leibes erfassen. Tatsächlich gewinnen die natürlichen Neigungen nur insofern sittliche Bedeutung, als sie sich auf die menschliche Person und ihre authentische Verwirklichung beziehen, die andererseits immer und nur im Rahmen der menschlichen Natur zustande kommen kann. Wenn die Kirche Manipulationen der Leiblichkeit, die deren menschliche Bedeutung verfälschen, zurückweist, dient sie dem Menschen und zeigt ihm den Weg der wahren Liebe, auf dem allein er den wahren Gott zu finden vermag. (Fs)

Das so verstandene Naturgesetz läßt keinen Raum für eine Trennung von Freiheit und Natur: Sie sind tatsächlich harmonisch miteinander verknüpft und sind einander zutiefst verbunden. (Fs)

"Am Anfang war das nicht so" (Mt 19,8)

51. Der vermutete Konflikt zwischen Freiheit und Natur wirkt sich auch auf die Interpretation einiger besonderer Aspekte des Naturgesetzes aus, vor allem auf seine Universalität und Unveränderlichkeit. "Wo also sind diese Regeln aufgeschrieben - fragte sich der hl. Augustinus - ... wenn nicht in dem Buch von jenem Licht, das sich Wahrheit nennt? Von da wird also jedes rechte Gesetz diktiert und überträgt sich ins Herz des Menschen, der die Gerechtigkeit wirkt, wobei es ihn nicht wieder verläßt, sondern sich ihm gleichsam einprägt, wie sich das Bild vom Ring in das Wachs einprägt, ohne aber den Ring zu verlassen".4

Dank dieser "Wahrheit" schließt das Naturgesetz Universalität ein. Da es eingeschrieben ist in die Vernunftnatur der menschlichen Person, ist es jedem vernunftbegabten und in der Geschichte lebenden Geschöpf auferlegt. Um sich in seiner spezifischen Ordnung zu vervollkommnen, muß der Mensch das Gute tun und das Böse unterlassen, über die Weitergabe und Erhaltung des Lebens wachen, die Reichtümer der sinnenhaften Welt verfeinern und entfalten, das gesellschaftliche Leben pflegen, die Wahrheit suchen, das Gute tun, die Schönheit betrachten.5

Der Graben, den einige zwischen der Freiheit der Individuen und der allen gemeinsamen Natur aufgerissen haben, verschleiert die Erfahrung der Universalität des Sittengesetzes durch die Vernunft, wie dies aus manchen philosophischen Theorien, die in der modernen Kultur großen Widerhall gefunden haben, hervorgeht. Insofern aber das Naturgesetz die Würde der menschlichen Person zum Ausdruck bringt und die Grundlage für ihre fundamentalen Rechte und Pflichten legt, ist es in seinen Geboten universal, und seine Autorität erstreckt sich auf alle Menschen. Diese Universalität sieht nicht von der Einzigartigkeit der Menschen ab, noch widerspricht sie der Einmaligkeit und Unwiederholbarkeit jeder einzelnen menschlichen Person: Sie umfaßt im Gegenteil grundlegend jede ihrer freien Handlungen, die die Universalität des wahren Guten bezeugen müssen. Indem sie sich dem gemeinsamen Gesetz unterwerfen, bauen unsere Handlungen die wahre Gemeinschaft der Personen auf und verwirklichen mit der Gnade Gottes die Liebe, "das Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht" (Kol 3,14). Wenn sie hingegen das Gesetz verkennen oder, mit oder ohne Schuld, auch nur darüber in Unkenntnis sind, so verletzen unsere Handlungen die Gemeinschaft der Personen zum Schaden jedes einzelnen. (Fs)

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