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Autor: Johannes Paul II - Wojtyla, Karol Józef

Buch: Enzyklika Veritatis splendor

Titel: Johannes Paul II., Veritatis splendor

Stichwort: Konflikt: Freiheit - Gesetz, F. - Natur (eg: Rotter?); Kategorien psychisch-sozialer Mechanismen; Kultur als "Konstrukt" der Freiheit

Kurzinhalt: In diesem Zusammenhang werden auch die sittlichen Tatsachen, trotz ihres eigentümlichen Charakters, oft wie statistisch erfaßbare Daten, beobachtbares Verhalten oder nur mit den Kategorien psychisch-sozialer Mechanismen erklärbar behandelt.

Textausschnitt: 46. Ein vermutlicher Konflikt zwischen Freiheit und Gesetz stellt sich heute aufs neue mit außergewöhnlicher Wucht im Hinblick auf das Naturgesetz und besonders im Hinblick auf die Natur. In Wirklichkeit haben die Debatten über Natur und Freiheit die Geschichte der moralischen Reflexion immer begleitet; mit Renaissance und Reformation haben sich diese Debatten zugespitzt, wie man aus den Lehren des Konzils von Trient ersehen kann.1 Von ähnlicher Spannung ist, wenn auch in einem anderen Sinn, die Gegenwart gezeichnet: Die Vorliebe für die empirische Beobachtung, die Verfahren wissenschaftlicher Verobjektivierung, der technische Fortschritt, gewisse Formen von Liberalismus haben die zwei Begriffe einander gegenübergestellt, als wäre die Dialektik - wenn nicht gar der Konflikt - zwischen Freiheit und Natur ein Strukturmerkmal der menschlichen Geschichte. Zu anderen Zeiten schien die "Natur" den Menschen vollständig ihren Dynamismen zu unterwerfen, ja selbst ihn zu determinieren. Heute noch scheinen vielen die räumlich-zeitlichen Koordinaten der sinnlich wahrnehmbaren Welt, die physisch-chemischen Konstanten, die körperlichen und seelischen Triebkräfte und die gesellschaftlichen Zwänge die einzigen wirklich entscheidenden Faktoren der menschlichen Wirklichkeit zu sein. In diesem Zusammenhang werden auch die sittlichen Tatsachen, trotz ihres eigentümlichen Charakters, oft wie statistisch erfaßbare Daten, beobachtbares Verhalten oder nur mit den Kategorien psychisch-sozialer Mechanismen erklärbar behandelt. Und so können manche Ethiker, die von Berufs wegen sich der Untersuchung der Handlungen und Haltungen des Menschen zu widmen haben, versucht sein, ihr Wissen, ja sogar ihre Verordnungen, an einer statistischen Aufarbeitung des konkreten menschlichen Verhaltens und an den Meinungen der Mehrheit in sittlichen Fragen zu messen. (Fs)

Im Gegensatz dazu behalten andere Moraltheologen, auf Werteerziehung bedacht, eine Sensibilität, die Freiheit in Ehren zu halten, verstehen sie aber oft in Widerspruch oder Gegensatz zur materiellen und biologischen Natur, der gegenüber sie sich Schritt für Schritt zu behaupten hätte. Dabei treffen sich verschiedene Auffassungen darin, daß sie die kreatürliche Dimension der Natur vergessen und in ihrer Integrität verkennen. Für einige ist die Natur nur noch zum Rohmaterial für das menschliche Handeln und Können verkürzt: Sie müßte von der Freiheit von Grund auf umgeformt, ja überwunden werden, da sie Begrenzung und Verneinung der Freiheit darstellte. Für andere entstünden im maßlosen Steigern der Macht des Menschen bzw. der Ausweitung seiner Freiheit die ökonomischen, gesellschaftlichen, kulturellen und auch sittlichen Werte: Natur würde all das bedeuten, was im Menschen und in der Welt außerhalb der Freiheit angesiedelt ist. Diese Natur enthielte an erster Stelle den menschlichen Leib, seine Verfassung und seine Triebkräfte: Im Gegensatz zu dieser physischen Gegebenheit stünde alles "Konstruierte", also die "Kultur" als Werk und Produkt der Freiheit. Die so verstandene menschliche Natur könnte reduziert und wie ein dauernd zur Verfügung stehendes biologisches oder gesellschaftliches Material behandelt werden. Das bedeutet letzten Endes, die Freiheit durch sich selbst zu bestimmen und sie zu einer schöpferischen Instanz ihrer selbst und ihrer Werte zu machen. Auf diese Weise hätte der Mensch letztlich nicht einmal eine Natur; er wäre an und für sich sein eigenes Daseinsprojekt. Der Mensch wäre nichts weiter als seine Freiheit! (Fs) (notabene)

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