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Autor: Schooyans, Michel

Buch: Ethik, Leben, Bevölkerung

Titel: Ethik, Leben, Bevölkerung

Stichwort: [137] Warum schenken die Ideologen der demographischen Sicherheit den Umweltproblemen so große Aufmerksamkeit? - Zusammenfassung

Kurzinhalt: In unterschiedlichen Formulierungen greift die Ideologie von der demographischen Sicherheit die bekannte Doktrin vom Lebensraum wieder auf und modernisiert sie.

Textausschnitt: In unterschiedlichen Formulierungen greift die Ideologie von der demographischen Sicherheit die bekannte Doktrin vom Lebensraum wieder auf und modernisiert sie. Um der arischen Rasse den angeblich nötigen Lebensraum zu verschaffen (s.a. 32), brach Nazideutschland Expansionskriege vom Zaun; um die Armen vom angeblichen Wohlstandskuchen fernzuhalten, benutzen wir den Bevölkerungskrieg. (Fs)

a) Wenn die Ideologen der Empfängnisverhütung ihre Aussagen mit der Warnung vor der »Verschlechterung der Umwelt« und der »Erschöpfung der natürlichen Hilfsquellen« verbrämen, ist besondere Wachsamkeit geboten (s.a. 92). Damit sollen die wahren Motive verschleiert und die Eindämmung der armen Bevölkerung »legitimiert« werden. (Fs)

Wie zur Zeit von Malthus wird die Fähigkeit des Menschen, der Natur ein »Mehr« hinzuzufügen, in Zweifel gezogen und behauptet, der »Menschenbestand« müsse in von Technokraten bestimmten Grenzen gehalten werden. Man vergißt ganz einfach, daß mit jedem neugeborenen Menschen nicht nur ein weiterer »Bauch« auf die Welt kommt, sondern vorwiegend zwei Hände und ein Gehirn, welche durch Arbeit und aktives Denken zur Verbesserung der Lage beitragen können. (Fs)

b) Auch hier machen sich die Mächtigen der Welt die Doktrin vom Lebensraum zunutze, die ihre Vorgänger zugunsten der Rasse propagierten (s.a. 31ff.) Doch jetzt geht ihr Anspruch noch weiter als zu Beginn des Jahrhunderts. Tatsächlich wollen die Reichen und Mächtigen nicht mehr nur ihren aktuellen Wohlstand wahren, sondern sie verlangen gewissermaßen zugunsten ihrer Nachkommen ein Vorkaufsrecht auf alle natürlichen Hilfsquellen und die Mittel zu ihrer Verarbeitung (s.a. 92, 103). In der hochmütigen Meinung, die Armen vermöchten keinen Mehrwert beizusteuern, behalten sich die Reichen die Nutzung vor. Sie beanspruchen gewissermaßen die Zukunft unrechtmäßig für sich. (Fs)
c) Der Lebensraum erlaubt es insbesondere den Vereinigten Staaten, ihre Vorstellung von der Grenze neu zu definieren.1 Man versteht darunter eine Zone, die die Pioniere ständig erweitert haben und in der sie sich an die Stelle der »Eingeborenen« setzten und diese sogar manchmal beseitigten, um sich in den Besitz der natürlichen Hilfsquellen zu bringen, die die »Eingeborenen« ihrer Meinung nach »nicht angemessen auszubeuten vermochten«. Diese »Grenze« hat sich nach Süden (wo sie zum Sezessionskrieg führte) und nach Westen sowie durch die Annektierung von zu Mexiko gehörigen Gebieten nach Südwesten verlagert. Sie ist bis heute nicht zum Stillstand gekommen und setzt sich insbesondere - seit Monroe - auf dem lateinamerikanischen Kontinent als »Hinterhof« der Vereinigten Staaten fort. Dieser »Hinterhof« vergrößert sich dank einer verstärkten Kontrolle unablässig.2

d) Die reichen Länder weiten ihr »Vorkaufsrecht« auf das Wissen und Können aus. Die Spitzenbereiche behalten sie eifersüchtig für sich. Beispielsweise mit Hilfe von GATT wählen sie sorgfältig aus, welche Wissensbereiche sie zu teilen bereit sind. Als sie merkten, daß die Länder der Dritten Welt eine »neue Weltordnung der Information« verlangten, sind die USA aus der UNESCO ausgezogen. Wie sie wissen auch die anderen reichen Länder, daß eine gut ausgebildete zahlreiche Bevölkerung zur Quelle der Entwicklung wird, weil sie dem Austausch zugute kommt. Doch wie sollte man übersehen, daß alle Tota-litarismen seit jeher danach strebten, diesen Austausch einzuschränken oder nur zu ihren eigenen Gunsten zu tolerieren (»brain drain«) und damit die Völker in der Unterentwicklung verharren zu lassen?

e) So wird der enge Zusammenhang zwischen den Kampagnen für eine Kontrolle des menschlichen Lebens und der konservativen Mentalität deutlich sichtbar. Die Mächtigen dieser Welt halten ihre Sicherheit für das Fundament ihrer Rechte (s.a. 70) - nicht nur ihres Rechtes auf Kontrolle der Gesamtweltbevölkerung, sondern auch auf die Kontrolle aller Ressourcen einschließlich der geistigen. Diese Sicherheitsbesessenheit verursacht beim einzelnen wie bei ganzen Gesellschaften einen völlig neuen Typ von Geiz und eine Behinderung der Kreativität. Dieser Geiz besteht darin, daß man die Globalisierung der menschlichen Gesellschaft und des Marktes zum Vorwand nimmt, um den Armen das Verfügungsrecht über ihre natürlichen Hilfsquellen zu rauben (s.a. 100). Die Reichen und die Mächtigen wollen die Gegenwart verewigen; sie planen nur noch. Und sie planen schlecht, denn sie behaupten zwar, ein Kind verursache Kosten, vergessen aber darob, daß auch der Tag kommt, an dem es Gewinn bringt. Wie jeder Geizhals betrachten die Reichen die Zukunft nur im Sinne des Einfrierens ihres heutigen Wohlstands. Von Voraussicht ist bei ihnen keine Rede, denn dann müßten sie ja die heutige Praxis namens einer gerechteren und solidarischeren Welt von morgen in Frage stellen (s.a. 136). (Fs)

Zusammenfassung

Die radikale Bevölkerungspolitik der reichen Länder ist rein materialistisch begründet. Für die Kirche aber kann dieses Motiv kein Bezugsgrund sein, denn sie bemüht sich prinzipiell um das Heil jedes Menschen als von Gott geschaffenes, einzigartiges Wesen. In diesem Sinne kann die Kirche eine rein mechanisch-materialistische Geburtenbeschränkung nicht billigen, sondern legt den Akzent vielmehr auf die menschlichen Qualitäten, und diese dienen dem Wohl aller Menschen mehr als kurzfristige Zwangsmaßnahmen. (Fs)

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